Kreis-SPD beantragt kommunal getragenes medizinisches Versorgungszentrum

Setzen sich für ein Modellprojekt „Kommunale Arztpraxen“ ein (v. li.):  die Sozialdemokraten 
Norbert Eckhardt, Klaus-Wilfried Kienert, Manfred Lohr und Tobias Handtke | Foto: Jula Handtke
  • Setzen sich für ein Modellprojekt „Kommunale Arztpraxen“ ein (v. li.): die Sozialdemokraten
    Norbert Eckhardt, Klaus-Wilfried Kienert, Manfred Lohr und Tobias Handtke
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(bim). Seit Jahren klagen Patienten über zu volle Wartezimmer und lange Wartezeiten. "Eine Katastrophe rollt auf uns zu" sagte Dr. Jörn Jepsen, Kreissprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und Facharzt für Allgemeinmedizin in Hanstedt, bereits im Jahr 2017 zum Mangel an Haus- und Fachärzten auf dem Lande. Anlass war eine Fachausschuss-Sitzung in Tostedt (das WOCHENBLATT berichtete). Denn der ärztliche Versorgungsgrad dort liegt bei rund 78 Prozent und damit nur kurz über einem Versorgungsnotstand. Um die Versorgung mit allgemeinärztlichen Leistungen im gesamten Landkreis Harburg sicherzustellen, möchte die SPD-Kreistagsfraktion daher nun in einem Modellversuch ein kommunal getragenes medizinisches Versorgungszentrum (allgemeinärztlicher Dienst plus ein oder zwei Facharztpraxen) mit angestellten Ärztinnen und Ärzten initiieren.
Die Rahmenbedingungen bei der Ausbildung des Nachwuchses und der Ansiedlung von Medizinern seien so schlecht, dass beides erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde, beklagte Jepsen bereits damals. Als Gründe für die schlechte Hausärzte-Versorgung nannte er das Bevölkerungswachstum und den demografischen Wandel, den Mangel an Studienplätzen und eine Überalterung der Kollegen.
Das bestätigt jetzt Tobias Handtke, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion: „Mehr als ein Drittel aller Allgemeinärzte im Landkreis Harburg wird in den nächsten Jahren das Ruhestandsalter erreichen. Es droht bis 2030 eine drastische Versorgungslücke. Der Anstieg älterer Jahrgänge bedeutet eine überproportional steigende Nachfrage nach allgemeinärztlichen Leistungen in Hausarztpraxen. Es zeichnet sich ein Trend ab, dass die heranwachsenden Ärztinnen und Ärzte lieber als angestellte Mediziner tätig werden möchten, als selbstständig eine Praxis zu führen." Der Wunsch nach Teilzeitarbeit, geregelten Arbeitszeiten, Familienorientierung und andere Lebensentwürfe sowie die Zurückhaltung einer Praxisübernahme oder -gründung auf langjähriger Kreditbasis seien Gründe für einen Verzicht auf Selbstständigkeit – insbesondere auf dem Lande, wo es weniger lukrative Privatpatienten gebe.
Weitere Probleme:
Die Beschränkung der Medizinstudienplätze wirke sich restriktiv auf die Arztstellen und damit auf die ärztliche Versorgung aus. „50 Prozent der in der Medizin Studierenden wandern nach ihrem Abschluss wegen der schlechten Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich in andere Bereiche ab und fehlen in der Gesundheitsversorgung. Es ist also unabdingbar, die Zahl der Studienplätze, wie von der niedersächsischen Landesregierung gerade angeschoben, dauerhaft zu erhöhen“, sagt der Sozialdemokrat und Allgemeinmediziner Norbert Eckhardt.
Auch an der „Schraube Zulassungskriterien“ müsse gedreht werden. Der Numerus Clausus als eines der Zulassungskriterien zum Medizinstudium sei zu hinterfragen und solle am besten abgeschafft werden.
Die Betrachtung nur auf den Landkreis sei jedoch zu kurz gegriffen, wissen die Sozialdemokraten. Daher sei der jetzige Vorstoß der SPD-Kreistagsfraktion lediglich ein erster Schritt: Alle Beteiligten - Politik (Bund, Länder, Kommunen), Kassenärztliche Vereinigungen und Ärztevertretungen - seien gefordert, zusammen an der Lösung des Problems mitzuwirken.
Dazu gehöre eine Rahmenplanung, die nicht nur den Mangel verwaltet, sondern perspektivisch und mit Blick auf den demografischen Wandel für eine ausgewogene und hinreichende Versorgung mit Allgemein- und Fachärzten sorgt. Letztlich wird es um Geld gehen, das der Staat einsetzen müsse.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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