Landkreis Harburg
Möglichst keine ungesteuerte Realisierung von Windkraftanlagen
Die Planungen zum Ausbau der Windenergie sind in vollem Gange - zur Beunruhigung vieler Bürgerinnen und Bürger, die um den Erhalt ökologisch wertvoller Gebiete bangen, oder befürchten, von den "Spargeln" umzingelt zu werden - Schallemissionen inklusive.
Im Zuge der "Energiewende" und nach den geänderten Gesetzesvorgaben des Bundes und des Landes Niedersachsen müssen dafür deutlich mehr Flächen als bisher für Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden, auch im Landkreis Harburg. Dabei ist Augenmaß gefragt: „Wir wollen eine ungesteuerte Realisierung von Windrädern in der Landschaft vermeiden. Ziel unserer Planungen ist es, die am besten geeigneten Flächen zu identifizieren und als Angebotsflächen für Anlagen bereitzustellen. Gleichzeitig wollen wir so besonders sensible Bereiche schützen“, sagt Landrat Rainer Rempe. Dafür wird derzeit ein Windenergiekonzept erarbeitet, das verbindlich regelt, wo künftig Windenergieanlagen errichtet werden dürfen.
Ausgewogene Planung ist wichtig
„Uns ist eine ausgewogene Planung wichtig, die den Schutz der Natur ebenso berücksichtigt wie die Belange der Bürgerinnen und Bürger“, betont Landrat Rempe. „Wir sind aber weder beim Verfahren noch bei den Festlegungen für die Vorrangflächen frei in unseren Entscheidungen, sondern müssen uns im vom Land vorgegeben Rahmen bewegen. Uns ist es aber wichtig, das Heft des Handelns so weit wie möglich in der Hand zu behalten: Wenn wir die Landesvorgaben nicht erfüllen und nicht genügend Flächen zur Verfügung stellen, droht ungesteuerter Wildwuchs.“
Der Landkreis Harburg muss zwingend zusätzliche Vorranggebiete für Windenergie ausweisen. Aufgrund von Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene muss der Landkreis Harburg bis Ende 2027 3.051 Hektar und bis Ende 2032 3.949 Hektar für Windenergie zur Verfügung stellen. Bisher sind im Regionalen Raumordnungsprogramm 558 Hektar als Vorranggebiete für Windenergie ausgewiesen. Mit dem nun entstehenden Konzept konkretisieren sich langsam die Flächen, mit denen die vom Land Niedersachsen vorgegebenen Ziele für das Jahr 2027 erreicht werden sollen.
Konzept mit detailliertem Kriterienkatalog
In dem Konzept hat der Landkreis nach einem detaillierten Kriterienkatalog das gesamte Kreisgebiet bewertet und die Flächen identifiziert, auf denen theoretisch Anlagen möglich sind. „Eine möglichst frühzeitige Einbindung von Politik und Kommunen soll helfen, Konfliktpotenziale rechtzeitig zu identifizieren und eine möglichst tragfähige Grundlage für die gesetzlich von uns zu treffenden Entscheidungen zu liefern. Wir werden uns bei der Beteiligung die Einwendungen der Bürgerinnen und Bürger genau anhören und ansehen“, so Rempe. So werden vor allem Torben Ziel und Dr. Alexander Stark als zuständige Mitarbeitende viele öffentliche Termine auf Einladung der Kommunen bestreiten, um das System der Flächenfestlegung transparent zu erläutern und mit den Betroffenen zu diskutieren. „Die zuständige Abteilung führt Aufklärungsgespräche mit Bürgerinitiativen wie mit Investoren über die Windenergie über das Vorgehen und den Stand des Verfahrens. Es wird neutral und nach allein planerischen Gesichtspunkten abgewogen. Auf Grundlage der sachlichen Planung nimmt schließlich der Kreistag mit seiner Mehrheit die politische Entscheidung vor, nicht die Verwaltung. Insofern sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt Einzelgespräche mit der Verwaltungsleitung nicht zielführend“, betont Dr. Alexander Stark.
Beim Bewertungsverfahren, ob eine Fläche für Windenerie geeignet ist, ist kompliziert.
Um die Potenzialflächen zu ermitteln, wurden zunächst Abstandskriterien ermittelt - nach rechtlichen Mindestanforderungen, gesetzlichen Ausschlussgründen als darüber hinausgehenden planerischen Überlegungen.
Naturschutzgebiete und Alte Waldstandorte ausgeschlossen
Ausgeschlossen werden jene Flächen, die von vornherein nicht für die Windkraftnutzung infrage kommen. Dazu gehören Naturschutzgebiete, sogenannte Alte Waldstandorte, die seit Jahrhunderten als Forst genutzt werden, und Hubschraubertiefflugstrecken, zudem werden pauschale Siedlungsabstände berücksichtigt.
Auch würden die Sichtbeziehungen von den jeweiligen Ortsmitten der betroffenen Orte herangezogen. Nach einer Methode, die schon in Mecklenburg-Vorpommern angewendet wurde, sollen so Sichtachsen von Ortschaften frei bleiben, die sonst wegen ihrer für die Windenergie günstigen geographischen Lage nahezu von Potenzialflächen umringt wären.
Weiterhin ist die Abwägung von naturschutzfachlichen Belangen wichtig, im Wesentlichen die Betroffenheit von schlaggefährdeten Vogelarten, Zugvögeln oder beispielsweise auch von Aspekten des Denkmalschutzes.
Nach Anwendung aller Kriterien und der Abwägung der betroffenen Belange von Mensch und Natur kommt es zu einer Ballung an Potentialflächen in bestimmten Bereichen, während andere Bereiche fast gänzlich von Windenergiepotentialflächen freibleiben. Insbesondere der dicht besiedelte Nordteil des Landkreises bietet wenig Raum für Windenergie. Auch die Vogelzuglinien entlang der Elbe sind aus naturschutzfachlicher Sicht sehr empfindlich gegenüber Windenergieanlagen, genauso wie die FFH-Gebiete im Bereich der Moore im westlichen Teil des Landkreises Harburg und dem angrenzenden Landkreis Rotenburg. Das Gebiet der Lüneburger Heide ist als Naturschutz- und Vogelschutzgebiet gesetzlich ausgeschlossen.
Aufgrund der gesetzlichen Änderungen, die sowohl Wald- als auch Landschaftsschutzgebiete für die Windenergiegebiete öffnen, rücken gerade diese Bereiche verstärkt in den Fokus. Gerade im Gebiet der Samtgemeinde Salzhausen gab es aufgrund der ausgedehnten Waldflächen und Landschaftsschutzgebiete bislang kaum Vorrangflächen für die Windenergie. Der gesetzliche Wegfall dieser Hinderungsgründe ist die Hauptursache, warum sich die Anteile bei der zukünftigen Festlegung der Vorrangflächen für die Windenergie umkehrt.
Die Zeit drängt: „Sollte der Landkreis bis zum 1. Januar 2028 sein Teilflächenziel nicht erreicht haben, gilt die sogenannte ,Superprivilegierung‘“, betont Torben Ziel. Windenergieanlagen dürften dann überall im Außenbereich errichtet werden, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Genehmigung erfüllt werden. Auch Landschaftsschutzgebiete und der Wald, der nicht Naturschutzgebiet ist, wären dann für Windenergieanlagen zugänglich. „Es ist zu erwarten, dass dann deutlich mehr Flächen für die Windenergie in Anspruch genommen werden und auch der Siedlungsabstand durch die Einzelgenehmigungen geringer ausfällt als nach dem Windenergiekonzept vorgesehen ist.“ Umso wichtiger ist es, dass das Windenergiekonzept bis Ende 2027 steht.
Hintergrund:
Windkraftanlagen gelten gesetzlich prinzipiell als privilegierte Vorhaben im Außenbereich, die genehmigt werden müssen, wenn alle Voraussetzungen unter anderem nach dem Bau-, Naturschutz- und Immissionsschutzrecht erfüllt werden. Bisher konnte der Landkreis diese Zulässigkeit dort ausschließen, wo man Windkraft für ungeeignet hielt. Diese Möglichkeit hat der Landkreis über sein Regionales Raumordnungsprogramm genutzt. Eine konkrete Mindestvorgabe, wie viele Flächen für Windkraft bereitgestellt werden müssen, gab es in der Vergangenheit nicht. Im Zuge der Energie- und Klimakrise hat der Bund die planungsrechtliche Zulässigkeit von Windkraftanlagen neu geregelt.
Das Windflächenbedarfsgesetz hat das Ziel, dass bundesweit zwei Prozent des Bundesgebietes für Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt werden, für Niedersachsen sind es 2,2 Prozent der gesamten Landesfläche. Die Flächenanteile je Landkreis können davon abweichen und werden vom Land verbindlich festgelegt. Das Landesgesetz verpflichtet den Landkreis Harburg, bis Ende 2027 3.051 ha (2,44 Prozent der Kreisfläche) und bis Ende 2032 3.949 ha (3,16 Prozent der Kreisfläche) für die Windenergie zur Verfügung zu stellen. Sollte der Landkreis bis zum 1. Januar 2028 sein Teilflächenziel nicht erreicht hat, gilt die sogenannte „Superprivilegierung“ und Windenergieanlagen dürften überall im Außenbereich errichtet werden, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Genehmigung erfüllt werden.
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