Niedersachsens Wahlgeschenk überfordert die Kommunen
Nach wie vor fehlen Krippen- und Kitaplätze
(bim). Seit einem Jahr sind Kitaplätze für Drei- bis Sechsjährige in Niedersachsen für acht Stunden am Tag kostenfrei. Das hat die niedersächsische Landesregierung entschieden - ohne jedoch die Städte und Gemeinden, die für die Schaffung der Krippen- und Kindertagesstättenplätze vor Ort zuständig sind, mit einzubinden. Obwohl die Kommunen mit Hochdruck daran arbeiten, dem Bedarf entsprechend Betreuungsplätze zu schaffen, fehlen diese in vielen Städten und Gemeinden. Außerdem gibt es vielfach nicht genügend Personal. Beim Landkreis Harburg liegen aktuell fünf Klagen auf einen Kita-Platz vor - aus Buchholz (2), Stelle (1) und Neu Wulmstorf (2) - aber noch kein Urteil.
Hinzu kommt, dass Eltern seit dem Kindergartenjahr 2018/19 die Möglichkeit haben, ihr Kind für ein Jahr von der Einschulung zurückzustellen, wenn es zwischen dem 1. Juli und dem 30. September sechs Jahre alt wird. Diese Kinder, deren Anzahl schlecht planbar ist, würden also länger in einer Kita bleiben und dort Plätze belegen, die sonst nachrückenden Kindern zur Verfügung stehen.
Die Kita-Gebührenfreiheit für Kinder von drei bis sechs Jahren ist für Eltern selbstverständlich eine sinnvolle finanzielle Erleichterung. Doch während sich Landespolitiker mit ihrer guten Tat brüsten, sehen viele Bürgermeister darin ein Wahlkampfgeschenk, das planlos versprochen wurde und dessen (teure) Umsetzung jetzt letztlich im Wesentlichen die Kommunen ausbaden dürfen - und das in Zeiten explodierender Baukosten.
Als Kompensation für die wegfallenden Gebühren sieht das Land eine höhere Personalkostenerstattung vor - die von bisher 20 Prozent auf bis zu 58 Prozent bis 2022 steigen soll, teilte die Pressestelle des Kultusministeriums auf WOCHENBLATT-Anfrage mit. Das entspricht laut Kultusministerium folgenden Mehrausgaben an Landesmitteln:
108,6 Millionen Euro (2018)
311, 7 Milllionen Euro (2019)
347,6 Millionen Euro (2020)
397,3 Millionen Euro (2021)
441,3 Millionen Euro (2022).
Das seien - so die Pressestelle des Kultusministeriums - "in ganz erheblichem Maße reine Landesgelder, die in die Beitragsfreiheit fließen".
In Aussicht gestellt wurde den Kommunen auch ein Härtefallfonds. Dass es diesen nach einem Jahr immer noch nicht gibt, bezeichnet ein Bürgermeister als "Frechheit", und die Tatsache, dass dieser befristet aufgelegt wird, als "Augenwischerei".
Grund für die Verzögerung dürfte sein, dass das Geld für den Härtefallfonds aus Bundesmitteln des sogenannten "Gute-Kita-Gesetzes" stammt, das erst in diesem Mai - und damit neun Monate nach Einführung der niedersächsischen Kita-Beitragsfreiheit - verabschiedet wurde.
Die Richtlinie für den Härtfefallfonds mit den entsprechenden Regelungen befinde sich derzeit in der landesinternen Abstimmung und werde in Kürze in die Verbandsanhörung gegeben, heißt es aus dem Kultusministerium. Demnach beträgt der Härtefallfonds 57,758 Millionen Euro. Zahlungen daraus würden für die Kindergartenjahre 2018/2019, 2019/2020 und 2020/2021 in 2019 bewilligt und in den Jahren 2019, 2020 und 2021 ausgezahlt.
Insgesamt fließen von den 5,5 Milliarden Euro Bundesmitteln des "Gute-Kita-Gesetzes" zwischen 2019 und 2022 rund 526 Millionen Euro an das Land Niedersachsen.
Neben dem Härtefallfonds (57 Mio. Euro) finanziert das Land daraus:
301 Mio. Euro für Verbesserungen beim Personalschlüssel;
147 Mio. Euro, um Kindertagespflege anhand von Qualitätskriterien zu fördern;
20 Mio. Euro, um Kindergartenkinder in der Tagespflege beitragsfrei zu stellen;
1 Mio. Euro, um die Verfahren der örtlichen Bedarfsplanung zu vereinheitlichen.
• Das WOCHENBLATT fragte in den Kommunen nach, wie viele Plätze fehlen und wie hoch die Investitionen in Kinderbetreuung sind. Die detaillierte Aufstellung lesen Sie in unserer Print-Ausgabe am Samstag sowie in unserer E-Paper-Ausgabe.
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