Güterverkehrskompromiss Alpha-E vor dem Aus?
Neue Bahnstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge entlang der A7
bim. Landkreis. Ist das Projekt Alpha-E, mit dem die Schienenkapazitäten auf den Bestandsstrecken im Dreieck Bremen-Hamburg-Hannover bedarfsgerecht ausgebaut werden sollen, um die Güter von den norddeutschen Häfen ins Umland zu bringen, in Gefahr? Das befürchtet der Projektbeirat Alpha-E, der die Umsetzung des Ausbaus begleitet. "In den letzten fünf Jahren haben wir leider zunehmend den Eindruck gewinnen müssen, dass das seinerzeit klare und eindeutige Bekenntnis zum Alpha-E als Ausbaustreckenlösung keinen Bestand mehr zu haben scheint. Zu eindeutig sind die Hinweise, dass die Planungen der Bahn auf eine Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hannover abzielen", schreibt der Projektbeirat an Enak Ferlemann (57, CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.
Mehr als zwei Jahrzehnte haben diverse Bürgerinitiativen gegen den Neubau einer Bahntrasse entlang der A7 und durch die Heide gekämpft. Vor fünf Jahren wurde mit dem Alpha-E ein breit getragener Kompromiss gefunden (siehe unten), die umstrittene Y-Trasse war vom Tisch. Doch mit dem von der Bundesregierung forcierten Deutschlandtakt, der Bahnreisenden zweifelsfrei enorme zeitliche Vorteile verschafft, werden die Karten nun neu gemischt.
"Die aktuelle Vermengung des Deutschlandtaktes mit einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Hamburg nach Hannover bzw. Bielefeld soll nun offenbar endgültig den Weg für eine Neubauplanung freimachen. Wir warnen dringendst vor den Konsequenzen der sich abzeichnenden Aufkündigung des Alpha-E, die zu einem erheblichen Widerstand in der Region führen wird!", schreibt der Projektbeirat Alpha-E, der das gleichnamige Schienenausbauprojekt begleitet, in einem offenen Brief an Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.
Hamburg sowie Stadt und Landkreis Lüneburg versuchen seit Jahren, die Kompromisslösung Alpha-E zu hintertreiben und fordern stattdessen eine Bahnstrecke entlang der A7.
Was den Projektbeirat jetzt alarmiert, sind Aussagen von DB-Projektleiter Matthias Hudaff bei seinem Sachstandsbericht in einer kürzlich durchgeführten Online-Konferenz.
"Eigentlich ist in der Umsetzung des Alpha-E auch ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen vorgesehen. Doch in der von der Bahn organisierten 'Gläsernen Werkstatt' wurde hierfür bisher keine tragfähige Lösung gefunden", erläutert Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam, einer der Sprecher des Projektbeirates Alpha-E. "Wir haben stark das Gefühl, dass von der Bahn eine solche Lösung nicht gewollt ist."
Außerdem berichtet Dörsam: "Die Bahn hat vor zwei Jahren bei den Kreisen eine Anfrage zu Raumordnungsdaten für Flächen zwischen der A7 und der Bestandsstrecke sowie jeweils zehn Kilometer darüber hinaus gestellt. In diesem Bereich will die Bahn nun einen Grobkorridor finden und verkehrlich sowie vom Kosten-Nutzenfaktor her bewerten", erläutert Dörsam. In diesem Bereich befinden sich auch Strecken, die durch das Alpha-E ausgeschlossen worden waren, u.a. Ashausen - Unterlüß und Ashausen - Suderburg. Möglich wäre auch eine Neubaustrecke entlang der Dörfer an der A 7.
Während das Alpha-E die angeblich steigenden Güterverkehre aus den norddeutschen Häfen befördern soll, kommt in der Neubaudebatte nun auch der Deutschlandtakt, der Bahnreisenden schnelle Verbindungen von Nord nach Süd ermöglichen soll, ins Spiel. Dieser sei vom Bundestag zwar noch nicht beschlossen, werde aber von Staatssekretär Ferlemann stark propagiert. "Die Neubaustrecke, die die Bahn gerne hätte, bisher aber wegen der Widerstände und fraglicher Sinnhaftigkeit nicht durchbekam, soll jetzt Bestandteil des Deutschlandtaktes werden", erläutert Dörsam.
Zwei der Neubaustrecken für Hochgeschwindigkeitszüge bis 300 km/h könnten dabei von Hannover nach Bielefeld und von Hannover nach Hamburg führen. "Es soll laut den Deutschlandtaktplänen aus dem Juli noch eine Kurve bei Hannover geben, sodass Züge von Bielefeld Richtung Hannover vor Hannover auf die Strecke Richtung Hamburg abbiegen können."
Mit diesen Planungen wäre das Alpha-E endgültig zerstört, alle anderen Schienenausbaumaßnahmen auf den Strecken blockiert, meint Dörsam. Das Problem: "Je schneller die ICE fahren, desto weniger Güterzüge passen dazwischen", sagt Dörsam. Soll heißen: Während die ICE auf den Neubautrassen fahren, müssten die Bestandsstrecken mehr Güterverkehr aufnehmen. Und die Bürger an diesen Strecken hätten kein Recht auf besseren Lärmschutz, der als Bedingung an die Umsetzung des Alpha-E geknüpft wurde.
"Das Alpha-E ist eine tragfähige Lösung, die den bedarfsgerechten Ausbau in den Fokus rückt, Neubaustrecken unnötig macht und sich auch mit den grundsätzlichen Anforderungen des Deutschlandtaktes in Einklang bringen lässt", ist der Projektbeirat überzeugt.
Beirat erinnert Ferlemann an sein Versprechen
Im Jahr 2015 hatten Vertreter der betroffenen Regionen gemeinsam mit der DB AG, dem Bund und dem Land Niedersachsen im „Dialogforum Schiene Nord“ die „Alpha-E-Variante“ für den bedarfsgerechten Ausbau von Schienen-Bestandsstrecken im Dreieck Bremen-Hamburg-Hannover erarbeitet. Über diese Strecken soll der Güterverkehr aus den Seehäfen ins Umland befördert werden.
Zur Präsentation des Abschlussdokuments am 5. November 2015 habe Staatssekretär Ferlemann gesagt: "... das, was Sie beschlossen haben - Alpha-E mit der Ergänzung der privaten Strecken - wird von uns so umgesetzt. Kein Ypsilon mehr, keine Neubaustrecken, sondern es sind Ausbaustrecken, und dabei muss es bleiben ...“ Alpha-E steht seit August 2016 im Bundesverkehrswegeplan 2030 im vordringlichen Bedarf und ist seit Dezember 2016 auch im Schienenausbaugesetz beschlossen.
Das sagt die Deutsche Bahn
"Die DB plant das Bahnprojekt Hamburg/Bremen–Hannover (optimiertes Alpha-E mit Bremen) so, wie es im Bundesverkehrswegeplan und im Bundesschienenwegeausbaugesetz verankert ist", erklärt Armin Skierlo, Sprecher Großprojekte der DB. Die Projektkosten sind mit rund 3,9 Milliarden Euro veranschlagt. Die Planungen kämen gut voran. "In diesem Jahr wurden die Planungen auch an der Amerikalinie (Langwedel - Uelzen) begonnen. Am weitesten sind die Planungen im Abschnitt Rotenburg - Verden." Erste Baubeginne seien voraussichtlich 2025 möglich.
Im Untersuchungsraum zwischen Hamburg und Hannover werde derzeit eine Sensitivitätsbetrachtung durchgeführt. Um einen Trassenkorridor zu finden, müsse die DB alle Varianten zwischen der Bestandsstrecke und der A7 u.a. hinsichtlich des Schutzes von Mensch, Natur und Umwelt untersuchen. Im Vorfeld wurde bewertet, ob dreigleisige Varianten zwischen Lüneburg und Uelzen die verkehrlichen, betrieblichen und volkswirtschaftlichen Ziele erfüllen können. Es gebe jedoch noch Handlungsbedarf, eine über eine optimierte Dreigleisigkeit hinausgehende Lösung sei erforderlich. Eine Vorzugsvariante stehe voraussichtlich erst Ende 2022 fest.
• Über den Sachstand wird informiert unter www.hamburg-bremen-hannover.de.
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