Landkreis Harburg
Plädoyer für Förderschul-Erhalt
Das Fortbestehen der Förderschulen muss gesichert werden - das ist der Tenor des Kreisschulausschusses, in dem sich zahlreiche Eltern von Kindern, die die Wolfgang-Borchert-Förderschule in Winsen besuchen, mit emotionalen Aussagen zu Wort meldeten. Die Wolfgang-Borchert-Schule und der Elternbeirat haben einen Antrag auf Erweiterung der Schule um den Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung (ESE) für den Primar- und Sekundarbereich I ab dem 1. August dieses Jahres gestellt.
Land will Förderschulen
"auslaufen" lassen
Die Förderschulen sind nach Willen der Landespolitik Auslaufmodelle. Der niedersächsische Gesetzgeber hat seit dem Schuljahr 2013/14 für die Klassen eins bis fünf und seit 2018 bis zum neunten Schuljahr die inklusive Schule verbindlich eingeführt. Das heißt: Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf gehen in Regelschulen. Das stellt Lehrkräfte und viele betroffene Kinder vor große Herausforderungen.
Diese Kinder haben zum Beispiel eine fehlende Impulskontrolle, eine geringe Frustrationstoleranz und Aufmerksamkeitsspanne oder können nur schwer Vertrauen fassen. In vielen Schulen wird mit Projekten wie dem "Geschützten Raum" oder Time-out-Klassen versucht, ihnen ein Lernen auf Augenhöhe und den Einstieg in den Alltag an Regelschulen zu erleichtern.
Nach Schließung der Birkenschule in Buchholz (Förderschwerpunkt Lernen) gibt es im Landkreis Harburg seit dem Schuljahr 2017/2018 noch die Förderschule An Boerns Soll (Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung) in Buchholz und Winsen, die erhalten bleiben soll, sowie die Wolfgang-Borchert-Schule (Förderschwerpunkt Lernen) in Winsen, die nur noch bis Juli 2028 bestehen darf.
"Man nimmt Kindern Chance
der persönlichen Entwicklung"
"Was passiert mit unseren Kindern, wenn sie ab der fünften Klasse in eine inklusive Oberschule kommen? Es muss eine Lösung geben, die Förderschulen nicht abzuschaffen", erklärte eine Mutter in der Einwohnerfragestunde. "Man kann Kinder nicht zwingen, mit Kindern befreundet zu sein, die nicht ihre geistige Entwicklung haben", sagte ein Vater. "Man nimmt Kindern die Chance, sich persönlich zu entwickeln", ergänzte eine Mutter.
Regina Uhl, Leiterin der Wolfgang-Borchert-Schule, erläuterte die Bedeutung des Antrags auf Erweiterung der Schule um den ESE-Schwerpunkt. Von den 110 Kindern an der Schule hätten 90 einen Unterstützungsbedarf beim Lernen. 20 Kinder müssten in ihrer emotional-sozialen Entwicklung gefördert werden, Tendenz steigend. "Diese Kinder brauchen kleine Systeme und Kontinuität. Jedes Kind ist besonders, jedes Kind ist anders, jedes Kind wird akzeptiert", betonte Uhl. An den "normalen" Schulen würden diese Kinder durchs Raster fallen.
Wolfgang-Borchert-Schule
über 2028 hinaus erhalten
"Oft ist es in den Grundschulen und weiterführenden Regelschulen gar nicht möglich, auf die besonderen Anforderungen dieser Kinder einzugehen, noch diesen gerecht zu werden", heißt es weiterhin in dem Antrag. Hinzu komme der Lehrermangel. Die wenigen Lehrkräfte hätten nicht die Möglichkeit, individuell auf die speziellen Bedürfnisse dieser Kinder einzugehen, da sie schon jetzt am Limit arbeiteten. Die Förderschule biete den Kindern einen sicheren Raum, in dem sie sich ihrem Tempo und ihren Bedürfnissen entsprechend entwickeln könnten. Daher müsse die Wolfgang-Borchert-Schule über das Jahr 2028 hinaus erhalten bleiben.
Entscheidung
der Landespolitik
Letztlich muss über den Fortbestand der Förderschulen die Landespolitik entscheiden. Bei Kreisschulausschussmitglied Jan Bauer (CDU), der auch Landtagsabgeordneter ist, stoßen Eltern und Schulleitung damit auf offene Ohren. Denn die Landes-CDU ist für den Erhalt der Förderschulen Lernen.
Bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung empfahl der Ausschuss, die Wolfgang-Borchert-Schule um den ESE-Schwerpunkt zu ergänzen. Das muss bei der Landesschulbehörde in Lüneburg beantragt werden. "Fragen Sie mich nicht, wie schnell mit einer Entscheidung zu rechnen ist, weil ich da keine ganz guten Erfahrungen gemacht habe", meinte Kreisfachbereichleiterin Annerose Tiedt mit Blick auf die Bewilligung des Antrags auf Umwandlung von Oberschulen in Integrierte Gesamtschulen, auf die der Landkreis seit fünf Monaten wartet.
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