Raumordnungsprogramm für Landkreis Harburg verabschiedet
bim. Hanstedt. Mehrheitlich hat der Kreistag in seiner Sitzung im Hotel Sellhorn in Hanstedt das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) 2025 nach einer kontroversen Diskussion verabschiedet. Wie berichtet, war vor allem die geplante Ausweisung einer Windvorrangfläche in Brackel umstritten. Auch hatte das Thema Windkraft für eine "Ehrenrunde" bei Beratung und Auslegung gesorgt. Denn das eigentlich bereits genehmigte RROP musste aufgrund eines Urteils des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg über das RROP des Landkreises Stade mit Blick auf das Windkonzept zur Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie überarbeitet werden. Dazu gehörten u.a. die Ergänzung des „Windkonzeptes“ um das neue Kriterium „Kommunale Entwicklungsflächen“. Siedlungsflächen sind demnach als Vorrangflächen ausgeschlossen.
Das RROP sei ein Leitfaden, der die Infrastruktur des Landkreises umfasse und Grundlage für die Flächennutzungs- und Bauleitplanung vor Ort sei, erläuterte Kreis-Bauausschuss-Vorsitzender Wilfried Geiger (CDU). Er blickte auf die langwierigen Beratungen zurück. Schließlich sei der Aufstellungsbeschluss für das aktuelle RROP bereits im Oktober 2009 gefasst worden. "Bei einem prosperierenden, wachsenden Landkreis wie dem Landkreis Harburg ist das ein Unding", meinte er. Bezogen auf die Proteste aus Brackel: "Bund und Land geben uns die Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergie vor." Dennoch müsse man sich mit den Sorgen der Menschen vor Ort auseinandersetzen, so Geiger. Allein im Rahmen der vierten Auslegung des RROP waren 450 Einwendungen von Initiativen, Verbänden und Bürgern eingegangen. "Jetzt müssen wir nur noch eines schaffen: damit rechtssicher durchkommen", so Geiger.
Reinhard Riepshoff (Grüne) hatte da Zweifel: "Wir haben bei jeder RROP-Auslegung gehört, dass es rechtssicher ist. Ich erwarte von der Verwaltung, dass wir uns nun auf die Rechtssicherheit verlassen können."
Die Bedenken konnte Landrat Rainer Rempe nicht ausräumen: "Wir haben sorgfältig gearbeitet. Aber ein Restrisiko bleibt. Ich kann nicht sagen, es ist bombensicher und dass wir jedem Rechtsstreit entgehen", sagte er.
Sicherlich nicht abfinden werden sich die Bürger aus Brackel damit, wenn tatsächlich ein Investor Windenergieanlagen (WEA) auf der neuen Vorrangfläche HAN 06 baut.
Wie berichtet, hatte die dortige Bürgerinitiative (BI) "Windkraft mit Vernunft" die Streichung zusätzlicher Kapazitäten im Vorranggebiet HAN 10 (keine Erhöhung der vorhandenen Windräder auf bis zu 230 Meter Höhe) und eine Neuausweisung von Windenergieanlagen (WEA) im Vorranggebiet HAN 06 (keine zusätzlichen Windräder mit bis zu 230 Metern Höhe) gefordert. Im Namen der BI hatte Sprecher Oliver Lang zudem nun u.a. auf fehlende Untersuchungen zum Vogelzuggebiet und Vogelzug der Kraniche hingewiesen. Doch das habe "aus formalen Gründen" nicht bereits auf RROP-Ebene untersucht werden müssen, so Torben Ziel, beim Landkreis zuständig für Raumordnung. Beruhigt werden sollten die BI-Mitglieder mit der Aussage, dass gegebenenfalls der Anlagenbetreiber im Rahmen der Genehmigung verpflichtet werden könne, die Anlagen während des Vogelzugs abzuschalten.
Die Gruppe Freie Wähler/FDP hatte beantragt, die umstrittene HAN 06-Fläche zu streichen und stattdessen Repowering auf der bestehenden Fläche HAN 10 zuzulassen. Begründung: Die Samtgemeinde Hanstedt habe mit der Vorrangfläche in Evendorf und der Fläche HAN 10 schon ausreichend Vorrangflächen ausgewiesen und sei durch das neue Vorranggebiet in der Entwicklung nördlich der K59 stark eingeschränkt.
Auch das Brackeler Kreistagsmitglied Necdet Savural (CDU) wollte der zusätzlichen Fläche in Brackel nicht zustimmen. "Das ist gegen meine Überzeugung. Ich möchte nicht, dass meine Enkel mich irgendwann fragen: 'Opa, warum hast du das nicht verhindert?'", sagte er.
Anders sah das Norbert Stein (SPD): "Befindlichkeiten gibt es immer, aber wo fangen wir an, wenn wir die HAN 06-Fläche herausnehmen?"
Elisabeth Bischoff (Grüne) sah den Konflikt bei der Fläche nicht abgearbeitet. "Ich möchte künftigen Kindern die Möglichkeit geben, Uhus und Rotmilane in freier Wildbahn zu sehen. Durch Windkraft können viele Arten beschädigt, wenn nicht ausgerottet werden", erklärte sie.
Die Fläche herauszunehmen, bedeute eine wesentliche Planänderung, so Dr. Alexander Stark, Leiter der Stabsstelle Kreisentwicklung/Wirtschaftsförderung des Kreises. "Dann müssten wir die fünfte Auslegung vornehmen", erklärte er.
Das wollte die Kreistagsmehrheit nicht. Hans-Heinrich Aldag (CDU): "Wenn wir diese Fläche herausnehmen, haben wir das Malheur, dass wir uns mit allen anderen Flächen von vorne befassen müssen." Laut niedersächsischem Windatlas müsse der Landkreis 1.500 Hektar Vorrangflächen ausweisen. "Derzeit sind wir bei 558 Hektar, wir liegen bei einem Drittel dessen, was wir ausweisen müssen", so Aldag.
Letztlich wurde das RROP bei zehn Gegenstimmen und drei Enthaltungen beschlossen.
Wieviel ist RROP gegen Bürger wert?
Lange hat der Landkreis über das RROP 2025 diskutiert, um es rechtssicher zu machen. Doch wieviel ist ein Regionales Raumordnungsprogramm wirklich wert, wenn keine Abstimmung zwischen benachbarten Landkreisen stattfindet, wie es laut Raumordnungsgesetz gefordert wird, oder - wie in Brackel - keine Akzeptanz bei Bürgern findet?
Beispiel: Der Landkreis Harburg verzichtete bei der Ausweisung auf Windvorrangflächen aus Natur- und Landschaftsschutzgründen ausdrücklich auf Windkraftnutzung im Bereich Otter und Königsmoor (Samtgemeinde Tostedt). Doch u.a. der Nachbar-Landkreis Rotenburg wollte in dem 1998 ausgewiesenen Vorranggebiet "Lauenbrück/Stell" bei der Genehmigung weiterer Windenergie-Anlagen (WEA) "der Nutzung der Windenergie den Vorzug gegeben vor der Freihaltung der Moorbereiche und des Landschaftsbildes", wie es gegenüber dem WOCHENBLATT begründet wurde. Dass die WEA dort nun doch nicht errichtet wurden, ist der Bundeswehr zu verdanken, weil dort ein Hubschrauber-Tiefflugkorridor liegt. Außerdem brütet in der Gegend der Rotmilan.
Und ob die Einwände der Bürger noch gehört werden, wenn tatsächlich ein Windkraft-Investor in Brackel bauen oder repowern möchte, ist fraglich. Argumentiert wird ja mit der Möglichkeit der Abschalt-Auflage im Genehmigungsverfahren.
Auf ein Wort
Natürlich dürfte die überwiegende Mehrheit der Landkreisbewohner für die "Energiewende" und Nutzung regenerativer Energien sein. Aber dann müssen der Gesetzgeber und andere Entscheidungsträger auch die Weichen stellen: zum Schutz von Mensch, Natur und vor allem für Investitionen in die zeitnahe Realisierung der Infrastruktur mit Energiespeichern und Stromtrassen. Bianca Marquardt
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