Landkreis Harburg
Sportvereine wehren sich gegen Wasserkosten

Können sich Sportvereine die Bewässerung bald noch leisten? Das fragen sich TSV-Heidenau-Platzwart Rolf DiVito (Mi.) sowie die Jugendspieler (v. li.): Noel Schmidt Fernandez, Jonny Löbel-Cöllen, Fynn Buhmann und Mika Löll  | Foto: TSV Heidenau
  • Können sich Sportvereine die Bewässerung bald noch leisten? Das fragen sich TSV-Heidenau-Platzwart Rolf DiVito (Mi.) sowie die Jugendspieler (v. li.): Noel Schmidt Fernandez, Jonny Löbel-Cöllen, Fynn Buhmann und Mika Löll
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"Ich habe gedacht, ich lese nicht richtig", sagt Jürgen Tödter, Vorsitzender des TSV Heidenau, zur Lektüre des WOCHENBLATT-Artikels "Vereine werden kräftig zur Kasse gebeten" vom vergangenen Samstag. Gemäß einer Änderung des Niedersächsischen Wassergesetzes müssen die Sportvereine demnach für die Bewässerung ihrer Sportanlagen selbst aufkommen und noch einen 13fach höheren Wasserpreis bezahlen.

Schlag ins Gesicht
für alle Ehrenamtlichen

"Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Ehrenamtlichen, dass man allen Ernstes gemeinnützigen Vereinen, die überwiegend Sport für Kinder und Jugendliche anbieten, Knüppel zwischen die Beine wirft. Bald können wir nur noch zusehen, woher wir Geld bekommen." Der TSV Heidenau hat jetzt einen Brandbrief an Landrat Rainer Rempe auf den Weg gebracht, dem sich bislang 13 Vereine im Landkreis Harburg angeschlossen haben.

Der Gesetzgeber sieht als Entnahmezweck von Grundwasser nur noch die "Beregnung und Berieselung zu landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken“ vor. Darunter fällt die Sportplatzbewässerung nicht mehr. "Diese Zwecke sind alle wichtig. Aber haben Gewerbetreibende mehr Gewicht als Ehrenamtliche?", fragt Tödter fassungslos.

Der Landkreis Harburg kassiert, der Landkreis Stade nicht

Wirtschaftlichen Interessen werden
vor die gesellschaftlichen gestellt

Wörtlich heißt es in dem Brief an den Landrat: "Hier werden erneut die wirtschaftlichen Interessen vor die gesellschaftlichen gestellt! Wir möchten an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, wofür die Sportvereine im Landkreis Harburg das Wasser für die Beregnung verwenden – um Menschen, überwiegend Kindern und Jugendlichen, vernünftige Sportstätten zur Verfügung zu stellen! Auf den zur Verfügung gestellten Sportanlagen treiben Menschen, überwiegend betreut durch ehrenamtliche Mitarbeiter der Vereine, Sport, d.h., speziell Kinder und Jugendliche werden sinnvoll beschäftigt! Hierunter verbirgt sich eine Aufgabe, welche durchaus auch in die Verantwortung der Politik fällt – sofern denn ein wirkliches Interesse seitens der Politik daran besteht."

Erst machten jüngst die gestiegenen Energiekosten den gemeinnützigen (Sport-)Vereinen zu schaffen, die zusätzlich zu Heizung, Warmwasser, Versicherungen, Übungsleiterentgelten und Verbandsabgaben aufgebracht werden mussten. Und nun auch noch die hohen Wasserkosten. "Wir müssen unsere Anlagen in Schuss halten, können aber nichts auf die hohe Kante legen, weil dann das Finanzamt kommt", so Tödter. Über eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge seien die ganzen Mehrkosten nicht zu finanzieren.

"Wir haben erst im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Team vom Hochzeitswald und gefördert von der Gemeinde für 10.000 Euro einen Brunnen gebaut, der vom Landkreis genehmigt wurde", berichtet Tödter.

Landkreis Harburg soll
den Irrsinn stoppen

"Wir fordern den Landkreis Harburg mit Nachdruck auf, diesen Irrsinn zu stoppen!"

• Anders als im Landkreis Harburg bleibt im Landkreis Stade allerdings alles beim Alten. "Aus unserer Sicht ist eine Sportplatzberegnung vergleichbar mit der Beregnung von landwirtschaftlich genutzten Feldern bzw. der Beregnung von Pflanzen", sagt Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Schließlich handele es sich in aller Regel um Rasenflächen, bei denen das Wasser wieder im Erdreich versickere.

Beregnung oder Berieselung darf nur Wachstum von Pflanzen dienen

Korbinian Deuchler, Sprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU), erläutert auf WOCHENBLATT-Anfrage, was es mit der von den Sportvereinen geforderten Wasserentnahmegebühr auf sich hat:

Gemäß dem Niedersächsischen Wassergesetz (NWG) von 2010 erhebt das Land für Wasserentnahmen eine Gebühr. Wörtlich heißt es dort: "Für Wasserentnahmen zum Zweck der Bewässerung von Sportplätzen ist eine Gebühr zu erheben, sofern diese die 'Bagatellgrenze' von zzt. 260 Euro pro Jahr übersteigt." Die Gebühr errechnet sich aus der Menge des entnommenen Wassers und dem zum jeweiligen Verwendungszweck gehörigen Gebührensatz.

Mit MU-Erlass vom April 2016 erfolgte auf Basis eines Urteils des Verwaltungsgerichtes Lüneburg eine Klarstellung bezüglich des Verwendungszweckes, wonach für die Beregnung eines Sportplatzes der Tatbestand der „Beregnung und Berieselung“ anzunehmen ist, somit fällt ein niedrigerer Gebührensatz an als für „sonstige Zwecke“.

2018 hat sich das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in einem Fall, der die Bewässerung einer Teststrecke für Kraftfahrzeuge betraf, mit der Auslegungsfrage befasst. Das OVG stellte klar, dass der niedrigere Gebührentarif auf Tätigkeiten beschränkt ist, bei denen die Beregnung oder Berieselung das Wachstum von Pflanzen fördere. Hierzu gehöre die Beregnung und Berieselung zu landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und erwerbsgärtnerischen Zwecken.

Im Zuge der NWG-Novelle im Jahr 2022 erfolgte die entsprechende Präzisierung seitens des Gesetzgebers.

"Damit ist klargestellt, dass die Wasserentnahme zur Beregnung und Berieselung von Sport- und Reitplätzen nicht hierunter fällt, sondern als Wasserentnahme 'zu sonstigen Zwecken' anzusehen ist, somit der höhere Gebührensatz festzulegen ist. Nach der zum 1. Januar 2022 von der alten Landesregierung erfolgten Klarstellung besteht hier für die Wasserbehörden auch keine rechtliche Möglichkeit mehr, anders zu verfahren", so Deuchler.

Kommentar:  Paragrafenreiten zum Selbstzweck

Es ist bedauerlich und ärgerlich, wie wenig "Bodenhaftung" Gerichte und Politik inzwischen haben.

Da wird einem großen Konzern aus Hamburg erlaubt, 16,1 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich aus der Nordheide zu pumpen und damit gutes Geld zu verdienen, aber gemeinnützige Vereine sollen bei einer Entnahme von Wasser über einem Wert von 280 Euro plötzlich den 13fachen Wasserpreis bezahlen.

Dabei werden Politiker jeder Couleur bei allen möglichen öffentlichen Gelegenheiten nicht müde zu betonen, dass das Ehrenamt der Kitt der Gesellschaft, also essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ihren Bestand ist. Und dann wird Vereinen mit immer neuen Paragrafen und Vorgaben ohne Sinn und Verstand nicht nur die Arbeit erschwert, sondern im schlimmsten Fall unmöglich gemacht.

Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis Harburg: Übernehmen Sie und ändern Sie diese Ungerechtigkeit!
Bianca Marquardt

Vereine werden kräftig zur Kasse gebeten

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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