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Umstrittene Klinikreform auch im Bundesrat bestätigt - ländliche Kliniken nun in Sorge

Tostedt: "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen"

Eddy Meyer-Rochow zeigt auf sein Grundstück. Im Hintergrund gibt es bereits Wohnbebauung
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Unverständnis bei Antragstellern: In Bahnhofsnähe soll Wohnbebauung unproblematisch sein, aber nicht neben dem Bauhof

bim. Tostedt. Zusätzlichen Wohnraum für Tostedt möchten die Eigentümergemeinschaft Beyer und Eddy Meyer-Rochow auf ihren seit Jahren brach liegenden Grundstücken im Tostedter Gewerbegebiet Zinnhütte schaffen und haben vor rund zwei Jahren eine Änderung des Bebauungsplanes beantragt. Für Wohnnutzung ist eine Umwandlung der betreffenden Flächen in ein Mischgebiet notwendig. Darum ging es jetzt zum zweiten Mal im Planungs- und Umweltausschuss der Gemeinde. Während die Verwaltung das Ansinnen ablehnen wollte, befürwortete der Ausschuss einstimmig, dass eine vorhabenbezogene Bebauungsplan-Änderung in Aussicht gestellt wird, wenn die Grundeigentümer bestimmte Parameter erfüllen. Soll heißen: Die Antragsteller sollen für ihre Pläne ein konkretes Konzept und u.a. ein Lärmgutachten vorlegen.
Dierk Beyer führt im Gewerbegebiet einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb. Zwischen dem Betriebssitz und der Straße Zinnhütte gehört der Familie eine Wiese, die ursprünglich für eine Betriebserweiterung gedacht war. Da die beiden Grundstücke dafür aber nicht mehr benötigt werden und sich auch kein Käufer fand, möchten die Brüder Dierk, Arndt, Tim und Jan-Michael Beyer dort nun auf 700 Quadratmetern ein Mehrfamilienhaus errichten.
„Das Geräuschszenario, das bisher geschildert wurde, entbehrt jeder Grundlage“, meint Tim Beyer, der eine zeitlang neben dem Gartenbaubetrieb gewohnt hat, zur Lärm-Diskussion. „Ab und zu hört man die Sirene des Betonmischers“, berichtet er. Und der Lärm des benachbarten Bauhofs, den die Verwaltung als problematisch anführt, sei völlig undramatisch.
„Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Auf der anderen Seite wurden Wohnungen in unmittelbarer Nähe zur Bahn genehmigt. Mehr Lärm geht gar nicht“, sagt Dierk Beyer zu der Bebauung des ehemaligen Dörnbrack-Geländes mit mehreren Mehrfamilienhäusern.
Gegenüber der Beyers besitzt Eddy Meyer-Rochow eine Halle, ein Wohn- und Geschäftshaus sowie ein Grundstück, das er 2008 von seinem Vater geerbt hat und das einst ebenfalls als Gewerbe-Erweiterung vorgesehen war, dafür aber nicht mehr benötigt wird. Andere Gewerbenutzungen hätten sich bisher nicht ergeben. In den vergangenen Jahren hätten u.a. zwei große Lebensmittel-Handelsketten ihre Ansiedlungswünsche bekundet. Doch aufgrund der derzeitigen Veränderungssperre im Gewerbegebiet Zinnhütte ist das nicht möglich. Denn die Verwaltung strebt mit einer der beiden aktuellen Bebauungsplanverfahren an, künftig ortskernrelevanten Einzelhandel in der Zinnhütte auszuschließen.
Eddy Meyer-Rochow beschreibt sein Dilemma: „Ich zahle jährlich 3.500 Euro Grundsteuer. Was soll ich mit einer Wiese, die ich nicht nutzen kann?“, fragt er.
Beide für Wohnbebauung beantragte Flächen grenzen zudem bereits an Mischgebiete mit Wohnhäusern und befinden sich in einem sogenannten eingeschränkten Gewerbegebiet, in dem ohnehin lärmintensive Betriebe ausgeschlossen sind.
Aus der Sitzungsvorlage geht die Skepsis der Verwaltung gegenüber Wohnbebauung in dem Gebiet hervor. Es bestehe keine unmittelbare Notwendigkeit, Gewerbeflächen in Mischgebiete umzuwandeln. Eine Wohnbauflächen-Entwicklung solle vorrangig in Bereichen stattfinden, die „ein geringeres Konfliktpotential aufweisen“, heißt es in der Vorlage. Auch würden der Gemeinde durch eine Umwandlung rund 9.000 Quadratmeter Gewerbeflächen entzogen.
Bauamtsleiter Axel Seute: „Zurzeit gibt es keinen zwingenden Grund, eine Bebauungsplan-Änderung durchzuführen“, sagte er im Planungsausschuss. Bislang seien immer vorhabenbezogene Projekte mit zugrunde liegenden Konzepten umgesetzt worden, hier werde eine Angebotsplanung geschaffen, „ohne zu wissen, was wir auf die Grundstücke bekommen.“ Die Politik müsse nun entscheiden, ob Wohnnutzung mit hohen Lärmschutzauflagen ermöglicht werden soll oder ob dafür städtebaulich im Moment keine Notwendigkeit besteht.
Das Argument der „Gewerbeflächen-Entziehung“ teilte Gerhard Netzel (SPD) nicht. Das Gewerbegebiet Zinnhütte bestehe inzwischen vor allem aus Sondergebieten, das Gewerbe habe sich im Wesentlichen an der Harburger Straße nahe der B75 entwickelt. Netzel riet den Antragstellern, einen Investor zu finden, der eine Planung erstellt, wie man Wohnen und Gewerbe kombinieren kann.
Gemeindedirektor Dr. Peter Dörsam verwies auf sein kürzliches Gespräch mit der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg (WLH), nach dem derzeit Büroräume im Landkreis fehlen. Die Flächen von Meyer-Rochow würden sich dafür - auch wegen der Nähe zum Bahnhof - eignen.
Burkhard Allwardt (fraktionslos) sagte zu möglichen Lärmbelastungen durch benachbarte Supermärkte, Handwerker oder den Bauhof: „Es muss sichergestellt werden, dass die Leute, die dort hinziehen, wissen, worauf sie sich einlassen.“ Er habe keine Lust mehr auf die wiederkehrende Meckerei über Krach von Menschen, die bewusst in Nähe des Bahnhofs oder von Handwerksbetrieben ziehen.
Das sicherzustellen, damit haben die Beyers und Eddy Meyer-Rochow kein Problem. „Wenn es ein Lärmgutachten mit Forderungen gibt, werden die erfüllt“, so Tim Beyer. Die Antragsteller wünschen sich nur mehr Sicherheit, bevor sie viel Geld in die Hand nehmen.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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