Königsmoor
Vorstellung der Neubaupläne für Bahnbrücke sorgen für Empörung
In der kleinen Gemeinde Königsmoor, der jüngsten politischen Gemeinde im Landkreis Harburg (seit 1957, rund 600 Einwohner) kochen die Emotionen hoch: Der Landkreis Harburg informierte dort jetzt über die Pläne zum Neubau der Bahnbrücke im Zuge der Kreisstraße 23 (Baurat-Wiese-Straße). Zu der Veranstaltung kamen rund 120 Bürgerinnen und Bürger in die Moorhalle, dem Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Einer der Punkte, die das Dorf seit Jahren fassungslos macht: Seit der Feststellung der Schäden an der Brücke im Jahr 2020 und bis zum voraussichtlichen Neubau werden mindestens acht (!) Jahre vergangen sein. Unvorhersehbare Baukostensteigerungen und die massiven Einschränkungen während der Bauphase sind weitere Aufreger.
Wie mehrfach berichtet, ist die Bahnbrücke, die nicht nur das Dorf verbindet, sondern auch eine wichtige Verkehrsachse u.a. für Pendler aus dem Heidekreis und dem Kreis Rotenburg Richtung B75 ist, seit Oktober 2021 nur einspurig und mit Fahrzeugen bis maximal 30 Tonnen befahrbar. Zuvor waren im Jahr 2020 Schäden an der Hälfte der Spannköpfe festgestellt worden, die so massiv sind, dass die Tragfähigkeit des Bauwerks beeinträchtigt ist. Eine Aussage während der jetzt erfolgten Präsentation: "Bei Ausfall von einem oder zwei Spannköpfen kann der Versagensfall eintreten", wie im Behördendeutsch ein Brückeneinsturz bezeichnet wird. Seit Jahren befürchten die Anwohner, dass dieser "Versagensfall" früher eintritt, da die Brücke regelmäßig von weit schwereren Lkw und landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren wird.
Da beruhigt es auch nicht, dass der Landkreis den Fortschritt des Brückenverfalls vierteljährlich kontrollieren lässt. Eine Sanierung der Brücke scheidet aus wirtschaftlichen Gründen aus.
Die neue Stahlverbundbrücke soll später eine Fahrbahnbreite von sieben Metern und einen drei Meter breiten Gehweg haben. Die Höhenlage der Brücke und die Anschlüsse des Bauwerks an die Kreisstraße sollen gleich bleiben. Die neue Brücke über die DB-Strecke Lauenbrück-Tostedt soll dann mit mehr als 60 Tonnen belastbarer als zuvor und damit für alle zurzeit üblichen Schwerlastfahrzeuge ohne Sondergenehmigung befahrbar sein.
Hintergrund:
Gemäß einer Vereinbarung von 1977 zwischen der Bundesbahn und dem Landkreis Harburg sind die Baukosten für die Brücke, die 1979 als Ersatz für einen höhengleichen Bahnübergang errichtet wurde, zu gleichen Teilen vom Bund, der Bundesbahn und dem Landkreis Harburg getragen worden. Nach Beendigung der Baumaßnahme ging die Brücke in das Eigentum des Landkreises über. Der Landkreis ist seitdem der sogenannte Baulastträger und damit auch Kostenträger für die Instandhaltung und den Neubau der Brücke.
Nach einer ersten Kostenschätzung für den jetzt fälligen Neubau der Bahnbrücke waren an reinen Baukosten vor drei Jahren ca. vier Millionen Euro (brutto) angesetzt. Stand jetzt wird der Brückenneubau den Landkreis 6,5 Millionen Euro kosten - und niemand weiß, wie stark die Baukosten bis zum Baubeginn steigen werden.
Ein weiteres Problem: Obwohl die Bahn für die schlechte Qualität der Brücke verantwortlich ist - regulär sollten derartige Brücken 80 bis 100 und nicht nur rund 50 Jahre nutzbar sein - ist der Landkreis auf die Sperrzeiten der Bahn, also die vorübergehende Unterbrechung des Bahnverkehrs, für die Ausführungen der Bauarbeiten angewiesen. Aber Sperrzeiten sind u.a. wegen der Bahn-eigenen Bauprojekte schwer zu bekommen.
Wie Benjamin Frank, Projektleiter beim Landkreis, und Diplom-Ingenieur Andreas Elsner vom beauftragten Ingenieurbüro informierten, erfolgen Abriss und Ersatzneubau der Bahnbrücke unter Vollsperrung der Kreisstraße. Geplant ist nur eine Behelfsbrücke für Fußgänger, die aber nicht von Radfahrern oder Senioren, die auf Rollatoren angewiesen sind, genutzt werden kann.
Die Folge: Das Dorf wird verkehrsmäßig gespalten. Der Sportverein, der auf die Moorhalle als Sportstätte angewiesen ist und sich nach der Corona-Pandemie - bezogen auf die Mitgliederzahl - gerade "berappelt" hat, ist für viele Mitglieder nicht erreichbar. Außerdem befinden sich in bzw. neben der Moorhalle das Gemeindebüro und der Schießstand des Schützenvereins.
Dass es überhaupt eine Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger geben soll, ist der Initiative der Königsmoorer Politik und Verwaltung zu verdanken. Eine Radwegüberführung wurde allerdings von der Kreispolitik wegen der Kosten von zusätzlich rund 800.000 Euro abgelehnt.
Während der Bauphase sind die Parkmöglichkeiten an der Moorhalle eingeschränkt. Die Besucher sollen stattdessen in den nächst gelegenen Straßen - der Neuen Straße und der Poststraße - parken. Ein Vorschlag, der bei den Anliegern dort ebenfalls auf Unverständnis stößt, da es unterstreicht, wie wenig Ortskenntnis beim Landkreis vorhanden ist. Ein Ortstermin hätte sicherlich Klarheit darüber gebracht, wie eng die Straßen sind: Wenn die ganzen Anlieger inklusive ihrer Wohnmobile, Pferde- und Bootsanhänger dort parken oder Mülltonnen für die Abholung an der Straße stehen, gibt es schon jetzt keine Möglichkeit, bei Gegenverkehr auszuweichen. Wenn dann noch weitere Fahrzeuge hinzukommen und womöglich im Wendehammer parken, haben Rettungs- und Müllfahrzeuge keine Chance.
Der geplante zeitliche Ablauf:
- Bis Dezember 2024 soll eine Abstimmung mit den Trägern öffentlicher Belange erfolgen.
- Von Januar 2025 bis Juni 2026 erfolgt das Planrechtsverfahren, von September 2025 bis 2026 die Ausführungsplanung.
- Zwischen Juni und September 2026 sollen die Arbeiten ausgeschrieben und vergeben werden.
- Die Bauvorbereitung (inklusive Baumfällungen) erfolgt zwischen Oktober und Dezember 2026.
- Ab Januar 2027 bis Mai 2028 soll der Brückenneubau realisiert werden - vorausgesetzt, die DB-InfraGo bewilligt rechtzeitig die notwendigen Sperrzeiten.
Die Umleitung erfolgt über Otter nach Tostedt und zurück über die B75. Die Busfahrzeiten verlängern sich um rund 40 Minuten.
Der dringende Appell der Gemeindevertreter mit Bürgermeister Carsten Ritter und Gemeindedirektor Stefan Walnsch sowie der Einwohnerinnen und Einwohner: Der Landkreis möge mit den Landwirten der Umgebung für alternative Parkplatzflächen Kontakt aufnehmen und eine Lösung finden, wie u.a. auch Radfahrer die Gleise ohne Lebensgefahr überqueren können.
Alle Redner konnten den Unmut der Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen, verwiesen aber auch auf die gesetzlich vorgegebenen langwierigen Verfahren und dass sie weder Einfluss auf die Sperrzeiten noch auf die Baukosten nehmen können.
Die ebenfalls anwesenden Vertreter des Landkreises, Thomas Schmidt und Robert Panusch vom Betrieb Kreisstraßen, nahmen die Anregungen und Bedenken der Einwohner ernst und versprachen, nach Lösungen zu suchen. Für weitere Forderungen müssten die Bürger auf ihre Ortsrats- und Kreistagsmitglieder zugehen.
Artikel vom Oktober 2021:
Artikel vom März 2022:
Artikel vom November 2022:
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