Letzte Buchhandlung in Tostedt schließt
Insolvenz eines Großhändlers macht Nachfolge-Pläne zunichte / Fachgeschäft Friesecke will Buchverkauf vor Ort fortführen
bim. Tostedt. Sie ist 67 Jahre und hat sich ihren Ruhestand redlich verdient: Barbara Wilkens ist seit 35 Jahren selbstständige Buchhändlerin in Tostedt und eine echte Institution. Für ihr Geschäft "Buch & Lesen" gab es bereits einen Käufer, dessen Pläne aber durch die vor zwei Wochen bekannt gewordene Insolvenz von Deutschlands wichtigstem Buch- und Mediengroßhändler Koch, Neff & Volckmar (KNV, siehe Kasten) zunichte gemacht wurden. Damit schließt nach Voigt (2015) und Matthies (2017) die letzte Buchhandlung in Tostedt.
"Ich war in der glücklichen Situation, einen Nachfolger für meine Buchhandlung gefunden zu haben", berichtet Barbara Wilkens. "Miet- und Kaufvertrag waren fix und eigentlich war nur noch eine Unterschrift für den Liefervertrag mit dem Großhändler zu leisten." Doch dann wurde die KNV-Insolvenz bekannt, die in der Branche für eine Kettenreaktion mit ungeahnten Folgen gesorgt hat. "Bei einem Neuvertrag konnte die Lieferung der Bücher nicht gewährleistet werden. Der Käufer und ich haben noch versucht, einen anderen Großhändler zu finden. Da diese jedoch auch von der KNV-Logistik abhängig sind, konnten sie keine annehmbaren Verträge für die tägliche Buch-Lieferung anbieten. Und einen Vertrag mit dem vorläufigen KNV-Insolvenzverwalter abzuschließen, war zu riskant", erläutert Barbara Wilkens. Buchhändler mit bestehenden Verträgen würden aber weiterhin zuverlässig beliefert, betont sie.
Barbara Wilkens ist dem Vermieter dankbar, dass er sich kulant zeigte und den bereits unterzeichneten Mietvertrag rückgängig machte. "Ich danke auch meinen Mitarbeiterinnen, dass sie mir in all den Jahren in Freud und Leid beigestanden haben, und meinen Kunden für ihre Treue, die vielen netten Gespräche und die lieben Worte des Bedauerns, dass ich den Laden nun schließe", so Barbara Wilkens.
Der Räumungsverkauf hat begonnen. Stichtag für die Schließung von "Buch & Lesen" ist der 9. März. "Vielleicht öffne ich noch eine Woche länger", sagt Barbara Wilkens. Was sie dann mit ihrer vielen freien Zeit macht, weiß sie noch nicht genau. In jedem Fall wolle sie "mit dem Camper durch die Gegend fahren".
• Die Tostedter müssen auch nach Mitte März nicht auf den Online-Handel ausweichen. Denn Thorsten Friesecke vom benachbarten Fachgeschäft will die Räume der Buchhandlung mieten und weiterhin vor Ort den (Schul-)Buch-Verkauf sicherstellen.
5.600 Buchhandlungen sind betroffen
KNV ist ein 1829 gegründetes Stuttgarter Familienunternehmen und eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen mehreren tausend Verlagen und mehreren tausend Buchhandlungen. KNV ist für die Buchbranche entscheidend, weil das Unternehmen Bücher liefert und diese als Zwischenhändler von Verlagen kauft. Die Buchhandlungen nutzen KNV vor allem als sogenannten Barsortimenter. Das 2014 neu errichtete Erfurter Zentrallager hält rund 590.000 Titel von über 5.000 Verlagen auf Vorrat, über Nacht konnte jeder beliebige Titel von den 5.600 Buchhandlungen (4.200 Filialen in Deutschland, 800 in Österreich und der Schweiz sowie 600 Buchhandlungen in anderen Ländern), die diesem Logistiknetz angeschlossen sind, bestellt werden.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.