Freispruch für Altenpflegerin
thl. Winsen. Mit einem Freispruch endete jetzt nach vier Verhandlungstagen vor dem Winsener Amtsgericht der Prozess gegen eine Altenpflegerin (31). Zudem prüft die Staatsanwaltschaft jetzt, ob sie gegen die Belastungszeugen Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage einleitet.
Die Altenpflegerin war angeklagt, weil sie als Angestellte in einem mittlerweile insolventen Seniorenheim in der Samtgemeinde Salzhausen mehrere ihrer Schützlinge aufs schwerste misshandelt haben sollte.
"Die massiven Vorwürfe haben sich in der Hauptverhandlung in keinster Weise bestätigt", sagte Richter Dr. Michael Herrmann in der Urteilsbegründung. "Wir haben hier ein Lügengerüst der Heimleitung und der Zeugen gehört, dass zusammengebrochen ist." Nur eine einzige Zeugin sei glaubwürdig gewesen, so Herrmann weiter. Alle anderen hätten gelogen, "dass sich die Balken biegen". Aber diese eine Zeugin habe einen völlig anderen Verlauf der Dinge geschildert. Sie sei nämlich von der Geschäftsführerin des Altenheims angesprochen worden, sie möge mal über die Arbeit mit der Angeklagten berichten. Aus dieser Erzählung wurde nachher ein angebliches Anschreien und Prügeln der Patienten. Kleiner Schönheitsfehler: Am dem Tag, wo die Tat, wie von der Heimleitung aufgeschrieben, passiert sein soll, hatte die "Belastungszeugin" Urlaub.
Das Gericht gehe davon aus, dass die Kollegen, die eine Clique-Bildung hatten, zusammen mit der Heimleitung versucht haben, die Angeklagte loszuwerden, so Dr. Michael Herrmann. Ein Motiv könne dabei sein, dass eine andere Altenpflegerin mit dem damaligen Lebensgefährten der Angeklagte anbandeln wollte, der ebenfalls in dem Seniorenheim gearbeitet hatte. Durch erfundene Geschichten hätte die Angeklagte die fristlose Kündigung bekommen. "Und sie sich einen Tag später mit einer Schutzklage dagegen wehrte, kam etwas ins Rollen, was nicht mehr zu stoppen war. Und als die Fürsprecherin dann auch noch auf Geheiß der Heimleitung Anzeige erstattete, musste etwas erfunden werden, um aus der Sache wieder herauszukommen", so der Richter. Indiz dafür sei die Tatsache, dass die Zeugen bis zu vier verschiedene Versionen der angeblichen Taten zwischen Kündigung im Jahre 2011 und der Hauptverhandlung jetzt präsentiert hatten. Zudem sagten die Zeugin immer wieder: "Diese Aussage habe ich vor der Polizei nicht gemacht."
"Da stellt sich die Frage, ob der vernehmende Polizeibeamte sehr kreativ und vor allem unterfordert war und die Aussage durch eigene Ideen ausweitete, um sich Arbeit zu verschaffen", sagte Dr. Herrmann zynisch.
"Das einzige, was man der Angeklagten vorwerfen könne, ist die von ihr eingeräumte Fixierung der Patientin an einem Toilettensitz. Ob das aber gegen ihren Willen geschah oder nicht, können wir nicht herausfinden, weil die Patienten leider schon verstorben ist", so Dr. Michael Herrmann. "Deswegen können wir sie dafür auch nicht verurteilen." Pikant: Der Staatsanwalt hatte genau dafür in seinem Plädoyer 500 Euro Geldstrafe gefordert.
In seinem Schlusswort wies Dr. Michael Hermann darauf hin, dass im Prozess Unglaubliches über das Heim bekannt geworden sei. Das Personal habe stets unter massiver Überlastung bis hin zur völligen Erschöpfung arbeiten müssen. Um Patienten, die eigentlich von zwei Leuten gepflegt werden sollte, musste sich stets eine Pflegerin alleine kümmern. Dr. Herrmann: "Man kann nur hoffen, wenn man mal alt und gebrechlich ist, dass man nicht in so einem Heim landet."
Die Altenpflegerin zeigte sich nach dem Prozess erleichtert: "Ich bin froh, dass es vorbei ist. Zwei Jahre lang war die Angst, für nichts in Gefängnis zu müssen, mein täglicher Begleiter."
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