Bürgermeister geben Sozialministerium die Schulnote 6

Winsens Bürgermeister Andrè Wiese   Foto: Stadt Winsen
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Winsens Bürgermeister André Wiese redet Klartext gegen das Sozialministerium

thl. Winsen. "Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man fast lachen über so viel Inkompetenz", sagt Winsens Bürgermeister André Wiese (CDU) und fügt hinzu: "Die Leistung des Niedersächsischen Sozialministeriums zur Information der über 80-Jährigen zu den bevorstehenden Impfungen ist in Schulnoten eine glatte Sechs!"
Ein Bürgermeister redet Klartext. Auslöser ist die Aussage des Ministeriums, dass man dort, um alle Bürger der betroffenen Gruppe über die anstehende Möglichkeit der Corona-Impfung zu informieren, Adressen von einem Dienstleister kaufen werde. Wiese: "Wer um Himmels Willen kommt auf die Idee, für viel Geld Adressen zusammenzukaufen und sehenden Auges damit nur rund jede zweite betroffene Person anschreiben zu können?" Dabei könne man auch im Ministerium wissen, dass es Einwohnermeldeämter gibt, wo tatsächliche Daten vorliegen. Die Kommunen hätten bereits mehrfach angeboten mitzuwirken, aber das habe das Sozialministerium bis heute nicht interessiert. "Jetzt hat man einen Dienstleister, der anhand des Vornamens Vermutungen anstellt, ob die Person wohl in die Zielgruppe der über 80-Jährigen gehört", schimpft Wiese. "Ich würde sagen, dass das Sozialministerium die Info zum Impfen mit Karacho gegen die Wand gefahren hat." Jetzt müsse man vor Ort versuchen, den Karren wieder flott zu machen. Das mache man für die Sache und vor allem für die Bürger aber gern.
In Winsen arbeitet man bereits und will im Laufe dieser Woche selbst alle über 80-jährigen Bürger anschreiben und informieren. "Dafür werden wir auch so genannte 'Impfpaten' suchen, die denjenigen Senioren hilfreich zur Seite stehen, die keine Unterstützung aus der Familie oder von engen Freunden haben, um die Anmeldung und das Drumherum zu organisieren", erklärt Wiese.
Nicht nur André Wiese ist stinksauer auf das Sozialministerium. Auch bei Bürgermeistern anderer Kommunen und beim Landkreis ist der Unmut über "fehlende Kompentenz" der handelnden Personen in Hannover groß.

"Es werden falsche Erwartungen geweckt"

Weil das Ministerium aber bei der Planung der Kampagne nach Worten von Winsens Bürgermeister André Wiese (CDU) "völlig versagt hat", sollen die Kommunen jetzt unterstützen.
"Das mache wir natürlich gerne", sagt Buchholz' Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse. "Allerdings sehe ich das sehr kritisch." Allein in der Nordheidestadt gibt es rund 3.000 Betroffene. "Wenn die nun alle den Brief bekommen und zum Hörer greifen, bricht die sowieso schon überlastete Hotline ganz zusammen." Das Schreiben würde Erwartungen wecken, die nur schwer erfüllt werden könnten. Röhse: "Wer bei der Hotline durchkommt, erfährt, dass es zu wenig Impfstoff gibt und niemand weiß, wann welcher zur Verfügung steht." Dadurch würden die Kommunen vor Ort in die Kritik geraten, obwohl sie gar keinen Einfluss auf den Impfstoff haben.
"Inhaltlich stimme ich André Wiese zu, rhetorisch nicht", erklärt Salzhausens Samtgemeinde-Bürgermeister Wolfgang Krause auf WOCHENBLATT-Anfrage. "Das Ergebnis des Ministeriums überrascht mich nicht, denn es lehnt auch noch heute eine Abstimmung mit den Landkreisen bzw. Kommunen kategorisch ab. Das Kind ist mal wieder in den Brunnen gefallen. Ist ja kein Einzelfall, da die Basis, um die es jetzt geht, regelmäßig kaum oder kein Gehör findet", so Krause weiter. "Es macht jetzt aber keinen Sinn, das Thema Schuld und Schuldzuweisung weiter in den Fokus zu nehmen. Es geht hier jetzt um schnelle und erfolgreiche Impfungen im ersten Schritt für die Hochrisikogruppe 80 plus. Darauf gilt es sich jetzt zu konzentrieren."
• Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt versteht den Unmut ihres Winsener Kollegen. Es gehe schließlich gar nicht anders, als dass die Kommunen, die über die Daten der Meldeämter verfügen, aktiv werden. Im Landkreis Stade habe man sich jetzt darauf geeinigt, dass mit den Anschreiben auch der Hinweis verbunden wird, dass es noch keine genauen Termine für die Impfung gebe. "Das Land muss erst einmal genug Impfstoff beschaffen."

Redakteur:

Thomas Lipinski aus Winsen

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