Verwaltungskosten stiegen um das Hundertfache
Gerichtsschlamperei bei unbezahltem Parkticket
"Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man direkt darüber lachen", sagt Hans-Georg Hartwig aus Wenzendorf verbittert. Anlass ist ein nicht bezahlter Strafzettel, der den gehbehinderten Mann in die Mühlen der Justiz geraten ließ.
Das Drama begann mit einem Zehn-Euro-Strafzettel wegen Falschparkens in Stade, den Hartwig vergaß zu bezahlen. Daraufhin erhielt der Wenzendorfer einen Bußgeldbescheid vom Landkreis Stade. Aus den zehn Euro wurden dadurch 41 Euro, weil der Landkreis 31 Euro Kosten für den Bescheid geltend machte. Auch diese Zahlung blieb Hartwig schuldig. Also leitete der Landkreis Stade die Sache zur Verhängung einer Erzwingungshaft an das Amtsgericht Buxtehude weiter.
Bis dahin ein üblicher Vorgang. Doch dann begann der Amtsschimmel zu wiehern. Hartwig bekam vom Amtsgericht ein Schreiben, in dem er aufgefordert wurde, innerhalb einer Woche die zehn Euro zuzüglich 3.100 (!) Euro Verwaltungskosten zu zahlen, ansonsten würde er in Erzwingungshaft kommen.
Sofort legte Hartwig gegen die geltend gemachten Kosten Einspruch ein. "Mir war klar, dass dort ein Fehler vorliegt. Deshalb forderte ich das Gericht auf, die Summe detailliert nachzuweisen", so der Wenzendorfer. Ohne Erfolg: Ein Einspruch ist im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nicht statthaft bzw. nicht vorgesehen, teilte ihm das Amtsgericht lapidar mit. Dazu der Hinweis, er könne die Erzwingungshaft nur durch die Zahlung der gesamten Summe abwenden.
Das WOCHENBLATT fragte beim Landkreis Stade nach, was hinter der Sache steckt. "Wir haben lediglich eine Kostenforderung vom 31 Euro (zzgl. des Zehn-Euro-Strafzettels) beim Amtsgericht eingereicht", erklärt Pressesprecher Daniel Beneke. "Dass der Schuldner vom Gericht zur Zahlung von 3.100 Euro aufgefordert wird, lässt sich aus unserer Sicht nur durch ein dort verschuldetes Versehen (Tippfehler o.Ä.) erklären."
Eine Anfrage beim Amtsgericht Buxtehude blieb erfolglos. Vize-Direktor Dr. Sebastian Hackemack, der das Schreiben an Hartwig unterschrieben hatte, wollte sich zur Sache nicht äußern. Er weigerte sich auf mehrfache Nachfrage des Redakteurs auch, einen Blick in die Akten zu werfen, um den offensichtlichen Fehler auf dem kurzen Dienstweg zu korrigieren.
Hans-Georg Hartwig hat jetzt die geforderten 41 Euro an den Landkreis Stade gezahlt und hofft, dass das Verfahren damit beendet ist und er nicht wegen einer Schlamperei des Gerichtes noch in Haft muss.
Ein Kommentar:
Fehler sind dazu da, um gemacht zu werden und können jedem passieren - auch einem Gericht. Wenn ein kleiner Fehler allerdings in eine Schlamperei ausartet, ist das nicht hinnehmbar.
Während der Landkreis Stade nach der WOCHENBLATT-Anfrage im Fall von Hans-Georg Wagner umgehend bemüht war, Licht in die Sache zu bringen, spielte der zuständige Richter am Amtsgericht Buxtehude lieber "Vogel Strauß" und duckte sich weg.
Mit Landkreissprecher Daniel Beneke führte ich mehrere Telefonate und bekam mehrere E-Mails mit Stellungnahmen. Selbst am Mittwochabend, nachdem die Behörden schon lange Feierabend hatten, rief er mich noch an und erzählte, dass der Fall noch einmal gründlich durchgeprüft wurde und der Fehler mit den 3.100 Euro tatsächlich beim Gericht liege. So macht nicht nur Recherchearbeit Spaß, das ist auch bürgerfreundliches Verhalten.
Ganz im Gegensatz zum Amtsgerichts. Vize-Direktor Dr. Sebastian Hackemack, der auch der zuständige Richter in der Sache ist, fehlt dieses bürgerfreundliche Verhalten offensichtlich. Statt einfach einmal einen kurzen Blick in die Akte zu werfen und festzustellen, dass die geforderten Kosten nicht richtig sein können, verwirft er zunächst einen Einspruch des Schuldners als unzulässig und verweigert dann gegenüber dem WOCHENBLATT die Auskunft. Das ist für mich Schlamperei.
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