Im freien Fall mit 180 km/h der Erde entgegen
bs. Es ist erdrückend eng im Laderaum der Frachtmaschine Cessna Caravan. Wie Hühner auf der Stange sitzen mit mir zehn weitere "lebensmüde" Menschen hintereinander auf einer langen Bank. Ich bin fest verschnallt. So fest, dass sich Gurte und Schnallen hart in Schulter und Bauch drücken. Bewegen: Fehlanzeige, nur kriechen ist möglich. Dann geht auf einmal alles ganz schnell: Die Luke der Maschine öffnet sich. Ich blicke in einen Abgrund, der mit Worten nicht zu beschreiben ist. "Kann ich jetzt noch 'kneifen'?", frage ich kleinlaut, aber der ohrenbetäubende Wind trägt mein letztes Flehen mit sich fort.
Mein Magen rumort unaufhörlich. Ich schwitze, kann kaum atmen. Dann taumeln bereits meine Beine aus dem Flugzeug, zwischen mir und dem Erdboden liegen jetzt 4.000 Meter. "Oh mein Gott, ich muss sterben. Aber der Blick dabei ist atemberaubend", denke ich noch, bevor ich vor lauter Angst die Augen zupresse und sich mein ganzer Körper verkrampft. Dann stößt uns Tandem-Master Jens aus dem Flugzeug. Für Sekunden taumeln wir, fallen mit rund 180 km/h im freien Fall der Erde entgegen. Ich schreie. Ein Rausch.
In einer mutigen Minute hatte ich irgendwann erwähnt, dass ich gerne mal mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springen würde. Als der "Tag der Tage" anstand, bereute ich meine "große Klappe". Ein Zurück ohne Gesichtsverlust gab es nicht mehr. Auch die Kollegen in der WOCHENBLATT-Redaktion fragten, wann es denn nun endlich soweit sei.
In Hasenmoor bei Hamburg habe ich den richtigen Partner für meine tollkühne Aktion gefunden: "Skydiving-Albatros Fallschirmsport" ist das dort ansässige Unternehmen, das Augenblicke fürs Leben verspricht. Damit soll es Recht behalten.
Mein zugeteilter Tandem-Master Jens weist mich fachmännisch ein. "In der Luft bin ich über dir, deine Beine winkelst du nach hinten, als wolltest du mich treten. Und das Wichtigste: Spaß haben", lacht der sympathische, junge Mann. Google hatte mir zuvor folgendes Ergebnis ausgespuckt: Die Sterbewahrscheinlichkeit beim Fallschirmsprung beträgt 17,5 zu einer Million. "Oh, gar nicht so unrealistisch, aber dafür ist es nun zu spät", lache ich hysterisch auf. Wie in Trance folge ich Jens auf wackligen Beinen zum Start- und Landeplatz. Ich bin froh, mit ihm zu springen. Seine wissende Art vermittelt mir in dieser Extremsituation einen, wenn auch sehr kurzen, Anflug von Sicherheit.
Das Atmen im freien Fall fällt schwer, der Luftdruck ist unglaublich stark. "Durch die Nase", schreit Jens über mir runter, während wir in einer Minute circa 2.000 Meter überwinden. Jens öffnet den Schirm, wir werden von unglaublichen Kräften nach oben katapultiert. Ich bin starr vor Schreck, gleichzeitig schreie ich mein freigesetztes Adrenalin aus dem Körper. Rund sieben Minuten hängen wir am Schirm, die Stimmung schlägt von Action der Superlative in allmähliche Beruhigung um. Ein unglaubliches Wechselbad der Gefühle. Wir drehen noch eine Runde, bis Jens ruft: "Beine nach vorne und anwinkeln". Es kostet mich immense Überwindung, dem starken Reflex, auf den Füßen landen zu wollen, nicht nachzugeben. Mein Po federt die Landung ab, und wir rutschen noch ein Stück auf der Landbahn, bis ich realisiere, dass ich heil wieder unten bin. "Oh mein Gott!", schreie ich wieder los wie eine Verrückte und springe in die Luft. Jens lacht und ist genauso geflasht, obwohl er als erfahrener Tandem-Master bereits rund 3.000 Sprünge hinter sich hat.
Fazit: Ein Erlebnis fürs Leben, das kaum zu beschreiben ist. Sich seiner Angst zu stellen ist unglaublich schwer, aber lohnenswert. Ein Wiedersehen über den Wolken wird es für mich definitiv geben.
Redakteur:Sara Buchheister aus Winsen |
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