Ist das das Aus für das Winsener Oktoberfest und alle großen Volksfeste?
Gericht erklärt die von der Stadt Winsen erteilte Genehmigung rückwirkend für rechtswidrig
thl. Winsen. Böse Klatsche für die Stadt Winsen: Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat am Mittwoch der Klage des Rechtsanwaltes Joachim Schlarmann stattgegeben und die von der Stadt erteilte Genehmigung für das Oktoberfest im vergangenen Jahr im Luhe Park rückwirkend für rechtswidrig erklärt.
Es ist eine Hammer-Entscheidung, die Auswirkungen auf öffentliche Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet haben kann. Denn sollte dieses Urteil Schule machen, könnte es das Aus für alle großen Volksfeste bedeuten.
Wie das WOCHENBLATT berichtete, hatte Schlarmann, der in der Nähe der Eventfläche wohnt, im vergangenen Jahr Klage gegen die Genehmigung eingereicht, weil er sich durch den Lärm belästigt fühlte. Als Begründung für eine nach seiner Ansicht nicht hinnehmbare Emissionsbelastung hatte er zahlreiche andere Veranstaltungen mit angeführt, die im Luhe Park, in den Luhegärten und in der Innenstadt stattfinden. Dadurch fühle er sich "arg gebeutelt", führte der Rechtsanwalt seinerzeit aus.
Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht wiesen zwar eine im Eilverfahren von Schlarmann angestrebte Unterlassungserklärung ab und stellten das öffentliche Interesse in den Vordergrund. Um dem Schutzinteresse des Rechtsanwaltes aber zu genügen, erteilten beide Gerichte zusätzliche Auflagen. So musste z.B. die Musikanlage vor der Veranstaltung eingepegelt werden, um die Lärmrichtwerte einzuhalten. Außerdem musste dem Kläger nach dem ersten Oktoberfest-Wochenende ein schalltechnischer Messbericht übergeben werden. Und: Sollten die erlaubten Immissionswerte überschritten werden, sollte die Veranstaltung beendet werden.
Und obwohl sämtliche Auflagen und Lärmwerte eingehalten wurden, betrieb Joachim Schlarmann das Klageverfahren weiter. Sein Ziel: Die von der Stadt erteilte Genehmigung rückwirkend für rechtswidrig erklären zu lassen. Das Verwaltungsgericht in Lüneburg gab ihm jetzt Recht. Begründung: Die Genehmigung und die Auflagen waren inhaltlich nicht ausreichend. Kurios: Noch im September vergangenen Jahres hatte dieselbe Kammer den Eilantrag des Klägers Joachim Schlarmann auf Untersagung der Veranstaltung abgelehnt und "nur" weitere Auflagen angeordnet, die seitens des Veranstalters, dem Famila-Warenhaus und der Firma EMF, auch eingehalten wurden.
Schlarmann begründete das Weitertreiben des Verfahrens damit, dass er seine Familie vor unzumutbarem Lärm schützen wolle. So habe parallel zum Oktoberfest in den Luhegärten der Dahlientag stattgefunden, auf dem es auch Livemusik gegeben habe, argumentierte er und wies darauf hin, dass sein Grundstück genau an das ehemalige Landesgartenschaugelände grenze. Auch den Laternenumzug von Famila im November 2018 stufte er als "unzumutbare Lärmbelästigung" ein, vor allem auch mit dem anschließenden Feuerwerk.
"Mir geht es nicht darum, die Feste verbieten zu lassen", sagte Joachim Schlarmann dem WOCHENBLATT auf Nachfrage. "Es geht darum, dass unsere Nachbarn und wir unsere Ruhe haben und nicht dem Lärm ausgesetzt sind." Er lobte sogar die Einhaltung der Auflagen. "Dadurch war das Oktoberfest angenehm. Allerdings hatte die Stadt im Vorwege verschwiegen, dass es Parallel-Veranstaltungen gibt. Und das geht gar nicht", so Schlarmann. Deswegen sei er froh, dass das Gericht seiner Argumentation gefolgt sei.
Stadt-Justiziar Theodor Peters wies vor Gericht darauf hin, dass ein Sachverständiger bestätigt habe, dass die Lärmpegelgrenzen nicht überschritten worden seien, fand damit vor Gericht aber kein Gehör.
Verwaltungsvize Christian Riech sieht die Darstellungen Schlarmanns überzogen: "Er wohnt nun mal mitten in der Stadt. Und da finden auch Veranstaltungen statt. Wer in die Stadt zieht, kann nicht erwarten, im Silberwald zu wohnen." Trotdzem habe man aufgrund des Verfahrens in der Verwaltung reagiert und einen Gutachter beauftragt, der jetzt sämtliche Eventflächen im Stadtgebiet auf eventuelle Lärmauswirkungen überprüfen soll.
Und wie geht es jetzt weiter? "Wir wollen die schriftliche Urteilsbegründung abwarten", so Peters. Danach werde man entscheiden, ob man in die Berufung gehe, sofern diese dann vom Gericht zugelassen werde.
Auch Joachim Schlarmann wartet auf die Urteilsbegründung und hofft, dass die Stadt nicht in Berufung geht, sondern das Gespräch mit ihm sucht, um eine "einvernehmliche Lösung zu finden".
Berufung hin oder her: Fakt sei jedoch, so Peters, dass das Gericht die Messlatte für die Genehmigung weiterer Veranstaltungen "sehr hoch gelegt hat". Peters: "Die müssen wir jetzt überspringen."
"Unser Ziel ist, auch weiterhin ein Oktoberfest für Winsen zu verstalten", sagt Famila-Warenhausleiter Torben Gedrath. "Allerdings müssen Kosten und Aufwand im Rahmen bleiben."
Auf ein Wort
Gespräche statt Klagen
Nach dem Gerichtsurteil zum Oktoberfest Winsen tun die Kommunen gut daran, mit Veranstaltern großer Feste das Gespräch zu suchen, um bereits im Vorfeld über die Vermeidung von Lärmbelästigungen zu beraten. Wenn das Urteil nämlich Schule macht, wird es in Zukunft ungleich schwieriger als bisher, Veranstaltungen durchzuführen
Auf der anderen Seite sollten sich Bürger Gedanken machen, ob sie wirklich gegen jedes Fest gerichtlich vorgehen wollen. Eine Gesellschaft ohne Stadt- und Schützenfeste oder Freiluft-Konzerte wie vor dem Buchholzer Veranstaltungszentrum Empore wäre um einiges ärmer. Das kann niemand wollen. Vielleicht ist es jedem ja möglich, an ein paar Tagen im Jahr mehr Lärm als normal zu ertragen. Oliver Sander
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