Winsen
Präventionstheater an der Eckermann-Realschule zu den Gefahren von Alkoholkonsum
Stille in der Aula, dann ein lautes Schreien, torkelnd stolpert Schauspieler Thomas Flocken vom Schauspielkollektiv Lüneburg auf die Bühne der Eckermann-Realschule in Winsen. Vor ihm sitzen Schüler des achten Jahrgangs im Rahmen einer Präventionsmaßnahme zum Thema "Alkoholsucht“.
Wenn der Rausch das Leben bestimmt. Flocken spielt den Schauspieler David Aschinger, der ein Stück mit dem Titel "Flasche leer“ aufführen soll. Er hat als Requisit eine Plastikflasche, in der sich, der Theaterkonvention gemäß, schwarzer Tee als Whisky-Ersatz befindet. Er erzählt von der Rolle, die er in dem Stück spielt: Knut, ein Alkoholiker. Er versichert öfter, dass er bald anfangen wird, das Stück zu spielen, stattdessen spricht er über sein eigenes Leben und seine Erfahrungen mit dem Alkohol. So entfaltet sich die Geschichte einer sich immer rasanter entwickelnden Trinker-Karriere.
Es wird schnell klar, dass Aschinger das Stück nie spielen wird, dass die Schüler bereits mittendrin in dem Stück sind, dass sie ein Stück über ein nicht gespieltes Stück sehen. Lebenslügen und Verdrängungsmechanismen, die den Alltag eines Süchtigen prägen und verändern, stehen im Mittelpunkt des Theaterstücks "Flasche leer“.
Die Reaktionen werden immer unkontrollierbarer und sprunghafter. Mal redselig, dann wieder aggressiv und unkontrolliert. Am Ende sollen die Schüler sogar zu Komplizen werden und im theaterpädagogischen Gespräch sagen "er hätte nur gespielt“. Gerade diese Verunsicherung, die das Theaterstück bei den Jugendlichen hinterlässt, kann besonders heilsam sein, zeigt sich doch, dass die Übergänge fließend sind und eine Abhängigkeit schnell eintreten kann.
"In Deutschland trinkt man gerne Alkohol. Dass der den Körper massiv schädigt wissen die meisten. Doch die Verharmlosung des Alkohols im Alltag erschwert einen Mentalitätswandel“, so Thomas Flocken in der theaterpädagogischen Nachbesprechung mit den Jugendlichen. Bestätigung bekommt Flocken durch das Bundesministerium für Gesundheit. Auch dieses kommt zu der Einschätzung, dass in unserer Gesellschaft eine weit verbreitete unkritisch positive Einstellung zum Alkohol vorherrsche. So wurden 2021 rund zehn Liter reinen Alkohols pro Kopf in Deutschland konsumiert.
Auch kenne er die Reaktionen seines jungen Publikums nur zu gut, so Flocken. Zuerst werde noch viel gelacht, aber ihm fielen während des Theaterspiels auch immer wieder sehr ernste und leere Blicke auf. Hinter diesen, da sei er sich sicher, verbergen sich eigene Lebenserfahrungen. Vielleicht ein alkoholabhängiges Elternteil oder der eigene Absturz nach einer durchzechten Party.
In dem theaterpädagogischen Gespräch im Anschluss an das gespielte Stück ginge es ihm und seiner Kollegin Julia von Thoen aber auch darum, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Zunächst über das Leben und den Alltag von David Aschinger, und im weiteren Verlauf über die eigenen Erfahrungen mit Alkohol, möglichem Gefährdungspotential und Handlungsalternativen. Letztere selbst zu erkennen und zu benennen sei für die Schüler ungemein wichtig, sind sich die beiden Theaterpädagogen einig, denn eine Abhängigkeit entwickele sich immer dort, wo keine Handlungsalternativen zu dem Alkoholkonsum gesehen und entwickelt werden.
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