"Uns fehlt die Lobby, die sich für uns einsetzt"
In Zeiten des Fachkräftemangels: Unterrichtsversorgung an BBS liegt bei höchstens 90 Prozent
thl/lt. Winsen. "Ich bin seit August auf den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Winsen. Da geht es drunter und drüber. Ständig fallen Stunden aus, weil es akuten Lehrermangel gibt. Deshalb wurden bei uns im Einzelhandel aus zwei Klassen auch schon eine gemacht, in der jetzt 36 Schüler sind." So der Wortlaut eines Schreibens einer Schülerin an die WOCHENBLATT-Redaktion, in dem auf Missstände an den BBS aufmerksam gemacht wird.
Die gleichen Probleme gibt es auch auf anderen Berufsschulen in den Landkreisen Harburg und Stade.
"Die Probleme sind da, sie sind bekannt, aber wir können nichts dagegen machen", sagt Thomas Degen, Leiter der BBS in Winsen. "Wir haben seit Jahren eine Unterrichtsversorgung von 90 Prozent. Damit liegen wir ganz unauffällig im Landesdurchschnitt."
Dass aufgrund Lehrermangels aber Klassen zusammengelegt werden, dem widerspricht Thomas Degen. "Laut Klassenbildungserlass können wir die Klassen ab einer Größe von 32 Schülern teilen, müssen es aber nicht", so der Schulleiter. Im Bereich Einzelhandel habe man sich bewusst gegen eine Teilung entschieden. "In diesem Berufszweig gibt es eine hohe Fluktation. Es ist zu erwarten, dass am Schuljahresende keine 30 Schüler mehr in der Klasse sind." Dennoch bliebe das Problem mit der Unterrichtsversorgung.
Während es an allgemeinbildenden Schulen schon einen Aufschrei gibt, wenn dort die Unterrichtsversorgung auf 98 Prozent abrutscht, bleibt es an den Berufsschulen ruhig. Grund: Ihnen fehlt die Lobby. Degen: "An anderen Schulen sind es die Eltern, die sich beschweren. Mit denen haben wir hier so gut wie gar nichts zu tun, da unsere meisten Schüler schon volljährig und überwiegend nur ein- oder zweimal pro Woche hier bei uns sind."
Die schlechte Unterrichtsversorgung sei ein politisches Problem, heißt es seitens der Landesschulbehörde. Es würden keine Lehrerstellen geschaffen, obwohl es gerade im Speckgürtel genug Bewerber geben würde. Und mehr Lehrer seien auch nötig. Denn die 90 Prozent Versorgung sind nur dann gegeben, wenn alle Lehrer da sind. Fällt jemand z.B. wegen Krankheit aus, gebe es kaum Vertretungsmöglichkeiten. Und dann könne es auch sein, dass die Unterrichtsversorgung auf unter 80 Prozent rutsche. Die Folge sei eine schlechtere schulische Ausbildung - und das in Zeiten, wo jeder Berufszweig über Fachkräftemangel klagt.
Dramatisch ist die Situation auch an der BBS in Buxtehude. Schulleiter Carsten Schröder muss mit einer Unterrichtsversorgung von 86,6 Prozent klar kommen. Wenn Lehrer krank seien, sei die Versorgung logischerweise noch schlechter. Vor allem in den allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch, Englisch und Mathematik fehlen Lehrer, sagt Schröder. Es gebe Klassen, die weder Deutsch noch Politikunterricht hätten, weil einfach keine Lehrer da seien.
Für die dramatische Situation macht Schröder auch die magelnde Attraktivität des Lehrerberufs in Niedersachsen verantwortlich. Es sei schon häufig vorgekommen, dass Bewerber im letzten Moment abgesprungen seien, weil sie ein besseres Angebot in Hamburg bekommen und angenommen hätten.
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