Juso-Chef Kevin Kühnert war zur Wahlkampf-Unterstützung in Winsen zu Gast
Enteignung war kein Thema
thl. Winsen. "Dass mit der Enteignung ist ein Running Gag geworden. Aber ich verspreche jedem, der mit einem BMW zu einer meiner Veranstaltungen kommt, dass er mit dem auch wieder nach Hause fährt." Juso-Chef Kevin Kühnert (29) zeigte sich locker, als er jetzt auf Einladung der SPD in Winsen zu Gast war, um Bürgermeister-Kandidatin Susanne Menge im Wahlkampf zu unterstützen, aber auch, um über Europa und die anstehende Europawahl zu reden. Hintergrund: Kühnert hatte vor wenigen Tagen in einem Interview gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen "auf demokratischem Wege" eintrete, denn anders sei die "Überwindung des Kapitalismus" nicht möglich. Dabei führte Kühnert BMW als einen Großbetrieb an, den man enteignen könne.
Dass er nach Winsen gekommen ist, sei dem Umstand zu verdanken, dass es hier eine spannende Bürgermeisterwahl gebe. "Wir hatten über 300 Besuchsanfragen, davon haben wir die interessantesten herausgesucht. Winsen war dabei", so Kühnert. Viel gesehen von der Stadt hat er allerdings nicht. Vom Bahnhof aus ging es direkt in ein Café in die Innenstadt und dann weiter zum Marstall, wo er über Europa referierte. Kühnert stellte die Frage, was uns das Gemeinwesen wert sei. "Gehen wir den Weg, dass jeder zusieht, wie er über die Runden kommt, oder halten wir als Gesellschaft zusammen?" Genau darum gehe es am 26. Mai bei der Europawahl. Mit Blick auf rechte Populisten mahnte er an, man müsse diese zurückdrängen. Sehr viel wichtiger sei die Beantwortung der Frage, warum sich so viele Menschen den Rechten angeschlossen haben. Kühnert zitierte Ergebnisse aus einer Studie, aus der sich Anforderungen an Politik ableiten ließen, wie Ursachen entgegenzutreten sei: "Die Wut, dass Politik die kleinen Leute nicht mehr sieht, speist sich nach dieser Studie aus dem schlechten Nahversorgungsangebot, fehlenden Kitas, Ärzten sowie geschlossenen Jugend- und Kulturhäusern."
Ein wichtiger Aspekt sei, so der Juso-Chef weiter, dass die europäische Gemeinschaft entschlossen handele. Gerade beim Thema Unternehmenssteuern sei sie gefordert. Denn auch die großen Internetkonzerne wie Amazon und Google müssten ihren Beitrag als steuerliche Leistung an die Gemeinschaft abgeben, so wie alle kleinen und mittelständischen Unternehmen dies tun. Europa müsse den Schlupflöchern in diversen Steueroasen wie Luxemburg, Malta oder Irland energisch entgegentreten.
In Winsen nutze Amazon u.a. die vorhandene Infrastruktur. Neben den Straßen müsste auch neuer bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, damit die Angestellten zumindest die Möglichkeit hätten, auch in der Näher ihres Arbeitsortes eine Wohnung zu finden. Bezahlbarer Wohnraum sei zudem auch unabdingbar für ein gut funktionierendes Gemeinwesen, machte Kühnert deutlich.
Kevin Kühnert forderte zum Abschluss alle Menschen in Europa auf, am 26. Mai wählen zu gehen: "Denken Sie an Großbritannien beim Brexit oder an die USA mit Trump. Dort haben viele gedacht, es wird schon alles gut gehen und sind nicht zur Wahl gegangen. Alle sind sie dann am nächsten Tag mit dem Kater ihres Lebens aufgewacht. Das sollte uns mit den Nationalisten in Europa nicht passieren. Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung – nämlich der Frage, wie wir als Gesellschaft in Europa zusammenleben wollen."
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.