Ratsherr Cemil Delik wechselt von den Sozialdemokraten zu der Gruppe Grüne/Linke
"Ihm fehlt der Anstand"
Wenig Beteiligung und kaum Diskussionen bei Winsener Stadtratssitzung im Zeichen von Corona
thl. Winsen. Allerorts werden im Zeiten von Corona neben Veranstaltungen auch sämtliche politische Sitzungen abgesagt. Nur nicht in der Stadt Winsen. Dort tagte am Mittwochabend in der Stadthalle noch der Stadtrat. "Wir mussten wichtige Entscheidungen treffen, u.a. im vertraulichen Teil mit Grundstücksverkäufen und im öffentlichen Teil mit Personalentscheidungen bei den Feuerwehren", begründete Bürgermeister André Wiese (CDU) seine Entscheidung, die Sitzung unbedingt durchziehen zu wollen.
Doch so wichtig fanden die Ratsmitglieder die Sitzung dann wohl doch nicht. Von den insgesamt 38 Mandatsträgern fanden sich lediglich 25 in der Stadthalle ein. Und die Anwesenden hatten wenig Diskussionsbedarf. Nahezu alle 19 Tagesordnungspunkte wurde nur durchgewunken. Selbst die Grünen, die sonst immer noch einmal vehement mit Redebeiträgen für ihre Anträge werben, blieben still. Einzig beim Tagesordnungspunkt "Winsen 2030 - Umgestaltung der Haupteinkaufsstraße" machte Eike-Christian Harden noch einmal deutlich, dass Teile der Gruppe der Umgestaltung zwar zustimmen würden, man aber das Eigentliche, den Autoverkehr aus der Innenstadt zu verbannen, nicht aus den Auge verliere und zu gegebener Zeit wieder auf die Agenda bringen wolle. Am Ende stimmten 34 Ratsmitglieder für die Umgestaltung. Dazu gab es drei Nein-Stimmen und eine Enthaltung.
Einen verbalen Angriff gab es dann aber noch von Seiten der SPD gegen Ratsherr Cemil Delik, der kürzlich von den Sozialdemokraten zu der Gruppe Grüne/Linke gewechselt war (das WOCHENBLATT berichtete). Delik habe in den vergangenen Jahren lediglich an drei von 15 möglichen Ausschusssitzungen teilgenommen und bei den meisten auch noch unentschuldigt gefehlt, warf SPD-Chef Benjamin Qualmann dem "Abtrünningen" vor. An Fraktionssitzungen habe er nur zweimal teilgenommen, bei den 14 anderen habe er unentschuldigt gefehlt. "Lieber Cemil, bei deiner Kandidatur für den Stadtrat hast du sehr überzeugend vorgetragen, dass du bis dahin zwar nicht politisch aktiv gewesen bist, dich aber unbedingt für die Entwicklung der Stadt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dieser Stadt engagieren möchtest. Deshalb hatte ich mich seinerzeit persönlich stark für deine Position auf unserer SPD-Liste eingesetzt, sodass du über diese Liste am Ende auch in den Stadtrat gewählt wurdest. Leider muss ich nun feststellen, dass deinen Worten keinerlei Taten gefolgt sind. Das ist für mich persönlich sehr enttäuschend", unterstrich Qualmann und warf Delik "fehlenden Anstand" vor, weil er sein Listenmandat zu den Grünen mitgenommen hat. Sein Verhalten sei eine grobe Missachtung aller Winsener Bürger, die ihn gewählt haben. Qualmann forderte Delik auf, zu "Anstand und Ehre" zurückzufinden und sein Mandat zurückzugeben.
Cemil Delik ließ die Schimpftiraden wortlos über sich ergehen. "Das war genau diese Arroganz, die mich die ganze Zeit über bei der SPD an Benjamin Qualmann gestört hat", sagte er nach der Sitzung zum WOCHENBLATT.
Die dem Fraktionswechsel folgenden Neubesetzungen der Ausschüsse und die Wahlen der stellvertretenden Bürgermeister brachte keine großen Änderungen. Zu erwähnen wäre lediglich, dass Bernd Meyer (Grüne) die Wahl zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister gegen Amtsinhaber Heinrich Schröder (SPD) deutlich verlor.
Am Ende dauerte die Sitzung keine 40 Minuten. Allerdings war das wohl auch der fehlenden Öffentlichkeit geschuldet. Denn es verloren sich nur zwei Zuschauer in der Stadthalle. Rund 100 weitere Bürger, die eigentlich zur Sitzung kommen wollten, um ihre Ablehnung für die Umgestaltung der Innenstadt kund zu tun, blieben wegen der Corona-Krise lieber zu Hause.
Wie geht es jetzt weiter mit den politischen Sitzungen? Das ist noch offen. "Die nächste reguläre Sitzung wäre erst am 23. April. Wir werden die Situation in den nächsten Wochen beobachten und dann kurzfristig entscheiden, ob es Absagen gibt", so Bürgermeister André Wiese auf Nachfrage. Das gelte im Übrigen auch für das Stadtfest.
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