Interview mit Kreislandwirt Willy Isermann zur Düngeverordnung
Strengere Düngeregeln für die Landwirtschaft
(bim). Trotz der massiven Proteste von Landwirten, auch aus Niedersachsen, hat der Bundesrat einer neuen Düngeverordnung zugestimmt, die im Mai in Kraft tritt. Damit sollen Nährstoffe effizienter eingesetzt und die Nitratgehalte in belasteten Teilen des Grundwassers reduziert werden. Die Bauern befürchten durch die neuen Regeln zusätzliche Belastungen und Ernteeinbußen.
Hintergrund: Gemäß eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs wegen unzureichender Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie war es notwendig geworden, dass Deutschland seine Düngevorgaben verschärft. Ansonsten wären Strafzahlungen fällig geworden. Nach intensiven Verhandlungen mit der EU-Kommission hatte die Bundesregierung im Februar eine Verordnung vorgelegt, die nun vom Bundesrat beschlossen wurde.
Bei der Umsetzung der neuen Regelungen will das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Landwirte finanziell unterstützen. Schwerpunkt wird die Förderung von Investitionen in Lagerung, Ausbringungstechnik und Aufbereitung von Gülle im Rahmen eines neuen Bundesprogramms sein. "Das ist im Sinne aller, die sich für sauberes Grundwasser und den Erhalt der regionalen Landwirtschaft einsetzen“, sagt Beate Kasch, Staatsekretärin des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Die jetzt verabschiedete Verordnung sieht u.a. die Absenkung des Düngebedarfs um 20 Prozent im Betriebsdurchschnitt vor, den Einsatz von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar aus organischen Düngemitteln, längere Sperrfristen für die Grünlanddüngung und von Festmist sowie das Verbot der Herbstdüngung zu Winterraps, Wintergerste und Zwischenfrüchten ohne Futternutzung erst ab 1. Januar 2021.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Herausforderungen für die Landwirtschaft hat die EU-Kommission zugestimmt, dass die differenziertere Ausweisung der „roten Gebiete“ wie auch die Anwendung weitergehender Anforderungen an die Düngung in diesen Gebieten erst zum 1. Januar 2021 umgesetzt werden muss. Dabei sind noch weitere Umsetzungsschritte erforderlich, die nun in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet werden müssen. Dazu zählen insbesondere die Erarbeitung von Kriterien zur Ausweisung besonders nitrat- und phosphatbelasteter Gebiete (so genannte rote Gebiete).
Bei der Abgrenzung dieser roten Gebiete sei mit dem Beschluss ein wichtiger Schritt für mehr Fairness, Verursachergerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit erreicht, so die Staatssekretärin. Der Bundesregierung ist es per Verwaltungsvorschrift jetzt möglich, bundeseinheitliche Kriterien in Bezug auf Gebietskulissen und Messstellen in den Bundesländern festzulegen. Das unterschiedliche Vorgehen in den Ländern hatte bei vielen Landwirten zu verständlichen Protesten geführt. Landjugend ist enttäuscht „Nach Monaten der Proteste ist die vorgezogene Entscheidung ein Schlag ins Gesicht der Landwirte. In Anbetracht der aktuellen Situation aufgrund des Coronavirus hätten wir uns mehr Wertschätzung für die deutsche Landwirtschaft und ein anderes Ergebnis zur Düngeverordnung gewünscht, mindestens aber einen Aufschub der Entscheidung, bis sich die aktuelle Lage entspannt“, sagt Lars Ruschmeyer, Sprecher des Agrarausschusses der Niedersächsischen Landjugend. Besonders die Maßnahmen in den roten Gebieten der Nitrat-Kulisse, wie das Absenken des Düngebedarfs um 20 Prozent und das Stickstoff-Düngeverbot von Winterraps, Wintergerste und Zwischenfrüchten ohne Futternutzung im Herbst, seien fachlich nicht akzeptabel.
"Grundwasser ist ein hohes Gut"
Interview mit Kreislandwirt Willy Isermann zur Düngeverordnung
(bim). Die Landwirte sind verärgert über die verschärfte Düngeverordnung und den Zeitpunkt ihrer Verabschiedung. Das WOCHENBLATT bat Kreislandwirt Willy Isermann, der auch Mitglied im Beregnungsverband Harburg ist, um eine Einschätzung.
WOCHENBLATT: Warum kritisieren Landwirte die jetzt verschärfte Düngeverordnung?
Willy Isermann: Wir haben eine gültige Düngeverordnung vom 2. Juni 2017. Seitdem sind nachweislich erhebliche Mengen an nitrathaltigen Düngemitteln eingespart worden. Probleme aus den viehstarken Regionen mit Nährstoffüberschüssen müssen weiter kritisch betrachtet und gelöst werden.
In Niedersachsen sind vor Jahren nur vermutlich nitratgefährdete Brunnen an die EU gemeldet worden, dies holt uns jetzt mit der Ausweisung der "Roten Gebiete" ein. Bei vielen Kontrollbrunnen wird durch Parallelmessungen das Ergebnis angezweifelt. Das heutige Messstellennetz ist unzureichend und muss dringend nachgebessert werden.
WOCHENBLATT: Gibt es aus Ihrer Sicht andere Möglichkeiten, die Bodennitratbelastung zu senken, um das Grundwasser besser zu schützen?
Willy Isermann: Die Nitratobergrenze von 170 Kilogramm pro Hektar kann mit einer guten Fruchtfolge betriebsindividuell gestaltet werden. Probleme werden bei engen Weizenfruchtfolgen zur Erreichung der Bachqualitäten auftreten, hier werden 170 Kilogramm Nitrat nicht ausreichen.
In den "Roten Gebieten" ist eine Reduzierung der Nitratmenge um 20 Prozent gefordert. Mit diesen reduzierten Mengen ist eine pflanzenbedarfsgerechte Düngung nicht möglich. Dies führt zu erheblichen Mindererträgen und Einkommensverlusten.
Durch eine vernünftige Fruchtfolge, bedarfsgerechte Düngung und Zwischenfruchtanbau, der Nitrat bindet, wird das Grundwasser vor Nitatbelastung weitgehend geschützt.
WOCHENBLATT: Wurden durch die Subventionen falsche Anreize geschaffen, indem Betriebe mit großen Flächen oder Monokulturen gefördert wurden?
Willy Isermann: Die Flächenprämien (Subventionen) werden an die Landwirte in der EU gezahlt, um das Ungleichgewicht zum Weltmarkt auszugleichen. Kleine Betriebe wurden in der Flächenprämie eher bevorteilt.
Die überwiegende Mehrzahl der 260.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sind familiengeführte Unternehmen. Auch heute noch gilt der jahrhundertalte Grundsatz, der Boden ist die Existenzgrundlage der nachhaltigen Pflanzenproduktion. Dieses kann generationsübergreifend nur gelingen, wenn nachhaltig bodenschonend gewirtschaftet wird. Das gilt für den Anbau, die Düngung und den Pflanzenschutz sowie eine angepasste Fruchtfolge.
Das Grundwasser ist ein hohes Gut und hat bei der Bewirtschaftung der Böden einen hohen Stellenwert bei den Landwirten.
WOCHENBLATT: Herr Isermann, vielen Dank für Ihre Antworten.
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