Diskussion um Bahnstrecke im Landkreis Harburg
Vorwurf: Ausbau im Bestand wurde gar nicht geprüft
"Ich bin fassungslos, was sich immer wieder an neuen Entwicklungen auftut!" Das sagte Dr. Peter Dörsam, Sprecher des Projektbeirats Alpha-E, am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz zum Dauerthema Alpha-E und Bahn-Neubaustrecke Hamburg-Hannover. Dörsam berichtete zusammen mit dem anderen Beiratssprecher Joachim Partzsch über die Antworten des Eisenbahnbundesamts (EBA) auf eine Anfrage, die der Beirat bereits im vergangenen Juni zum Planungsauftrag für das "Optimierte Alpha-E + Bremen" gestellt hatte. Die Antwort sei schockierend, betonte Dörsam: Es dränge sich der Eindruck auf, "dass hier etwas komplett schiefgelaufen ist und die Öffentlichkeit sowie der Bundestag getäuscht wurden".
Wie mehrfach berichtet, liegt das "Optimierte Alpha-E + Bremen" bereits seit sieben Jahren als Kompromiss zur Stärkung des Schienenverkehrs vor. Es sieht den Ausbau des Schienennetzes an Bestandsstrecken vor. Umgesetzt wurde davon bislang fast nichts, obwohl das "optimierte Alpha-E" Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans 2030 ist. Die Deutsche Bahn hatte zuletzt vier Varianten vorgelegt - zwei Neubaustrecken sowie jeweils eine bestandsnahe und eine bestandsfernere Ausbauvariante. Dabei hatte das Unternehmen betont, eine Neubaustrecke entlang der A7 zu favorisieren. Dagegen gibt es massiven Widerstand von Seiten des Landkreises Harburg und verschiedener Bürgerinitiativen.
Dörsam und Partzsch werfen der Deutschen Bahn vor, dass es offenbar gar keinen Auftrag zur Prüfung des Ausbaus der Bestandsstrecken gegeben hat. Das sei aber ein elementarer Punkt beim "optimierten Alpha-E". Stattdessen würden die Planungen für eine Neubaustrecke forciert und das mit dem Deutschlandtakt begründet, für den die Fahrzeit zwischen Hamburg und Hannover angeblich auf unter eine Stunde gedrückt werden müsse. "Das ist ein schlichtweg erfundener Grund", kritisierte Dörsam. Nur der Sprinterzug ohne Halt in Harburg schaffe die Strecke Hamburg-Hannover in 59 Minuten. Zudem habe ihm ein Gutachter bestätigt, dass der Hauptbahnhof in Hamburg auf absehbare Zeit gar nicht zu einem Knotenpunkt für den Deutschlandtakt werden könne. Zunächst müsse der Bahnhof ausgebaut werden. Das werde noch dauern.
Dörsam kritisiert zudem, dass in den aktuell vorliegenden Planungen bereits mindestens 45 Kilometer Neubaustrecken z.B. in den Abschnitten zwischen Radbruch und Deutsch Evern sowie Bienenbüttel und Suderburg vorgesehen seien. "Das ist unglaublich, weil das im Bundeswegeplan gar nicht vorgesehen ist." Dörsams Vermutung: Durch die dadurch entstehenden Mehrkosten gaukele die Deutsche Bahn eine angebliche Unwirtschaftlichkeit des im Kompromiss vorgesehenen Streckenausbaus vor, um ihr eigentliches Ziel, die Neubaustrecke, umsetzen zu können.
Für Dörsam und Partzsch bleiben mehrere Fragen, die dringend einer Antwort bedürften:
Wer formuliert üblicherweise Aufträge für große Schienenprojekte, wer bringt sie auf den Weg und wer kontrolliert die Umsetzung? Entspricht die sich aus dem Planungsauftrag ergebende Praxis den Erwartungen des Bundesverkehrsministeriums?
Ist es zulässig, dass „die Arbeitsebene“ einen Auftrag erteilt, der den gesetzlichen Auftrag konterkariert, welcher sich für alle Vorhaben des Bedarfsplans Schiene aus dem Bedarfsplan im Zusammenhang mit der Bewertung des jeweiligen Vorhabens im Bundesverkehrswegeplan ergibt?
Welche Informationen hat der jeweilige Bahnbeauftrage der Bundesregierung bzw. der Verkehrsminister über diese Vorgänge und wie bewertet er sie?
Für Peter Dörsam und Joachim Partzsch steht fest: Das Thema wird die Öffentlichkeit in den kommenden Monaten noch intensiv beschäftigen - unvorgesehene Wendungen inklusive. (os).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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