Reiserecht in Corona-Zeiten

Unbeschwerter Urlaub - danach sehnen sich viele Menschen trotz der Beschränkungen durch die Corona-Krise  | Foto: djd_metavirulent
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(os/nw). Die Bundesregierung hat ab Montag, 15. Juni, die Reisewarnung für 33 europäische Länder aufgehoben. Vielen Urlaubern stellt sich wegen der Coronavirus-Krise gleichwohl die Frage, ob die gebuchte Reise wie geplant durchgeführt werden kann. Für das WOCHENBLATT hat Rechtsanwalt Dr. Florian Schaal vom Büro Kis-legal in Winsen die rechtlichen Auswirkungen aufbereitet.


Pauschalreise

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht bei der Buchung einer Pauschalreise das Recht des Reisenden vor, bis unmittelbar vor Reiseantritt vom Vertrag zurückzutreten. Der Anbieter verliert in diesen Fällen seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, kann aber eine angemessene Entschädigung verlangen. Hierbei handelt es sich um die für gewöhnlich in den Allgemeinen Reisebedingungen vereinbarten Stornierungskosten. Diese variieren je nach Zeitpunkt des Rücktritts und können in Ausnahmefällen bis zu 100 Prozent des Reisepreises betragen.
Der Veranstalter verliert seinen Anspruch auf Entschädigung, wenn am Ziel der Reise sog. außergewöhnliche Umstände auftreten, die eine Durchführung der Reise verhindern. Bislang war eine vom Auswärtigen Amt ausgesprochene Reisewarnung stets ein starkes Indiz für das Vorliegen solch außergewöhnlicher Umstände.
Im Zusammenhang mit dem Corona-Virus ist dies der Fall, wenn das Zielland beispielsweise die Einreise unmöglich macht, das Hotel geschlossen ist oder die Flüge in das Zielland ausfallen. Aufgrund der bis 14. Juni bestehenden weltweiten Reisewarnung ist davon auszugehen, dass die Veranstalter bei Rücktritt durch den Reisenden vor Reisebeginn bei unmittelbar bevorstehenden Reisen (Reiseantritt innerhalb der nächsten vier Wochen) keinen Anspruch auf Entschädigung haben. Ob dennoch ein kostenfreies Rücktrittsrecht besteht, ist im Einzelfall zu prüfen. Für alle anderen Länder gilt oben gesagtes.
Wenn die Reise durch den Reiseveranstalter abgesagt wird, handelt es sich um eine einseitige Vertragskündigung des Veranstalters. In diesem Fall hat der Reisende Anspruch auf Erstattung des Reisepreises. Gutscheine oder Umbuchungen auf spätere Zeitpunkte muss der Reisende nicht annehmen.
Bei Kreuzfahrten handelt es sich überwiegend um Pauschalreisen, weshalb hierfür das Vorgenannte gilt.


Individualreise

Bei der Annullierung eines Fluges durch die Fluggesellschaft hat der Passagier stets Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten. Ob darüber hinaus auch ein Entschädigungsanspruch nach der sog. Fluggastrechteverordnung in Höhe von 250 bis 600 Euro besteht, ist einzelfallabhängig. Sollte der Flug einzig aus betriebswirtschaftlichen Gründen annulliert worden sein, dürfte die Entschädigung zu leisten sein.
Für Hotelbuchungen gelten innerhalb Europas unterschiedliche Regelungen. Einige Länder lassen eine kostenfreie Stornierung bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu. Hier hilft ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Hotels. Für Deutschland besteht eine derartige Regelung nicht. Gleichwohl zeigen sich viele Hoteliers kulant und nehmen kostenfreie Stornierungen vor. Wurde und wird die Beherbergung von Touristen durch Rechtsverordnung der Bundesländer untersagt, kann die bereits erfolgte Zahlung zurückgefordert werden.


Versicherung hilfreich?

Einige Urlauber haben im Rahmen der Reisebuchung eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Diese sichert allerdings nur das individuelle Risiko des Reisenden ab, die Reise aus Gründen von Unfällen oder (schweren) Krankheiten nicht antreten zu können. Handelt es sich um eine Erkrankung mit dem Corona-Virus, sind zudem die Versicherungsbedingungen genauestens zu prüfen. Einige Versicherer schließen Pandemien und oder Epidemien vom Versicherungsschutz aus. Es ist stets eine ärztliche Reiseunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.


Insolvenz des Reiseveranstalters

Wird der Veranstalter vor oder während der Reise zahlungsunfähig, hat dies unterschiedliche Auswirkungen. Ist die Reise bereits angetreten, hat der Reisende einen Anspruch auf Rücktransfer. Noch nicht angetretene Reisen werden abgesagt.
Sämtliche Pauschalreisen sind durch eine Insolvenzversicherung abgedeckt. Diese übernimmt im Falle der bereits angetretenen Reise den Rücktransport. Das Beispiel Thomas Cook aus dem September 2019 hat jedoch gezeigt, dass die Deckungssumme für große Veranstalter nicht ansatzweise ausreicht, um sämtliche Rückzahlungsansprüche zu bedienen.

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Rechtsanwalt Dr. Florian Schaal  | Foto: KIS-legal
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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