Abzocke in Apensen
Verwaltung und Politik melden sich zu Wort

1.022 Euro kostet das 20 Quadratmeter große Zimmer in Apensen, das sich zwei Ukrainerinnen teilen | Foto: Henry Schönfeld
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sla. Apensen. Zu der Abzocke für eine Flüchtlingsunterkunft in Apensen (das WOCHENBLATT berichtete) nahm Edgar Rot als allgemeiner Stellvertreter der Samtgemeinde-Bürgermeisterin Petra Beckmann-Frelock jetzt Stellung: Es handele sich nicht um ein Mietverhältnis, sondern um Benutzungsgebühren in einem öffentlich-rechtlichen Charakter. Zudem sei es eine Obdachlosenunterbringung, da im Rahmen des Ordnungsrechts und der Gefahrenabwehr sämtliche Flüchtlinge und Vertriebene in Unterkünfte im Rahmen der Obdachlosigkeit eingewiesen werden.

Den Höchstbetrag von 511 Euro pro Bewohnerin für das 20-Quadratmeter-Zimmer begründet Rot wie folgt: "Wir haben keine belastbaren Zahlen, die eine abschließende Kalkulation zulassen, da wir in der Vergangenheit die Situation mit Leistungsbeziehern und Selbstzahlern nicht hatten." Man habe sich an den Höchstsätzen des Jobcenters orientiert, zumal der Samtgemeinde Apensen Aufwendungen wie Personalkosten, Raumkosten, Bewirtschaftungskosten und Unterhaltungskosten entstünden. Inwiefern die Beträge den Aufwand decken kann erst nach einer Periode betrachtet werden.

Sollte es zum Ergebnis kommen, dass Überschüsse erzielt werden, werden diese im Rahmen der Abrechnung erstattet. Keinesfalls soll der Eindruck entstehen, dass hier Gewinne erzielt werden sollen. "Wir handeln als Kommune im Rahmen der Wohlfahrtsmaximierung und das Ziel in diesem Bereich ist die Kostendeckung."

Man stünde im Kontakt mit dem Jobcenter und dem Landkreis Stade, um die Situation erneut zu betrachten und eine gemeinsame Lösung zu erzielen. "Auch wir wissen, dass diese Situation unbefriedigend ist", so Rot.

"Wir stehen im Kontakt mit dem Jobcenter und dem Landkreis Stade, um die Situation erneut zu betrachten und eine gemeinsame Lösung zu erzielen", sagt Rot. Er weist außerdem darauf hin, dass die Satzung vom Rat der Samtgemeinde Apensen beschlossen wurde.

"Wir haben die Satzung zwar beschlossen, fühlen uns aber über den Tisch gezogen, weil wir nicht umfassend informiert wurden", sagt der Grünen-Politiker Peter Löwel. Er denkt, dass nun eine außerordentliche Sitzung einberufen werden muss.

Fazit: Schuld sind anscheinend immer die anderen. Doch egal, wie man es nennt, ob Miete oder Benutzungsgebühr, ob Flüchtlings- oder Obdachlosenunterkunft - Fakt ist, dass zwei junge Ukrainerinnen die Hälfte ihres Verdienstes für die Unterkunft zahlen sollen.

Grotesk: Wenn die beiden Frauen verwandt oder ein Paar wären, müssten sie lediglich rund 600 Euro statt 1.022 Euro für das 20-Quadratmeter-Zimmer zahlen. Doch das hat keiner Henry Schönfeld, der sich um die beiden Ukrainerinnen kümmert, bei seiner Nachfrage zur hohen Zahlungsforderung bei der Samtgemeinde Apensen oder beim Jobcenter mitgeteilt.

Übrigens: Auch für die anderen ukrainischen Bewohner kassiert die Samtgemeinde Apensen für ihre Unterkünfte den Höchstbetrag der "Benutzungsgebühr" vom Jobcenter.

1.022 Euro kostet das 20 Quadratmeter große Zimmer in Apensen, das sich zwei Ukrainerinnen teilen | Foto: Henry Schönfeld
Edgar Rot, Vizechef im Apensener Rathaus | Foto: wd
Redakteur:

Susanne Laudien aus Buxtehude

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1 Kommentar

Leserreporter
Lars Keck aus Fredenbeck
am 31.07.2022 um 09:20

Ich bin schockiert. Kann es wirklich sein, das Menschen in Deutschland für ihr Dach über dem Kopf Miete zahlen müssen, unabhängig ob Flüchtling oder nicht? Und dann auch gleich für eine möblierte Unterbringung 10€/Nacht/Person + Nebenkosten? Dem sollte man mal grundsätzlich nach gehen, hier tut sich wohl ein enormer Skandal auf. Aber zum Glück gibt es ja die freie Wohnungswahl, und wenn Einem etwas nicht gefällt, kann er sich ja etwas anderes suchen. Über die Gesamtkosten von Flüchtlingsunterkünften kann man sich lange unterhalten. Es würde mich wundern, wenn Apensen feststellen würde, dass das Heim auch nur ansatzweise kostendeckend betrieben werden kann.