Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Polizeieinsatz bei Privatfeier: Kai Wedler durch Bodycamaufnahme entlastet
os. Buchholz. Die Polizeimeldung vom 15. Juni über den Einsatz bei einer privaten Feier in Buchholz klang eindeutig: "Beim Versuch (der Polizisten, d. Red.), das Gebäude zu betreten, lief plötzlich ein 57-jähriger Mann drohend aus der sich öffnenden Eingangstür heraus auf einen Beamten zu und schlug ihm gegen den Oberkörper. Im Abwehren des Schlages kamen beide zu Fall und verletzten sich jeweils leicht. Der 57-Jährige wurde vorläufig festgenommen." Gegen ihn seien Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs auf Polizeivollzugsbeamte sowie Körperverletzung eingeleitet worden.
Seit vergangener Woche steht fest: Kai Wedler, er ist der in der Meldung genannte 57-Jährige, muss sich nicht vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Stade hat das Ermittlungsverfahren gegen den Dachdeckermeister aus Buchholz nach Paragraph 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt. Darin ist geregelt, dass die Staatsanwaltschaft genau das tun muss, wenn es keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage gibt. Offensichtlich trifft kein einziger der Vorwürfe zu, den ein an dem Einsatz beteiligter Polizist in seiner Strafanzeige gegen Kai Wedler erhoben hat.
"Der Einsatz war richtig heftig. Ich halte ihn für absolut übertrieben", erinnert sich Wedler. Er hatte rund 40 Mitarbeiter und Freunde zu einer privaten Feier in seinen Betrieb im Gewerbegebiet II Vaenser Heide eingeladen. Wedler nutzt die Räume regelmäßig für Partys. "Ganz Buchholz weiß, dass wir hier feiern", sagt Kai Wedler. Er habe darauf geachtet, dass die Gäste die Corona-bedingten Abstände halten, u. a. dadurch, dass die Besucher in zwei verschiedenen Gebäudeteilen zusammensaßen, berichtet Wedler. Gegen 22.40 Uhr wurde die Feier jäh unterbrochen: Zahlreiche Polizisten sowie Einsatzhunde standen vor der Tür, laut Polizeimeldung, um "nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt des Landkreises" die Feier wegen Verstoßes gegen die Corona-Regeln aufzulösen und die Personalien aller Anwesenden für die Nachverfolgung möglicher Infektionsketten zu erheben.
Wedler versuchte nach eigenen Angaben, die Lage zu deeskalieren. Darauf seien die Polizisten nicht eingegangen, im Gegenteil: Der Dachdeckermeister fand sich in Handschellen wieder, die ihm erst nach 90 Minuten wieder abgenommen wurden. Auf mehrfache Nachfrage, was genau der Grund für den Einsatz war, habe er keine Antwort bekommen.
Wedlers Glück war, dass der Polizeieinsatz von einer Bodycam - einer am Körper angebrachten Kamera - aufgezeichnet wurde. Diese soll normalerweise das Fehlverhalten eines Straftäters zeigen. In diesem Fall entlastet sie offensichtlich Kai Wedler. Die Staatsanwaltschaft fand in zwei Videos, die in der Strafanzeige eines Polizisten gegen Kai Wedler als Zeugnis von Wedlers Fehlverhalten dienen sollten, keinen einzigen Hinweis auf eine strafbare Handlung des Buchholzers. Deshalb sei das Ermittlungsverfahren zwingend einzustellen.
Kai Wedler vermutet hinter dem Einsatz ein Druckmittel durch die Ordnungsbehörden. Seit mehreren Jahren befindet er sich mit der Stadt Buchholz im Streit um die regelmäßigen Feiern in seinem Betrieb. Die Polizei habe in der Vergangenheit besonders häufig Kontrollfahrten bei ihm durchgeführt, berichtet Wedler. Er sei in der Vergangenheit einmal verbal mit Polizisten aneinandergeraten, räumt er ein. "Ich habe mich sofort für mein Verhalten entschuldigt", versichert Wedler.
Vor zweieinhalb Jahren klagte Wedler erfolgreich gegen die Stadt Buchholz gegen einen Bußgeldbescheid wegen Ruhestörung. "Ich habe das Gefühl, dass man es mir jetzt mal so richtig zeigen wollte", sagt der Dachdecker. Es sei für ihn reines Glück gewesen, dass der Polizeieinsatz über die Bodycam aufgezeichnet wurde: "Ansonsten hätten die mich fertiggemacht und ich wäre jetzt womöglich vorbestraft. Ich hätte ja keinen Beweis gehabt, dass ich nichts gemacht habe. Ein Hoch auf die Bodycam."
Wedlers Dank geht an seinen Anwalt Jürgen Hennemann. Der Fachanwalt für Haftungs-, Verkehrs- und Versicherungsrecht aus Buchholz hatte bei Auswertung der amtlichen Ermittlungsakte die gravierenden Widersprüche zwischen den darin befindlichen Polizeiberichten und dem Inhalt der Bodycam-Aufnahmen festgestellt. "Statt Fakten wiederzugeben, hatte die Ermittlungsakte eher den Charakter eines Märchenbuchs", betont Hennemann. Er sieht in dem Polizeieinsatz einen gravierenden Anlass, dass sich die Staatsanwaltschaft intern mit dem Vorgehen der Beamten auseinandersetzt. Die Staatsanwaltschaft habe bislang sehr korrekt und sauber gearbeitet, betont Hennemann. Seinem Mandanten habe er empfohlen, keine Strafanzeige gegen die Polizisten zu stellen. Das solle dazu beitragen, dass die seit mehreren Jahren eskalierende Situation endlich befriedet wird.
AUF EIN WORT
Buchholz sollte dankbar sein
Wenn man sich die Protokolle des angeblichen Falls Kai Wedler anschaut, drängt sich der Verdacht auf, dass nicht die angebliche Körperverletzung, sondern andere Beweggründe eine Rolle spielen. Die Stadt Buchholz und die Polizei scheinen einen Grund gesucht zu haben, Kai Wedler einen beizupulen.
Der Dachdeckermeister ist unbequem. Er lässt sich nichts sagen, sondern zieht das durch, was ihm richtig erscheint. Vor allem die Partys sind der Stadt Buchholz ein Dorn im Auge. Jetzt hat es Wedler aber zum zweiten Mal nach 2018 schwarz auf weiß: Wedler bewegt sich innerhalb aller geltenden Regeln. Damals hatte die Stadt Buchholz einen Rechtsstreit über angebliche Ruhestörung verloren, jetzt unterlag der Polizist.
Die Stadt Buchholz, allen voran der als Jurist ausgebildete Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse, sollte Wedler lieber dankbar sein, dass er jungen Menschen einen Raum zum Feiern gibt. Oliver Sander
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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