"Clowndeutsch" oder wichtiges Regelwerk?
Stadt Buchholz verordnet sich Gendern per Leitfaden
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- Welche Gendermöglichkeit ist die beste? Da kann man schonmal ins Grübeln kommen
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Das Gendern zieht in den Alltag der Buchholzer Stadtverwaltung ein: Sie soll künftig im kompletten Schriftverkehr "geschlechtersensible Sprache" verwenden. Einen entsprechenden Antrag der Grünen hat der Stadtrat auf seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich beschlossen. Als Orientierung für den richtigen Sprachgebrauch soll ein "Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache" gelten, den die Gleichstellungsbeauftragten der Städte Winsen und Buchholz, Birthe Gutjahr und Jasmin Eisenhut, erstellt haben.
Vor der Entscheidung, bei der sich elf der 33 anwesenden Ratsmitglieder der Stimme enthielten, gab es eine kurze, heftige Diskussion zum Thema Gendern. Während AfD-Ratsfrau Marina Graul die Gendersprache als "Clowndeutsch" und "ideologischen Populismus" kritisierte, verteidigte Grünen-Ratsfrau Pia Lucienne Schneider den Antrag ihrer Partei. Es habe in Deutschland nie wirklich ein binäres System aus männlichem und weiblichem Geschlecht gegeben. Mit dem Gendern werde das "soziale Geschlecht" ausgedrückt. "Sprache schafft Wirklichkeit", betonte Schneider. Sprache sei nicht nur ein Regelwerk, sondern erfülle einen Zweck, ergänzte SPD-Ratsherr Frank Piwecki. "Sprache kann inklusiv sein oder spalten", sagt er.
Jetzt soll also der "Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache" gelten. Die deutsche Sprache biete zahlreiche Möglichkeiten, niemanden auszugrenzen, schreiben die Autorinnen Gutjahr und Eisenhut. Dazu gehörten z.B. geschlechtsneutrale Ausdrücke wie Ansprechperson, Führungskraft, Mitglied oder Gast sowie Pluralformen wie Studierende, Mitarbeiterschaft oder Pflegekräfte. Weiter empfohlen werden:
Umformulieren: "Auskunft erteilt" statt "Ansprechpartner ist" oder "niemand" statt "keiner"
Doppelnennungen: "Bürgerinnen und Bürger" statt "Bürger"; wahlweise können auch Schrägstriche (Bürgerinnen/Bürger) oder Klammern (Bürger(innen)) verwendet werden
Sonderzeichen: Bürger*innen, BürgerInnen, Bürger_innen, Bürger/innen, Bürger:innen; diese Schreibweisen seien nicht barrierefrei, räumen die Autorinnen ein: Vorleseprogramme könnten die Wortformen nicht korrekt wiedergeben.
Besonderheiten: Bei Wortgruppen sollte die Kurzform vermieden werden: "Wir suchen eine erfahrene Sachbearbeiterin/einen erfahrenen Sachbearbeiter" statt "Wir suchen eine/-n erfahrene/-n Sachbearbeiter/-in".
Das generische Maskulinum, also die durchgehende Nutzung der männlichen Form, sei keine Alternative. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass sich Frauen nachweislich weniger angesprochen fühlten, wenn männlich assoziierte Begriffe wie "der Bürger" oder "der Mitarbeiter" verwendet wurden. (os).
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
Was halten Sie, liebe Leserinnen und Leser, von dem Gendern? Ist es überfällig oder überflüssig? Schreiben Sie uns Ihre Meinung per E-Mail an oliver.sander@kreiszeitung.net (Stichwort: Gendern).
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AUF EIN WORT
Was ist eigentlich mit dem "Bürgergeld"?
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Die Gesellschaft ist stets im Wandel und mit ihr wandelt sich auch die Sprache. Das ist gut so. Mit Teilen des Genderns haben meine Kolleginnen und Kollegen und ich in der WOCHENBLATT-Redaktion kein Problem. Ich schreibe gerne "Bürgerinnen und Bürger" statt "Bürger". Womit ich allerdings ein Problem habe, ist die typisch deutsche Herangehensweise an das Thema: Wir haben in Deutschland derzeit wahrhaft andere Probleme, als uns über Formulierungen wie "Auskunft erteilt" oder "Ansprechpartner ist" zu streiten. Warum muss immer alles mit Vorschriften geregelt werden? Warum vertraut man nicht wie in anderen Ländern darauf, dass sich die gewünschte Sprache von allein durchsetzt?
Ich weiß, der Vergleich ist weit hergeholt, aber vor vielen Jahren gab es auch heftige Diskussionen darüber, ob man am Tag das Licht am Auto einschalten soll. Was geschah? Ganz ohne Zwang schalteten immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer das Licht an, weil sie sich dadurch sicherer fühlten. Die Industrie reagierte auch: Heute wird jedes Neufahrzeug automatisch mit Tagesfahrlicht ausgestattet.
Wo endet eigentlich die Diskussion über das Gendern? Muss Sänger Andreas Bourani seinen Hit umschreiben, weil er doch nur vom "Astronaut" singt und nicht auch von der "Astronautin"? Ist das Gendern bei Buchautorinnen und -autoren überhaupt umsetzbar? Müssen nicht konsequenterweise alle Sportvereine, die anno dazumal als Männerturnvereine (MTV) gegründet wurden, in "Turnendenvereine" (TV) und der Arbeitgeberverband in "Arbeitgebendenverband" umbenannt werden? Und können Frauen und "diverse" Menschen ab dem kommenden Jahr guten Gewissens das "Bürgergeld" entgegennehmen?
Für WOCHENBLATT-Verleger Martin Schrader steht eines fest: Gendern, nein danke! Oliver Sander
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Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz |
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