Diagnose Knochenfraß
Wie ein neues Knie als Maßanfertigung einen Patienten wieder in Bewegung brachte
nw/nf. Buchholz. Ungewöhnlich lange, nämlich 24 Jahre, war Dieter Haase (77) aus Buchholz zufrieden mit seiner Knieprothese. Doch dann kam der Schmerz. Durch eine Operation im Krankenhaus Buchholz und mithilfe einer Maßanfertigung aus dem 3D-Drucker wurde Haase wieder mobil und beschwerdefrei.
Mehr als 50 Jahre spielte der frühere Telekom-Mitarbeiter Fußball bei seinem Verein Buchholz 08. Auch Radfahren und Tennis gehörten zu seinen Hobbys. Irgendwann machte ihm das rechte Knie Probleme. Arthrose hatte sich eingestellt. Haase ließ sich in einem Hamburger Krankenhaus operieren. Er erhielt einen Oberflächenersatz: Die Gelenkflächen von Oberschenkel und Unterschenkel wurden mit Metall überkront. Das Inlay seiner Prothese, das heißt der weiche Anteil zwischen den Gelenkflächen, bestand aus Polyethylen und war frei beweglich.
Wie jedes Material unterliegt Polyethylen einem gewissen Abrieb, der die Immunantwort des Körpers auf den Plan ruft. Der Körper schickt Fresszellen, um die Fremdkörper zu beseitigen. Doch gegen Plastik können Fresszellen nichts ausrichten. Es kommt zu einer permanenten Entzündung, die das Gleichgewicht von Knochenaufbau und Knochenabbau stört und Knochenzellen zugrunde gehen lässt. So war es auch bei Dieter Haase, der irgendwann im Garten umknickte und das Gefühl hatte, in seinem Knie werde ein Reißverschluss aufgezogen. Als Professor Dr. Christian Heinrich Flamme, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im Krankenhaus Buchholz, den Patienten untersuchte, sah er auf dem Röntgenbild ein Stück abgesprengte Kortikalis, das ist die besonders widerstandsfähige Knochenrinde, die das weichere Knocheninnere umgibt. Die Knieprothese saß noch fest. Doch war der Abrieb des Polyethylens durch das mobile Protheseninlay bei jeder Bewegung tief in die Knochenenden hineingedrückt worden. An Ober- und Unterschenkel klafften unter der Prothese tiefe Löcher.
Keine Frage, die Prothese musste entfernt werden. Wie es gelingen könnte, dem Patienten möglichst viel natürliches Knie zu erhalten und trotzdem eine belastbare und stabile Versorgung zu schaffen, war auch für einen erfahrenen Gelenkexperten wie Professor Flamme nicht leicht zu lösen. Flamme wählte eine TEP, eine Totalendoprothese mit langem Schaft, die er tief im Unterschenkel des Patienten verankerte. Die Löcher im Knochen füllte er mit Titan auf, das am 3D-Drucker individuell für Dieter Haase geformt wurde. Titan ist nicht nur abriebfest, sondern hat eine poröse Oberfläche, die sich leicht mit dem Knochen verbindet.
Die Kreuzbänder des Patienten mussten entfernt werden. Doch die beiden Seitenbänder des Knies blieben erhalten und stabilisieren das Gelenk. Deshalb kann Dieter Haase eine ungekoppelte Prothese tragen, die weiterhin die knietypischen Roll-Gleitbewegungen vollzieht und sich nicht nur gut anfühlt, sondern auch maximalen Bewegungskomfort bietet.
Was das bedeutet, zeigt der Patient vier Tage nach der Operation. Lässig lächelnd beugt er das operierte Knie in der Bewegungsschiene auf 90 Grad. „Nur die Muskeln tun etwas weh, wie bei einem Muskelkater“, sagt der Sportsmann, der gleich darauf mit seinen Unterarmgehstützen auf dem Krankenhausflur spazieren geht.
Auch seine neue Prothese enthält Polyethylen. Doch ist dieser Werkstoff inzwischen stärker vernetzt, damit resistenter gegen Abrieb, und außerdem mit entzündungshemmendem Vitamin-E ausgestattet. „Deshalb gehen wir davon aus, dass diese Prothese nicht nur gut einwächst, sondern sehr haltbar sein wird“, erklärt Professor Flamme. Dieter Haase wird es freuen. Denn er plant schon die nächsten Flussradtouren mit seiner Frau, diesmal auf seinem neuen E-Bike.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.