Kredite werden deutlich teurer
Sparkassen-Vorstände über Leitzins-Anstieg und Auswirkungen der Inflation
Die Inflation greift weltweit immer mehr um sich, die Zinsen steigen und das Baugeld wird zunehmend teurer. Über die aktuelle Lage auf dem Finanzmarkt und deren Auswirkungen sprach WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann im Doppel-Interview mit Andreas Sommer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Harburg-Buxtehude, und Michael Senf vom Vorstand der Sparkasse Stade-Altes Land.
WOCHENBLATT: Herr Sommer und Herr Senf, vor dem Hintergrund einer steigenden Inflationsrate erhöhte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) erstmals seit 1994 den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte statt wie sonst um etwa 0,25 Prozentpunkte. Welche Auswirkungen hat sie auf Ihre Sparkassen bzw. auf die Wirtschaft in Deutschland?
Andreas Sommer: Zunächst einmal ist es ja so: Je niedriger der Leitzins, desto besser können sich zum Beispiel Staaten verschulden. Und was für Staaten gilt, gilt auch für Verbraucher. Steigen die Zinsen, verteuern sich die Kredite. Das sieht man bereits an den Bauzinsen, die heute etwa dreimal so hoch sind wie vor einem Jahr. Aber auch die Unternehmen kommen nicht mehr so günstig an Geld für Investitionen. Und das sorgt für Unsicherheit. Die Inflationsbekämpfung ist also eine „Gratwanderung“.
Michael Senf: Die Fed versucht, die Geldmenge und damit die Teuerungsrate in den USA zu steuern, wie die Europäische Zentralbank (EZB) in Europa. Der Ausgleichsmechanismus ist theoretisch der Wechselkurs der Währungen. Und es gibt immer nur einen unmittelbaren Einfluss auf das kurzfristige Zinsniveau. So viel vorweg. Wir werden in diesem Zusammenhang sehr wahrscheinlich ein deutlich höheres Zinsniveau auch in Europa bekommen. Für die Wirtschaft sind Zukunftsaussichten und Realzinsen wichtig, damit Investitionen erfolgen. Der Zinssatz ist dabei nur eine Komponente. Für die Kreditwirtschaft ist grundsätzlich die Zinsmarge wichtig und der Unterschied zwischen kurzen und langen Zinsen. Da ist die aktuelle Situation langfristig besser als in den vergangenen Jahren. Kurzfristig bedeuten steigende Zinsen Kursverluste bei festverzinslichen Wertpapieren. Die Zukunftserwartungen sind in den Branchen unserer Kunden sehr unterschiedlich.
WOCHENBLATT: In welche Richtung entwickelt sich das Kreditgeschäft derzeit bei Ihnen?
Sommer: Die Kreditnachfrage im privaten Wohnungsbaugeschäft ist weiterhin auf einem hohen Niveau. Der Wunsch nach Eigentum ist ungebrochen. Im Firmenkundenbereich stellt sich die Lage etwas anders dar. Die Kreditnachfrage wird aktuell durch mehrere Komponenten geschwächt, vor allem schwer kalkulierbare Preise und Lieferengpässe sorgen für einen Nachfragerückgang bei Finanzierungen. Investitionen werden daher teilweise zurückgestellt. Es ist eine gewisse Unsicherheit zu spüren, die sich nach unserer Einschätzung stärker auf den Nachfragerückgang auswirkt als der alleinige Zinsanstieg.
Senf: Die Kreditnachfrage ist (noch) gut. Zukunftsaussichten (s.o.) und Planbarkeit (Kosten und Termine durch Material- und Personalengpässe) bestimmen unsere Kundengespräche auch mit.
WOCHENBLATT: Die wachsende Inflation und steigende Zinsen führen unter anderem dazu, dass Baugeld bzw. Hypotheken immer teurer werden. Wie reagieren Ihre Kunden darauf? Wie können Sie und/oder Politik hier gegensteuern?
Sommer: Wie schon beschrieben, ist der Wunsch nach Eigentum weiterhin hoch, auch aufgrund der steigenden Mieten. Bezüglich der Zinsen für Baugeld orientiert sich die Sparkasse an der Marktentwicklung und erarbeitet mit den Kunden gemeinsam individuelle und passende Finanzierungslösungen, unter anderem unter Einbindung staatlicher Förderprogramme.
Senf: Aus meiner Sicht geht es dabei auch um die Frage "Bleibt die Wohneigentumsbildung bezahlbar?“. Im langfristigen Verlauf sind die Zinsen noch immer niedrig. Und für die Bezahlbarkeit von Wohnen ist das Budget entscheidend. Eine Würdigung von Baukosten, Baunebenkosten und laufenden Wohnnebenkosten ist wichtig. Sparkassen können im Rahmen der Beratung über Förderprogramme und Finanzierungsstrukturen helfen, Planungssicherheit für Bauherren zu schaffen. Ein Beispiel: Energieeffiziente Maßnahmen erhöhen die Investitionskosten, senken aber die Nebenkosten im Betrieb.
Die Politik kann und muss einen verlässlichen Rahmen schaffen und kann über Förderung Anreize setzen. Aber wichtig ist: Verlässlichkeit.
WOCHENBLATT: Welche Prognosen stellen Sie, was die Entwicklung der Inflation und der Finanzmärkte bis Ende dieses Jahres angeht?
Sommer: Es hat sich die Erkenntnis verfestigt, dass sich die Konjunktur schwächer entwickeln wird, während die Inflation längere Zeit auf höherem Niveau verharrt. Deshalb hat es an den Finanzmärkten in diesem Jahr schon massive Bewegungen gegeben.
Und es gibt weiterhin viele Unwägbarkeiten: die Corona-Pandemie – derzeit vor allem mit Blick auf China und die aus den dortigen regionalen Stillständen resultierende Lieferkettenproblematik – und leider auch weiterhin der Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Daneben hat der geldpolitische Kurswechsel der Notenbanken maßgeblich dazu beigetragen, dass wir im Jahr 2022 eine Neuorientierung an den Finanzmärkten erleben. Nachdem die USA jetzt schon aktiv geworden ist, sind in der zweiten Jahreshälfte 2022 Leitzinserhöhungen auch in Europa zu erwarten.
Bevor sich also neue belastbare Trends an den Finanzmärkten ausbilden, ist über den Sommer mit geo- und geldpolitischen Unwägbarkeiten und daher auch mit erheblichen Marktschwankungen zu rechnen.
Senf: Eine Detailprognose ist in unsicheren (Krisen-)Zeiten schwierig. Da schauen wir auch auf die Wirtschaftsforschungsinstitute und unsere Deka, dem Wertpapier-Dienstleister der Sparkasse. In der Tendenz wird die Inflation weiter deutlich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent pro Jahr liegen, und die Wertpapiermärkte bleiben volatil, das heißt, wir sehen weiter hohe Schwankungen in kurzen Abständen.
WOCHENBLATT: Inwieweit wirkt sich der Ukraine-Krieg hierzulande auf die Zinsen auch für Immobilienkredite aus?
Sommer: Indirekt. Lieferengpässe und Rohstoffmangel befeuern die Inflation. Darauf reagieren die Zentralbanken mit Zinserhöhungen. Konkret abgrenzbar sind die Auswirkungen nicht.
Senf: Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang. Der Krieg hat eher direkte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Gütern und Lieferketten und damit auf das Preisniveau.
WOCHENBLATT: Herr Sommer und Herr Senf, vielen Dank für das Gespräch.
• Das komplette Interview können Sie unter www.kreiszeitung-wochenblatt.de lesen
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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