Stephan Schmidt will dem Niedergang des Einzelhandels entgegentreten
"Wir brauchen ein neues Wir-Gefühl"

Stephan Schmidt: "Der jetzige Weg ist 
nicht der richtige"
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os. Buchholz. An manchen Tagen erzielt er in seinem kleinen Ticket-Geschäft im Buchholzer Einkaufszentrum Buchholz Galerie genau null Euro Umsatz, berichtet Stephan Schmidt (55). Das sei natürlich nicht Usus, verdeutliche aber ein Problem, an dem viele Einzelhändler in ganz Deutschland leiden: Immer weniger Menschen finden den Weg in die Geschäfte, die Umsätze sinken bei gleichbleibend hohen Kosten. "Viele Einzelhändler arbeiten nur noch gegen die Kosten an", betont Stephan Schmidt. Miete und die Abgaben u.a. für die IHK und die Berufsgenossenschaften seien für immer mehr Handeltreibende eine zu hohe Belastung. Schmidt geht bewusst den Weg in die Öffentlichkeit, um aufzurütteln.
Für ihn gibt es viele Akteure, die das Problem des schleichenden Tods der Innenstädte lösen können - und zwar gemeinsam: Er nennt die Vermieter, die Banken, die Bevölkerung, die Politik und die Einzelhändler selbst. "Wir alle leben zusammen in einer Stadt, und keinem ist gedient, wenn die Einzelhändler aufgeben müssen", erklärt der gebürtige Wilhelmshavener.
Die Vermieter müssten die Dramatik der Lage erkennen und nicht den letzten Euro aus den Mietverträgen herauspressen, appelliert Schmidt. Die Banken sollten den Einzelhändlern mehr Kredite für Investitionen oder die Zwischenfinanzierung zur Verfügung stellen. "Leider sind wir Einzelhändler bei Banken im Ranking ziemlich weit hinten", berichtet Schmidt. Die Kunden könnten sich überlegen, ob sie wirklich so viele Waren im Internet bestellen müssen. Die Bestellung per Knopfdruck sei zu einfach geworden. "Und so lange man dann für Rücksendungen nichts bezahlen muss, wird sich an dem Verhalten wenig ändern", sagt Schmidt. Womit er bei der Politik ist, denn diese könne die Regeln für Rücksendungen ändern. Zudem sähe es Schmidt gerne, wenn Initiativen von Einzelhändlern von Politik und Verwaltungen unterstützt und nicht behindert würden. Er nennt als Beispiel den Versuch, vor seinem Geschäft an einer Hauptverkehrsstraße auf dem breiten Geh- und Radweg Grünkübel aufzustellen. "Das ist abgelehnt worden, weil angeblich Kabel im Boden nicht überbaut werden durften", erinnert sich Schmidt. Grundsätzlich solle die Gestaltung der Außenflächen nicht so rigoros gehandhabt werden wie bisher, fordert der 55-Jährige, der für ein paar Jahre Vorsitzender des Buchholzer Werbekreises war.
Den Hauptanteil zur Verbesserung der Situation sieht Stephan Schmidt bei den Einzelhändlern selbst. Viele wurschtelten allein vor sich hin, anstatt die Menschen durch gemeinsame Aktionen in die Geschäfte zu ziehen. "Wir brauchen ein neues Wir-Gefühl", sagt er. Die Inhaber müssten zudem überlegen, welchen Mehrwert sie den Kunden gegenüber dem Internet bieten können - das könne zum Beispiel die Erstattung der Parkgebühren sein. Schmidt selbst will in seinem Hauptgeschäft zusätzlich ein Lesecafé mit hoher Aufenthaltsqualität etablieren - mit besonders leckerem Kaffee und der Möglichkeit, ein Buch aus der großen Schmidt'schen Bibliothek zu lesen oder mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Für die Buchholzer Innenstadt bringt Schmidt, der sich in der Musikszene wie kaum ein Zweiter auskennt - u.a. durch seine 16.000 Werke umfassende Plattensammlung -, den Bau einer permanenten Bühne für Musik und Kleinkunst ins Gespräch. "Wenn die Menschen wissen, dass es in Buchholz immer ein Programm gibt, würden sie häufiger den Weg in die Innenstadt finden", ist er sicher. Stattdessen sei die Innenstadt häufig bereits ab 18 Uhr wie ausgestorben.
Er habe als Einzelhändler bestimmt nicht immer alles richtig gemacht, sagt Schmidt. "Ich habe aber immer versucht, etwas zu verändern", berichtet er. So will er es auch dieses Mal tun: "Leider sind viele Kollegen und Kunden schwer zu überzeugen, dass der jetzige Weg nicht der richtige ist."
• In der Hansestadt Stade hat man das Problem längst erkannt. Wie mehrfach berichtet, sollen mithilfe eines neuen Einzelhandelskonzeptes, das derzeit erarbeitet wird, Versorgungslücken, Leerstände und der Fachmärktebesatz ermittelt werden. Zudem laufen Kunden- und Händlerbefragungen. Händler und Kaufleute können mittels eines Onlinepräsenzchecks auch kostenlos überprüfen lassen, wie gut sie im Netz aufgestellt sind. "Wir wollen herausfinden, wo wir als Einkaufsstadt stehen und wie unsere Einzelhändler auch online optimal mit der Konkurrenz mithalten können", sagt Stades Wirtschaftsförderer Thomas Friedrichs. Es gibt zudem die Idee, zur Stärkung der Innenstadt sogenannte Business Improvement Districts zu schaffen.
In Buxtehude laufen zwei Projekte an, die das Bild der Innenstadt nachhaltig positiv verändern werden: Der Petri-Platz in der Altstadt wird umgestaltet und für die Bahnhofstraße soll es eine Ideensammlung von Profis für eine Neugestaltung geben.

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Wie sehen Sie die Entwicklung? Befürchten Sie auch ein Aussterben der Innenstädte oder sagen Sie: Die Einzelhändler haben an der jetzigen Situation eine gehörige Mitschuld?
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Stephan Schmidt: "Der jetzige Weg ist 
nicht der richtige"
Stades Wirtschaftsförderer Thomas Friedrichs | Foto: Stadt Stade
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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