Bei Recherchen für eine Dorfchronik stießen Asper Bürger auf vergessene NS-Opfer in der Samtgemeinde Fredenbeck
Toten in der Samtgemeinde Fredenbeck ihre Namen wiedergeben
sb. Aspe/Mulsum. "Wir wollen den Opfern ihre Namen wiedergeben", sagt Debbie Bülau. Die Geschichtsinteressierte aus Aspe hat gemeinsam mit Heinz Rörup aus Mulsum, Hermann Ropers aus Aspe und Reiner Klintworth aus Helmste bei der Samtgemeinde Fredenbeck Anträge gestellt, die ans Herz gehen. Sie wollen auf den Friedhöfen in Groß Aspe, Essel, Kutenholz, Deinste und Helmste sowie am Mulsumer Bahnhof Namensplatten und Erinnerungsstelen aufstellen. Damit soll mehreren Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden. Der Antrag ist am Mittwoch, 26. August, Thema auf der Sitzung des Friedhofsausschusses der Samtgemeinde Fredenbeck. Die Ausschussmitglieder treffen sich um 18 Uhr im Fredenbecker Rathaus.
Alles begann bereits vor mehreren Jahren, als sich Bürger zusammenfanden, um für das Geestdorf Aspe eine Chronik zu schreiben. Bei ihren Recherchen stießen Debbie Bülau und Hermann Ropers auch auf Opfer der Nazis in ihrer Heimatregion. "Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, dass es auch hier vor Ort solche schlimmen Vorfälle gab", sagt Debbie Bülau. "Deshalb halten wir diese Gedenktafeln gerade 75 Jahre nach Kriegsende für wichtig und aktuell." Die Antragsteller nennen u.a. folgende Vorkommnisse:
• Am 20. April 1945 fuhr ein Zug mit KZ-Häftlingen im Bahnhof von Mulsum ein. Englische Militärflieger hielten den Konvoi für einen Militärtransport und beschossen den Zug. Dabei kamen 13 Häftlinge ums Leben und es gab viele Verletzte.
• In Kutenholz fuhren kurz vor Kriegsende zwei britische Panzer auf Minen, bei der Explosion starben acht britische Soldaten. Hier bewies Debbie Bülau einen besonderen Spürsinn. Denn einer der getöteten Soldaten, Robin Tudsbery, ist Namensgeber einer Stiftung in Schottland. "Dort war zwar bekannt, dass Tudsbery in Deutschland gefallen war, aber nicht, wo genau", erzählt Debbie Bülau. Sie stellte der Stiftung u.a. ihre Recherche-Ergebnisse wie Sterbeurkunde und Todesort zur Verfügung und ist seitdem mit den Schotten in regem Austausch. "Als Dank habe ich eine Einladung nach Edinburgh bekommen - irgendwann nach Corona", freut sie sich.
• In Deinste wurden 1944 das verstorbene Kind einer Zwangsarbeiterin und kurz vor Kriegsende ein polnischer Zwangsarbeiter, der bei einer Munitionsentschärfung starb, bestattet. Obwohl die Gräber dauerhaftes Ruherecht hatten, wurden sie aufgelöst. Hier sollen zwei Namensplatten an die Verstorbenen erinnern und eine zusätzliche Infotafel angebracht werden.
• Am russischen Ehrenmal der sieben verstorbenen Kriegsgefangenen auf dem Friedhof Helmste soll zur Erklärung eine Infotafel aufgestellt werden.
• In Essel wurde zu Kriegszeiten die Tochter einer Zwangsarbeiterin bestattet. Obwohl das Grab ein dauerhaftes Ruherecht hatte, wurde es Mitte der 1950er Jahre aufgelöst. Eine Namensplatte soll an das Kind erinnern.
• Auf dem Friedhof in Kutenholz sollen zwei Namensplatten an einen französischen Kriegsgefangenen sowie einen französischen KZ-Häftling erinnern. Letzterer kam beim Todesmarsch, der durch Kutenholz führte, ums Leben.
• Der Friedhof in Aspe soll u.a. eine Namensplatte erhalten, die an ein Euthanasieopfer erinnert. Der Asper Mann wurde im März 1941 vergast.
Mit ihrem Antrag auf Aufstellung von Gedenktafeln und -stelen liefen Bülau, Ropers, Rörup und Klintworth bei den Gemeinden sowie der Samtgemeinde Fredenbeck offene Türen ein. Das Projekt hat gute Chancen auf Durchführung - vor allem, weil der Öffentlichkeit keine Kosten entstehen. Denn es wurde ein Spender gefunden, der sämtliche Kosten übernehmen will. Namentlich möchte der Geldgeber nicht genannt werden. Geplant ist, bei Einzelpersonen ein Steinkissen mit den persönlichen Daten abzulegen. Ab drei Opfern soll eine Stele aufgestellt werden und es soll Infotafeln geben. Die Form der Erinnerungstafeln und Stelen soll sich an den Vorgaben der Deutschen Kriegsgräberfürsorge orientieren. Das Projektteam bedankt sich sehr herzlich bei der Gedenkstätte Lager Sandbostel und bei der Kriegsgräberfürsorge für die intensive Unterstützung bei der Recherche sowie beim anonymen Spender für sein großzügiges Engagement.
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