Beim Klärschlamm ist vieles ungeklärt
(jd). Abwassergebühren werden steigen, wenn die zähflüssige Masse nicht mehr auf den Feldern entsorgt werden darf.
Wohin nur mit der ganzen Schei...? Dieser Stoßseufzer dürfte derzeit so manchem Klärwerksbetreiber in Niedersachsen über die Lippen kommen. Nachdem der grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer die Herbstdüngung erheblich eingeschränkt hat, darf auch Klärschlamm ebenso wie Gülle ab September nicht mehr auf den Feldern verteilt werden. Doch vielen Klärwerken fehlt der Platz, um die dicke schwarzbraune Brühe zwischenzulagern. Ein Beispiel ist Harsefeld. Dort soll jetzt für 700.000 Euro eine Schlamm-Entwässerungsanlage installiert werden, um das Volumen auf ein Viertel zu reduzieren. Dadurch steigen die Abwasserkosten. Der Dumme ist dann wieder der Bürger, der am Ende höhere Gebühren zahlen muss.
"Als Alternative kommt nur die erheblich teurere Verbrennung in Frage", sagt Harsefelds Rathauschef Rainer Schlichtmann. Doch dafür sei zuvor die Entwässerung des Klärschlamms erforderlich, um Transportkosten zu den Verbrennungsanlagen in Hamburg oder Bremen zu reduzieren und die Lagerkapazitäten besser auszunutzen.
"Niedersachen strebt mittelfristig den Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Nutzung von Klärschlamm an", verkündete unlängst die Agrar-Staatssekretärin Almut Kottwitz (Grüne). Immerhin werden zwischen Elbe und Ems rund Zweidrittel der jährlich anfallenden 200.000 Tonnen Klärschlamm landwirtschaftlich als Dünger "verwertet".
Bundesweit liegt die Quote bei 30 Prozent. Niedersachen nimmt sich offenbar das grün-rot regierte Baden-Württemberg zum Vorbild. Im "Ländle" wird der Klärschlamm inzwischen fast ausschließlich verbrannt. Diese sogenannte thermische Behandlung soll künftig nur noch die einzige zulässige Entsorgungsmethode für Klärschlamm sein.
Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens sind in der zähflüssigen Masse Schwermetalle enthalten, die bei einer Düngung in den Boden gelangen und sich dort anreichern. Und zweitens soll aus der Asche künftig der Rohstoff Phosphor gewonnen werden. Denn Klärschlamm ist stark mit diesem für Pflanzen lebenswichtigen Dünger angereichert. Da die weltweiten Phosphorvorkommen langsam zur Neige gehen, soll diese "Mangelware" nun verstärkt recycelt werden. Doch die technischen Verfahren sind noch lange nicht ausgereift.
Daher hält Schlichtmann die landwirtschaftliche Verwertung des Klärschlamms nach wie vor für die beste und billigste Methode des Nährstoffrecyclings: "Die Landwirte erhalten gratis einen hochwertigen Dünger, in dem viel kostbarer Phosphor steckt. Die Schadstoffe in dem Schlamm lägen weit unter den Grenzwerten. Die "kläranlagennahe" Ausbringung auf dem Acker sei am umweltfreundlichsten, so Schlichtmann.
Mit dieser Auffassung liegt Schlichtmann ganz auf der Linie des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), dessen Vizepräsident er ist. "Klärschlamm - ein wertvoller Dünger", heißt es in einem Positionspapier des kommunalen Spitzenverbandes. Darin setzt sich der NSGB dafür ein, Klärschlamm weiterhin dem "natürlichen Kreislauf" zuzuführen - im Sinne einer kostengünstigen Verwertung. Sollte nur noch die Verbrennung erlaubt sein, würden die Abwassergebühren vielerorts um mindestens zehn Prozent steigen.
Die Landesregierung ruderte nach Protesten der Kommunen erst einmal zurück und spricht nun von einer "ergebnisoffenen" Auseinandersetzung mit dem Thema. Doch Schlichtmann ist skeptisch: "Dann kommt das Verbot der Klärschlamm-Düngung eben durch die Hintertür - über schärfere Grenzwerte."
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