Landkreis Stade
Kummer wegen kurzer Nummer
(jd). Autofahrer ist verärgert: Sein Kennzeichen soll aus dem Verkehr gezogen werden. Bajo Tomfohrde kann von sich behaupten, einem ganz erlauchten Kreis von Autofahrern anzugehören - und das in zweierlei Hinsicht: Er fährt einen Golf II, der auf den Straßen nur noch selten anzutreffen ist. Noch exklusiver ist aber das Kennzeichen seiner Kult-Karosse: Das besteht neben dem STD-Kürzel aus jeweils einem Buchstaben und einer Ziffer. Diese zweistelligen Kennzeichen sind äußerst rar: Es gibt nur 234 mögliche Kombinationen. Das ist verdammt wenig in Anbetracht der rund 170.000 Fahrzeuge, die kreisweit zugelassen sind. Doch nun will der Landkreis Stade den Golf-Fahrer aus dem exklusiven Club der Kurzkennzeichen- Besitzer "rauswerfen". Das lässt Tomfohrde sich aber nicht gefallen.
+++ Hier ein weiteres Beispiel zum Thema Kennzeichen-Bürokratie: <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/ueberregional/panorama/hohn-und-spott-fuer-geknicktes-kennzeichen-d52900.html">Hohn und Spott für geknicktes Kennzeichen</a> +++
"Ich wollte kürzlich das Nummernschild auf einen anderen Wagen ummelden", berichtet der junge Mann. Die Dame am Schalter habe ihm erklärt, dass er sich ein neues Kennzeichen aussuchen muss. Die Begründung: Zweistellige Kombinationen sind nur noch zulässig für Importfahrzeuge, an die kein größeres Schild passt. Im Klartext: Man muss einen "Ami-Schlitten" fahren. Um sein liebgewonnenes Kennzeichen zu behalten, hat Tomfohrde erst mal auf die Ummeldung verzichtet und kurvt weiter mit seinem Golf II durch die Landschaft. Das ist möglich, weil es einen Bestandsschutz gibt: Der Landkreis zieht die zweistelligen Kombinationen erst aus dem Verkehr, wenn ein Auto ab- bzw. umgemeldet wird.
Tomfohrde geht es ums Prinzip: "Ich habe das Nummernschild seit mehr als sieben Jahren. Das ist wie ein persönliches Markenzeichen." Außerdem sehe er es nicht ein, dass er knapp 40 Euro für das Prägen neuer Kennzeichen bezahlen soll. "Die Kosten müsste doch eigentlich der Landkreis übernehmen", meint Tomfohrde.
Sein Freund Michael Zöhke sieht das ähnlich. Da er auf seinen neuen Wagen angewiesen ist, konnte er nicht wie Tomfohrde "auf stur schalten". Er ist seine zweistellige Nummer nun los. "Das ist doch eine völlig überflüssige Paragrafenreiterei", empört sich Zöhke.
"Wir handeln aus blanker Not", sagt hingegen Christian Schmidt, Pressesprecher des Landkreises Stade. Es sei in der Tat so, dass an einige US-Modelle nur zweistellige Kennzeichen passen. Und davon seien im Moment lediglich 13 verfügbar. Noch schlechter sieht es im Kreis Harburg aus. Auch dort werden die Kurzzeichen einkassiert, weil davon derzeit nur noch drei frei sind. Diese restriktive Handhabung der Landkreise bei der Vergabe von Kennzeichen sei rechtlich in Ordnung, heißt es aus dem niedersächsischen Verkehrsministerium auf WOCHENBLATT-Nachfrage.
"Seitens der Zulassungsbehörden ist sicherzustellen, dass immer genügend Kurz-Nummern zu Verfügung stehen", erklärt Ministeriums-Sprecherin Mira Langel. Schließlich müssten "jederzeit" auch solche Fahrzeuge zugelassen werden können, bei denen bauartbedingt kein anderes Zeichen angebracht werden kann. Sprich: Wer sich einen "Ami-Schlitten" zulegt, muss dafür auch ein Kennzeichen bekommen. Golf-Fahrer Tomfohrde überlegt nun ernsthaft, auf einen Chevrolet umzusteigen: "Dann darf ich auch mein Nummernschild behalten."
Mein Vorschlag: Kennzeichen versteigern (Kommentar)
- oder dreistellige Auto-Kennzeichen sind sehr beliebt und gelten in gewisser Weise als Statussymbol. Wenn die Leute so wild auf die Kurz-Kombinationen sind, könnten die Landkreise angesichts knapper Kassen doch Profit daraus schlagen. Mein Vorschlag wäre, prestigeträchtige Nummernschilder wie STD - A1 oder WL - Z4 zu versteigern. Im arabischen Scheichtum Abu Dhabi wird das schon lange so gehandhabt. Dort erhielt ein Öl-Scheich den Zuschlag für das Kennzeichen mit der Nummer 1. Dafür blätterte er umgerechnet zehn Millionen Euro hin.
Jörg Dammann
Leser-Service: Die Stellungnahmen der Landkreise und Ministerien
Landkreis Harburg:
"Die Entscheidung, ob kurze Kennzeichen zugeteilt werden, liegt im Ermessen der Zulassungsbehörde. Der Landkreis Harburg hat sich dagegen entschieden, die zweistelligen Nummern wie WL-X1 für alle Fahrzeuge freizugeben, teilt jedoch die (häufigeren) dreistelligen Erkennungsnummern wie WL-XX1 ohne Beschränkung zu.
Die Behörde beruft sich auf die Ergänzungsbestimmungen zur Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Darin heiß es: "Ist es der Zulassungsbehörde nicht möglich, für ein Fahrzeug ein Kennzeichen zuzuteilen, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden kann, so hat der Halter Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens ermöglichen, sofern die Veränderungen nicht unverhältnismäßigen Aufwand erfordern; in Zweifelsfällen kann die Zulassungsbehörde die Vorlage eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr verlangen. Stellt ein amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr fest, dass an einem Kraftfahrzeug die Anbringung eines vorschriftsmäßigen hinteren Kennzeichens nach Nummer 1 Satz 1 Buchstabe a, b oder c einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert oder technisch nicht möglich ist, kann die Zulassungsbehörde eine Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens nach Nummer 1 Satz 1 Buchstabe d genehmigen; dies gilt nicht, wenn durch nachträgliche Änderungen oder den Anbau von Zubehör die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens nicht mehr möglich ist."
Kurz und knapp formuliert: Bestimmte Importfahrzeuge (vor allem US-Amerika) sind vom Hersteller so konstruiert, dass dort ein "langes" Kennzeichen oder ein großes zweizeiliges Kennzeichen (mit z. B. einer Kombination WL-XX111) angebaut werden kann."
Landkreis Stade:
"Die Zulassungsbehörden sind grundsätzlich verpflichtet, für Fahrzeuge, bei denen Bauart bedingt (z.B. Motorräder, bestimmt Importfahrzeuge...) kein normal langes Kennzeichen angebracht werden kann, kurze Buchstaben-Zahlenkombinationen (Erkennungsnummern) vorzuhalten, um deren Zulassung zu ermöglichen.
Da nur noch sehr wenige zweistellige Erkennungsnummern frei sind, werden diese nur bei Vorlage eines Sachverständigengutachtens, aus dem hervorgeht, dass die Anbringung eines längeren Kennzeichens durch die Bauart des Fahrzeuges bedingt nicht möglich ist und auch durch Umrüstungsmaßnahmen am Fahrzeug mit zumutbarem Aufwand nicht möglich gemacht werden kann, zugeteilt.
Ist die Anbringungsstelle für das Kennzeichen erst durch Umbaumaßnahmen (z. B. amerikanische Heckklappe am europäischen Fahrzeug) zu klein geworden, kann kein kurzes Kennzeichen zugeteilt werden (Rückbau ist möglich und zumutbar!).
Ein bereits auf einen Halter zugelassenes Fahrzeug hat Bestandsschutz, solange es auf ihn zugelassen bleibt. Wird das Fahrzeug auf einen anderen Halter umgeschrieben oder auch nur vorübergehend abgemeldet, erlischt der Bestandsschutz!"
Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr:
"Die Zuteilung von Kennzeichen erfolgt nach den Bestimmungen der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Bis zum 30.06.2012 besagte sie, dass zwei- und dreistellige Erkennungsnummern nur solchen Fahrzeugen zugeteilt werden durften, an die aus Platzgründen kein längeres Nummernschild passt. Dies trifft vor allem auf Krafträder und Importfahrzeuge zu.
Diese Regelung wurde aber aufgrund einer von Niedersachsen initiierten Rechtsänderung zum 01.07.2012 aufgehoben. Seitdem können zwei- und dreistellige Erkennungsnummern grundsätzlich allen Fahrzeugen zugeteilt werden.
Die Bedingung ist nur, dass die Zulassungsbehörden sicherstellen, dass immer genügend zwei- und dreistellige Erkennungsnummern zur Verfügung stehen, damit jederzeit auch Fahrzeuge zugelassen werden können, denen aus baulichen Gründen nur „kurze“ Erkennungsnummern zugeteilt werden können.
Die von der Zulassungsbehörde des Landkreises Stade getroffenen Verfahrensregelungen entsprechen der Sach- und Rechtslage."
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur:
"Die Ausgestaltung, Einteilung und Zuteilung von Buchstaben und Zahlengruppen für die Erkennungsnummern der Kfz-Kennzeichen ergibt sich aus Anlage 2 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Die früher in Anlage 2 FZV geregelte Einschränkung der Möglichkeit, kurze Erkennungsnummern zuzuteilen, wurde mit der Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung vom 13. Januar 2012 (BGBl. I S. 103) aufgehoben. Aus bundesrechtlicher Sicht besteht daher kein Hindernis, kurze Erkennungsnummern zuzuteilen.
Die Zuteilung der Erkennungsnummern obliegt jedoch nach den gesetzlichen Bestimmungen ausschließlich der Zulassungsbehörde."
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