Weiterhin Bakterien im Leitungsnetz
Miserable Informationspolitik zu Keimen im Trinkwasser auf der Stader Geest
jab. Harsefeld/Fredenbeck. Die Nachricht, dass das Trinkwasser auf der Stader Geest mit Keimen belastet ist, versetzte die Bewohner dort in helle Aufregung. Schließlich gab es zuvor bereits Probleme mit dem Wasserdruck - ein sensibles Thema vor allem in Harsefeld. Die schlechten und dazu noch lückenhaften Informationen vom Landkreis und des Trinkwasserverbandes (TWV) Stader Land sorgten für große Unsicherheit bei den Bürgern. Inzwischen können die Bürger wieder aufatmen: Das Abkochgebot wurde aufgehoben. Weitere Enterokokken konnte das Labor nicht feststellen, dafür aber sogenannte coliforme Bakterien. Und es bleiben viele offene Fragen.
Zählt meine Ortschaft zu den betroffenen Gebieten? Kann ich überhaupt gefahrlos duschen? Und was ist mit dem Zähneputzen? Diese Fragen stellten sich die Bewohner auf der Stader Geest als am Freitag vergangene Woche die Meldungen von Landkreis und TWV online gingen, dass Enterokokken im Trinkwasser gefunden wurden und das Wasser vorsorglich abgekocht werden sollte. Sogar die Warn-Apps wie NINA schlugen Alarm.
Unklarheit über betroffene Gebiete
In der Meldung hieß es, Teile der Samtgemeinden Fredenbeck und Harsefeld seien betroffen. Genauer: Groß Fredenbeck, Deinste, Helmste, Ohrensen, Lusthoop und Harsefeld. Doch die Verunsicherung in den anderen Ortschaften war groß. Das WOCHENBLATT hakte nach. Und tatsächlich: Auch Ahlerstedt und Hollenbeck gehörten dazu. Die Nachmeldung lag daran, dass entsprechende Laborergebnisse erst später vorlagen, so der Landkreis. In den sozialen Netzwerken machten Gerüchte die Runde, Bargstedt und Frankenmoor seien betroffen. Das dementierte der Landkreis.
Der Landkreis verwies zudem auf den TWV, der in erster Linie für die Informationen zuständig sei. Interessant hierbei: Die Meldung des Landkreises waren etwas ausführlicher als die des Verbandes. Insgesamt machte sich der TWV bei diesem Thema zunächst rar. Auf weitere Nachfrage antwortete der zunächst, dass er nichts hinzuzufügen hätte. Später sollte sich TWV-Geschäftsführer Fred Carl noch einmal melden. Das WOCHENBLATT fragte erneut beim Landkreis an.
Kaum praktische Hinweise zur Nutzung des Wassers
Denn Wasser vor dem Gebrauch abzukochen war zwar das Mittel, um sich vor den Keimen zu schützen. Im Alltag allerdings war das schwierig umzusetzen. Händewaschen, Oberflächen abwischen, für viele, auch nur kleine Dinge wird Wasser benötigt. Rund 125 Liter Trinkwasser verbrauchen die Deutschen pro Kopf und Tag. Um dieses Wasser fertig abgekocht zur Verfügung zu haben, müssten viele Kanister, Eimer oder Töpfe bereit stehen. Aber ist das wirklich nötig? Auf so wichtige Fragen gab der Landkreis nur sehr knappe und unzureichende Antworten.
Die Gesundheitsamtsleiterin Dr. Ilka Hedicke rät in Fällen solcher Verunreinigungen dazu, mit Mineralwasser Zähne zu putzen. Die Temperatur beim Geschirrspüler solle erhöht werden, der Reiniger und der Trocknungsvorgang tue sein übriges. Ob Gemüse oder Hände mit dem Wasser gewaschen werden können und duschen ohne Probleme möglich ist, wurde nicht beantwortet.
Nicht ausreichend über Gefahrenpotenzial aufgeklärt
Welche konkrete Gefährdung von Enterokokken ausgeht, wurde ebenfalls nicht beantwortet. Aber: "Für Säuglinge empfiehlt sich generell, die Zubereitung mit abgekochtem Wasser. Menschen mit einer Immunsuppression sind generell anfälliger für Infektionen", so Hedicke. Liest man im Internet nach, können die Keime beim Menschen Harnwegsinfekte und im schlimmsten Fall Herzerkrankungen oder eine Sepsis, also eine Blutvergiftung, auslösen. Gefährlich sind Enterokokken zusätzlich, da die meisten Stämme gegen Antibiotika resistent sind. Duschen und Händewaschen sollte aber für einen gesunden Erwachsenen keine Gefahr darstellen, es sollte nur nicht verschluckt werden. Zum Waschen von Lebensmitteln für den Rohverzehr sollte abgekochtes Wasser genutzt werden. Auch Trinkwasser für empfindliche Haustiere sollte abgekocht sein.
Woher die Belastung mit den coliformen Bakterien kommt, die wie Enterokokken zwar auch Fäkalbakterien sein, aber auch durch Fäulnisprozesse entstehen können, ist noch nicht geklärt. Die Verunreinigung spricht laut Gesundheitsamt in der Regel für ein technisches Problem und nicht für ein hygienisches. Und hier kommt der TWV-Geschäftsführer wieder ins Spiel. Möglicherweise ist die Verunreinigung auf die Erneuerung einer großen Trinkwasserleitung im Zuge der K1-Sanierung in Fredenbeck zurückzuführen. Die Ursache werde weiter untersucht. Carl machte aber deutlich, dass möglicherweise die Ursache nie gefunden werde. Die Leitungen werden weiterhin gespült.
Carl weist darauf hin, dass es sich bei den zuletzt gefundenen Keimen um coliforme Bakterien pflanzlichen Ursprungs handelt. Sie sollen nicht gesundheitsschädlich sein. Zum Ursprung der Enterokokken sagt er, dass sich diese aufgrund der hohen Abgaben wohl aus dem in allen Leitungen befindlichen Biofilm herausgelöst hätten. Das könne nicht verhindert werden. Sollte eine Probe positiv ausfallen, müsse das daher noch nichts bedeuten. Dennoch wurde vorsorglich das Abkochgebot ausgesprochen.
Keine Wasserknappheit im Supermarkt
Kaum war die Warn-Meldung veröffentlicht, "stürmten" am Freitag der vergangenen Woche die Bürger die umliegenden Geschäfte und deckten sich mit Wasser ein. "Das hat uns kalt erwischt", sagt Carolin Meibohm von Edeka Meibohm in Ahlerstedt und Harsefeld. Denn bei Bestellungen benötige sie rund drei Tage Vorlauf. Allerdings sei die Nachfrage nicht so stark gewesen, dass die Regale wie bei Corona-Hamsterkäufen des Toilettenpapiers leer gekauft waren. Denn es handelte sich um ein lokales Problem. Der Renner: Wasser mit Sprudel.
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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