Wahrscheinlich keine Anklage gegen Alfred L.
jd. Harsefeld. Staatsanwalt will Verfahren gegen Ex-Soldaten einstellen. In Italien ist der ehemalige Wehrmachtssoldat Alfred L. (88) aus Ohrensen wegen Mordes rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der pensionierte Förster an Massakern beteiligt war, die die Wehrmachtsdivision "Hermann Göring" im März 1944 an Hunderten von Zivilisten verübte (das WOCHENBLATT berichtete). Mit einer Anklage in Deutschland muss L. nicht rechnen: Die bundesweit für NS-Massenverbrechen zuständige Staatsanwaltschaft in Dortmund wahrscheinlich keine Anklage erheben. "Es läuft alles auf eine Einstellung des Verfahrens hinaus", erklärt Oberstaatsanwalt Andreas Brendel.
Damit wird L. wohl auch den Rest seiner Tage in Freiheit verbringen können: Die erforderliche Zustimmung zu seiner Auslieferung nach Italien wird L. sicher nicht erteilen, und bei einer Vollstreckung der Haftstrafe in einem deutschen Gefängnis müssten erhebliche bürokatische Hindernisse überwunden werden. "Das kann Jahre dauern, sodass der alte Herr wohl vorher verstirbt", meint Brendel.
Einige Mitangeklagte hätten im Gegensatz zu L. Revision eingelegt, so der Oberstaatsanwalt. Daher sei nun ein Verfahren vor dem obersten Kassationsgericht in Rom anhängig. Brendel bezweifelt jedoch, dass dort neue Erkenntnisse gewonnen werden. Bereits in der zweiten Instanz habe es keine weiteren Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung L.s gegeben: "Ich weiß noch nicht, ob ich mit der Einstellung der Ermittlungen überhaupt bis zum Ende des Revisionsverfahrens abwarte."
Nach deutschem Recht reiche die Beweislage nicht aus, um L. zu verurteilen, so Brendel: "Ihm müsste eine individuelle Tatbeteiligung nachgewiesen werden." Der Oberstaatsanwalt hält die Begründung des italienischen Urteils gegen L. für falsch: Der Schuldspruch stütze sich auf ein Telefonat eines Vorgesetzten von L. In diesem Gespräch habe der Offizier behauptet, dass L. seine Beteiligung an den Massakern eingeräumt haben soll. "Diese Schlussfolgerung sei nicht nachvollziehbar, so Brendel.
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