CDU-Landtagsabgeordneter blickt zurück
Bernd Althusmann im WOCHENBLATT-Interview

Bernd Althusmann verlässt Deutschland und widmet sich neuen Aufgaben in Kanada | Foto: pm
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Wie in der vergangenen Woche bekannt gegeben wurde, legt der Landtagsabgeordnete und langjährige CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann sein Mandat nieder - er wird auch Deutschland verlassen und nach Kanada auswandern, um sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen (das WOCHENBLATT berichtete). Als politische Größe wirkte Althusmann maßgebend am Geschehen im Landkreis Harburg und besonders in Seevetal, Rosengarten und Neu Wulmstorf mit. Grund genug für das WOCHENBLATT, im Interview mit Bernd Althusmann nachzuhaken.

WOCHENBLATT: Die politische Bühne zu verlassen, war eine Entscheidung der Vernunft oder des Herzens?

Bernd Althusmann: Diese Entscheidung habe ich mir wahrlich nicht leicht gemacht. Politik zu gestalten, war und ist bis heute meine Leidenschaft. Ich bleibe ja quasi auch politiknah, aber auf größere Entfernung. Das kann Klarheit und Überblick verschaffen und den Kompass neu justieren. Die Menschen in Niedersachsen und hier im Landkreis Harburg waren mir in den letzten fast sieben Jahren als Abgeordneter und Minister immer sehr wichtig. Hier konnte ich zweimal hintereinander das Direktmandat für die CDU gewinnen. Das war ein großer Vertrauensbeweis der Bürgerinnen und Bürger für meine Arbeit und die der CDU. Meine Landtagskollegen Andre Bock und Jan Bauer und zuvor Heiner Schönecke, unser MdB Michael Grosse-Brömer und natürlich alle Parteifreunde in der CDU in Seevetal, Rosengarten und Neu Wulmstorf haben mich großartig unterstützt und getragen, vielleicht auch manchmal ertragen. Aber gerade in Wahlkampfzeiten haben wir zusammen gehalten und für unsere Sache gemeinsam gekämpft. Insofern war dieser Schritt nicht leicht. Nach über 20 Jahren in der Landespolitik, davon neun Jahre als Regierungsmitglied, und inzwischen leider wieder in der Opposition braucht es eine Entscheidung. Einfach "Weiter so", zum Beispiel durch einen möglichen Wechsel auf die Bundesebene, oder eben ein ganz neuer Weg mit einem neuen Kapitel im Leben. Dem Grunde nach habe ich doch bis auf das Amt des Ministerpräsidenten nahezu alles in Niedersachsen erreicht, war Stellvertretender Ministerpräsident in einer recht erfolgreichen Großen Koalition, die sowohl die Corona-Pandemie als auch die Folgen des Angriffskrieges auf die Ukraine ordentlich gemeistert hat. Ich war bekanntlich fünf Jahre Wirtschafts- und Arbeitsminister und konnte so erfolgreich für die Betriebe im Landkreis Harburg arbeiten. Und als Verkehrsminister oder Minister für Digitalisierung ging es auch hier in Niedersachsen und im Landkreis gut voran. Nicht alles klappte sofort und wie erhofft. Mit etwas Unverständnis denke ich an die Verhandlungen mit Bund und Bahn zum Alpha E oder mit Hamburg in Sachen Ehestorfer Heuweg. Aber die Weichen insgesamt für den Landkreis Harburg sind gut gestellt, auch Dank unseres herausragenden Landrats Rainer Rempe oder unseren Bürgermeistern in meinem Wahlkreis.
Aber wahr ist eben auch, dass mich besonders seit meiner Zeit im südlichen Afrika eine Tätigkeit und das Leben in einem anderen Land immer wieder gereizt hat. Dabei spüre ich neue Herausforderungen und eine enorme Neugier in mir. Nach über 20 Jahren in verantwortlichen Positionen in der Landes -und Bundespolitik wiederholt sich halt manchmal einiges. Nach der letzten Wahl war vielen, gerade meiner Familie, aber auch mir persönlich klar, dass es einer Veränderung bedarf. Die Vernunft sagte, weitermachen, das Herz rief nach Veränderung. Mit meiner Familie und ganz wenigen, engen Freunden habe ich dies abgewogen und mich für mein Herz entschieden.

WOCHENBLATT: Sie waren Kultusminister in Niedersachsen und mit einer Auszeit in Namibia dann Wirtschaftsminister und stellv. Ministerpräsident von Niedersachsen. Welcher Abschnitt Ihrer politischen Karriere hat Ihnen besser gefallen? (Und warum?)

Bernd Althusmann: Die jeweiligen Aufgaben waren doch zu unterschiedlich, als dass ich heute rückblickend sagen könnte, was mir besser oder schlechter gefallen hätte. Ich war stets mit Leidenschaft dabei. So war es bei der Sicherung der Unterrichtsversorgung oder der Sicherung von Arbeitsplätzen gerade in so schwerwiegenden Krisen der letzten Jahre. Jede Zeit war anders und besonders, aber ich wusste stets um meine Verantwortung. Weggeduckt habe ich mich nie, auch wenn mal Stürme aufkamen. Mein innerer Antrieb war von Anfang an, dass es für die Menschen in Niedersachsen und die Bürger meiner Region besser wird und sicher bleibt. Ich wäre gerne Ministerpräsident geworden, aber es kam halt anders. Jetzt schaue ich nicht mehr zurück, sondern nach vorn. Die Übergabe der Verantwortung auch innerhalb der Landes-CDU hat gut und geräuschlos funktioniert. Das Feld ist für den Neustart der CDU in Niedersachsen gut bestellt.

WOCHENBLATT: Was konnten Sie in Ihrer zweiten Amtszeit für Ihren Wahlkreis im Landkreis Harburg erreichen?

Bernd Althusmann: Die Situation der zweiten Wahlperiode ist eine andere. Opposition ist eine wichtige Funktion, aber die Entscheidungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Es ist ein Unterschied, ob ich als Minister die Ortsumgehung Elstorf zu einem Modellprojekt des Landes aufwerten und maßgeblich voran bringen kann oder eine Neubewertung der Raststätte Elbmarsch gegenüber dem Bund erfolgreich - also quasi die Einstellung der Planungen - einfordere, oder ob ich dazu mit Anfragen an die Landesregierung arbeiten muss. Dennoch konnte ich zusammen mit den CDU-Landtagsabgeordneten Jan Bauer und André Bock dafür sorgen, dass unsere Rettungs- und Hilfsorganisationen besser ausgestattet werden. Unser gemeinsamer politischer Druck im Landkreis Harburg hat zudem dafür gesorgt, dass die Neubaupläne für das sogenannte „Alpha-E" bisher verhindert wurden. Wir müssen jedoch wachsam bleiben. Die gesicherte Förderung der Sanierung der Decatur-Brücke stammt zwar bereits aus der letzten Wahlperiode, aber ich bin Emily Weede und zuvor Martina Oertzen sehr dankbar, dass unsere erzielten Vereinbarungen jetzt auch umgesetzt werden. Die Stärkung des Kiekeberg-Museums war mir immer sehr wichtig. Ich halte hier eine landesseitige Förderung wie beim Landesmuseum in Cloppenburg für dringend notwendig. Dazu haben wir hinter verschlossenen Türen mehrfach gesprochen. Leider ist die Nähe zu Hamburg immer noch eine Hürde der landesseitigen Förderung. Das Kiekeberg-Museum ist ein Projekt der letzten und dieser Wahlperiode, hier gilt es nicht nachzulassen, denn es ist ein Juwel.

Die pflegerische Versorgungssituation im Landkreis Harburg war mir ebenso wichtig. Das Projekt „Stambulant" des Seniorenheimes Haus Benevit-Kiekeberg in Rosengarten wurde von mir in die CDU-Landtagsfraktion eingebracht und könnte ein landesweites Projekt werden, wenn das Land Niedersachsen sich hier endlich bewegt. Das Kindergarten-Gesetz des Landes wurde auf unseren Druck hin geändert. Die Verbesserung der Flexibilität des Einsatzes von Externen bei der Betreuung unserer Kinder in unseren Kindertagestätten Den amtierenden Sozialminister habe ich dazu mehrfach kontaktiert und viel Zustimmung erhalten, es muss aber letztlich landesseitig auch gesetzlich verankert werden. Da ist Baden-Württemberg weiter als wir in Niedersachsen. Die Verbesserung der Flexibilität des Einsatzes von unterstützenden Kräften bei der Betreuung unserer Kinder in unseren Kindertagestätten wurde durch das Land aufgegriffen. Eine Forderung der CDU-Landtagsfraktion, die wir drei Landtagsabgeordneten entscheidend voran gebracht hatten. Und, dass die beiden Kreis-Krankenhäuser in Winsen und Buchholz und auch die Waldklinik in Jesteburg sowohl in der letzten Wahlperiode als auch in dieser deutlich gefördert wurden, ist meines Erachtens auch ein Ergebnis unserer gemeinsamen Anstrengungen für den Landkreis Harburg. Zudem hatten wir uns als Landtagsabgeordnete der CDU den Flächenausbauzielen für Windkraftanlagen in Niedersachsen gemeinsam mit dem Landkreis und den Gemeinden entgegengestellt, was hoffentlich mittel bis langfristig zu vertretbaren Kompromissen in allen besonders betroffenen Landkreisen führen wird.
Nicht zu Ende bringen konnte ich ein bisher eher im Hintergrund angeschobenes Projekt eines innovativen Technologie-Hubs. Mit der WLH (Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg) hatten wir dazu vor einigen Monaten erste Gespräche. Das könnte aus meiner Sicht als Innovations-Hub ein in die Zukunft weisendes Technologie-Projekt hier im Norden Niedersachsens werden, zumal wir mit Airbus in Stade und Finkenwerder oder der Universität Hamburg und der Leuphana-Universität in Lüneburg Kooperationsprojekte auf dem Feld der Sicherheitstechnologien und der allgemeinen Sicherheitsthemen vielleicht auch als Thinktank entwickeln könnten. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

WOCHENBLATT: Was würden Sie jungen Menschen antworten, warum es sich lohnt, sich politisch zu engagieren?

Bernd Althusmann: Es lohnt sich immer, heute erst recht. Es geht immer ein Stück um eure Zukunft und die unserer künftigen Generationen. Nur wer sich ernsthaft einbringt, kann etwas bewirken. Die aktuellen Herausforderungen der geopolitischen Sicherheit, der Sicherung des Freihandels, des Klimawandels oder der Ressourcen-Sicherheit in Zeiten von Krieg und Krisen und gesellschaftlichen Veränderungen, das ist doch genau der richtige Zeitpunkt, um als junger, politisch mitdenkender Mensch sich zu engagieren. Welche Chancen, aber auch welche Risiken, stecken in der Nutzung Künstlicher Intelligenz für unsere Gesellschaft? Wie wollen wir künftig arbeiten und sicher leben? Das müsste gerade die junge Generation anspornen, sich einzumischen. Aber auch die Gefahren für eine stabile und freiheitliche Demokratie sollten eigentlich einen jeden von uns motivieren, jetzt mitzuarbeiten am Projekt Freiheit und Demokratie festigen, in Deutschland und Europa. Nichts ist selbstverständlich. Der Wettbewerb der Systeme fordert uns heraus. Diktatoren weltweit fordern die Demokratien des westlichen Wertebündnisses heraus. Unser Land wäre als Zuschauer-Demokratie nie so stark, freiheitlich und stabil geworden, wie wir heute sind. Wer Frieden, Freiheit, Sicherheit, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sichern will, muss dafür auch bereit sein, etwas zu tun. Ich habe viele Jugendliche kennengelernt, die anpacken wollen, holen wir sie doch bitte da ab, wo sie sind, und laden jeden ein, mitzumachen. Unsere Gesellschaft entwickelt sich leider zusehends zu einer Gesellschaft einer zunehmenden Zahl selbstzufriedener, paralleler, politischer Bubbles, die andere Meinungen nicht mehr akzeptieren oder gar verhöhnen. Hier sollten wir der Entwicklung eine neue Richtung geben. Achtsamkeit, Haltung, eine klare Meinung, Respekt aber vor anderen Meinungen und natürlich die Fähigkeit zur Akzeptanz von Kompromissen, das ist gute Politik für unser Land. Dabei brauchen wir die Erfahrung der Älteren genauso wie den manchmal ungeduldigen Mut der Jungen.

WOCHENBLATT: Und jetzt geht es nach Kanada. Was werden Sie da machen?

Bernd Althusmann: Sobald alle Voraussetzungen vorliegen, übernehme ich voraussichtlich ab November in Kanada die Leitung des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Sitz in Ottawa. Die Stiftung arbeitet dort unter anderem an der Festigung der Beziehungen im Nordatlantischen Bündnis oder sicherheitspolitischen Fragen der Zukunft, z.B. Fragen der Ressourcen-Sicherheit oder der Transformation der Industrieländer in Zeiten eines globalen Klimawandels. Kanada könnte nach den Wahlen im November in den USA eine womöglich weitere, nicht minder wichtige Rolle im Verhältnis zu Europa einnehmen. Und natürlich sind Fragen der Migrationspolitik in Kanada von besonderem Interesse. Die KAS arbeitet politisch neutral mit verschiedensten Partnern zusammen, z.B. auch der Atlantik-Brücke, deren Vorsitzender bekanntlich Friedrich Merz war und Sigmar Gabriel heute ist. Eine spannende Aufgabe, auf die ich mich freue, denn sie ist auch noch einmal ganz anders als die Aufgaben in Namibia und Angola. Den Kontakt zur Politik werde ich sicher halten.

WOCHENBLATT: Und eine letzte Frage zum Schluss: Wer wird der nächste Bundeskanzler?

Bernd Althusmann: Friedrich Merz.

Bernd Althusmann legt sein Landtagsmandat nieder
Redakteur:

Pauline Meyer aus Neu Wulmstorf

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