Schlechte Zahlungsmoral der Krankenkassen
Pflege-Verein aus dem Kreis Stade wartete Monate aufs Geld
Die Krankenkassen sind oberpünktlich, wenn sie bei Unternehmen die Versicherungsbeiträge der Beschäftigten einkassieren. Wenn es aber darum geht, vertraglich vereinbarte Leistungen zu erstatten, scheinen einige Krankenkassen besonders träge zu sein. Diese Erfahrung machte Martina Pfaffenberger vom gemeinnützigen Verein "Wi helpt". Der Verein bietet über die Seniorenhilfe Kehdingen sogenannte "Entlastungsleistungen zur Unterstützung im Alltag" an. Diesen Entlastungsbetrag in Höhe von monatlich 125 Euro können pflegebedürftige Personen ab Pflegegrad I in Anspruch nehmen. Abgerechnet wird meist direkt mit den Krankenkassen. Doch die lassen den Verein immer öfter und immer länger auf die fälligen Erstattungen warten. Besonders säumige Zahler waren laut Pfaffenberger die AOK und die Knappschaft. Letztere war mit den Zahlungen fast ein halbes Jahr im Rückstand. Erst als das WOCHENBLATT Druck machte, flossen die längst fälligen Beträge.
Mini-Jobber kümmern sich um 35 Senioren
Bei "Wi helpt" sind zehn Mitarbeiter auf Minijob-Basis beschäftigt, die sich aktuell um 35 Senioren kümmern, indem sie mit ihnen spazieren gehen, sie bei Arztbesuchen begleiten, Einkäufe tätigen oder Angehörige stundenweise bei der Betreuung ablösen. Im Gegensatz zu anderen Pflegediensten, die für die 125 Euro Entlastungsbetrag nur drei Stunden Betreuung im Monat anbieten, schafft Pfaffenberger es mit ihrem Verein, dass die Kunden sechs Stunden in Anspruch nehmen können. Das klappt, wenn man den Verwaltungsaufwand gering hält. Es klappt aber nicht, wenn die Krankenkassen den kleinen Verein finanziell hängen lassen.
"Wir sind darauf angewiesen, dass das Geld von den Krankenkassen rechtzeitig da ist, damit wir pünktlich die Gehälter zahlen können", sagt Pfaffenberger. "Die schlechte Zahlungsmoral der Krankenkassen bringt uns als kleiner Anbieter an unsere finanziellen Grenzen." Sie müsse jeden Monat mit dem Geld jonglieren, um über die Runden zu kommen. Zwischenzeitlich habe sie die Auszahlung der Gehälter bereits vom 15. auf den 21. eines Monats verschoben.
Bei der AOK hat die KI Schuld
Irgendwann riss Pfaffenberger der Geduldsfaden. Sie rief direkt bei den Krankenkassen an. Zunächst bei der AOK, die bis zu drei Monate im Verzug war. Zuerst teilte man ihr mit, dass die Abrechnung seit einiger Zeit über eine KI-Maschine (Künstliche Intelligenz) erfolge, die fehlerhaft programmiert sei. Dann lieferte die AOK eine andere Pauschal-Ausrede: Personalmangel.
Auf konkrete Fragen der Redaktion antwortete die Pressestelle des AOK Niedersachsen nur mit Allgemeinplätzen - und das auch erst nach wiederholter Aufforderung. Die Krankenkasse verwies auf "ein umfängliches Abrechnungsverfahren". Die Entlastungsleistungen würden in letzter Zeit immer stärker in Anspruch genommen. "Selbstverständlich erfolgt immer eine schnellstmögliche Bearbeitung – bei sehr hohem Aufkommen kann es aber leider zu Verzögerungen kommen", so die AOK-Sprecherin.
Knappschaft reagierte auf Nachfrage
Auch bei der Knappschaft rief Pfaffenberger an. Dort war die Kontaktaufnahme noch schwieriger: Sie hing über einige Tage hinweg jeweils mehrere Stunden in der Warteschleife. Als sie endlich durchkam, erklärte ihr eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung, dass man ihr Problem gerne weiterleite, ihr aber nichts versprechen könne.
Erst die WOCHENBLATT-Nachfrage brachte Bewegung in die Sache: Anders als die AOK, die die kritische Nachfrage an sich abperlen ließ, fühlte sich die Knappschaft wohl bei ihrer Ehre gepackt. Die Krankenkasse teilte dem WOCHENBLATT mit, dass die Forderungen von "Wi helpt" bevorzugt beglichen werden. Außerdem bekam Pfaffenberger einen festen Ansprechpartner für Abrechnungsfragen genannt. Kurz darauf war auch das gesamte Geld auf dem Vereinskonto. "Die Knappschaft hat die rückständigen Forderungen von fast einem halben Jahre mit einem Schlag beglichen", stellt Pfaffenberger erfreut fest.
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