"Nach 1945"-Serie: Von der Bedienung zur Selbstbedienung
Ehemalige Besitzerin eines Lebensmittelladens erinnert sich an Wirtschaftswunder-Zeit
nw/tw. Meckelfeld. Als Ingrid Cohrs mit ihrem Mann aus Hamburg nach Meckelfeld kam, um sich ein Eigenheim zu bauen, steckte das Wirtschaftswunder noch in den Kinderschuhen.
Im Jahr 1958 eröffnete Ingrid Cohrs, die inzwischen Mutter geworden war, ihren eigenen Laden. In einem Vorbau, der an ihr Wohnhaus anschloss, bot sie auf 35 Quadratmetern alles von der Flasche Wein, über Bonbons und Eis bis zur Schuhcreme an. Die tüchtige Geschäftsfrau kannte alle ihre Kunden beim Namen. Und „da einige die Woche über nicht so recht das Geld hatten und erst am Wochenende zahlen konnten, habe ich angeschrieben“, erklärt Ingrid Cohrs. „Das bedeutete natürlich auch immer ein bisschen die Sorge: Kriege ich mein Geld auch?“ Aber die Kunden waren stets zuverlässig und ihr jahrelang treu.
1960 schloss sich die selbstständige Laden-Besitzerin der Edeka-Gruppe an und vergrößerte fünf Jahre später ihr Geschäft auf 100 Quadratmeter Verkaufs- und Lagerfläche. Inzwischen war die Bedienung der Selbstbedienung gewichen, aber die Arbeitstage waren trotzdem lang für Ingrid Cohrs: „Morgens um sieben hab ich aufgemacht und dann bis abends um sechs.“ Die wenige freie Zeit nutzte die Familie, wo es ging. „Wir haben uns sehr oft in den Mittagspausen im Sommer jeder mit einem großen Becher Eis begnügt“, erinnert sich die Geschäftsfrau und Mutter. „Ich hab auch einigen älteren Kunden die Sachen bis nach Hause gebracht und in den Kühlschrank geräumt“. Das war selbstverständlich für sie, denn "der Kunde ist König".
30 Jahre hat Ingrid Cohrs so hinter Tresen, Kasse und Regalen verbracht, bis sie 1987 den Laden schloss - „Da war die Zeit auch reif!". Nun blickt sie auf anstrengende, aber schöne Jahre zurück. Aber einkaufen? - Nein. „Ich habe keine Lust einzukaufen“, sagt sie heute von sich. Sie ist und bleibt eben eine „Kaufmannsfrau“.
• Wie haben Sie die ersten Selbstbedienungsmärkte erlebt? Oder haben Sie selbst einen Laden geführt? Nina Streibel vom Freilichtmusem am Kiekeberg freut sich über Ihre Geschichte per Mail an streibel@kiekeberg-museum.de.
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