Bahntrassen-Debatte
Seevetaler Grüne begrüßen Bestandsstrecken-Ausbau

Mit einem Antrag, den die Seevetaler Grünen auf ihrer jüngsten Ortsmitgliederversammlung einstimmig verabschiedet haben, positionieren sie sich wieder eindeutig für einen Bestandsstreckenausbau der Bahn (wie mit Alpha E seit 2015/16 vorgesehen) inklusive Sanierung der regionalen Netze und gegen eine ökologisch nicht vertretbare Neubautrassen-Planung positioniert.

Die Grünen zeigen sich erleichtert über die Einigung über das weitere Vorgehen zur Ertüchtigung des Schienennetzes in Niedersachsen. "Insbesondere begrüßen wir, dass endlich die seit 2015 und 2016 durch Bundestag und Bundesrat verabschiedeten, langjährig mit Bürgerbeteiligung ausgehandelten Projekte um Alpha E in Angriff genommen werden sollen, die vorhandenen Schienennetze endlich auf einen modernen und dauerhaft funktionsfähigen Stand gebracht werden sollen, der Ausbau des dritten Gleises zwischen Stelle und Lüneburg vorangehen soll und einige stillgelegte regionale Strecken reaktiviert werden sollen", betont Ortsverbands-Vorsitzender Peter Stielert. Es sei eine "weise Entscheidung", dass der Bedarf für eine möglicherweise darüber hinaus gehende Planung und eine eventuelle Neubaustrecke erst geprüft und wenn, dann unter Bürgerbeteiligung geplant werden solle. Diese Prüfung könne erst erfolgen, wenn die genannten Maßnahmen durchgeführt, die Fahrpläne angepasst und über einen ausreichenden Zeitraum beobachtet worden seien sowie realistische neue Bedarfsprognosen erstellt worden seien.

"Selbstverständlich müssen derartige Analysen transparent erstellt und veröffentlicht werden und alle wichtigen Parameter enthalten, die auch den Umweltschutz und Umweltschädigungen durch einen Neubau umfassen", so Peter Stielert. "Die Tatsache, dass die bisherigen Nutzen-Kosten-Analysen der untersuchten Streckenvarianten und die dazu gehörigen Berechnungsgrundlagen immer noch nicht veröffentlicht wurden, lässt darauf schließen, dass diese sehr stark angreifbar sind und keine geeignete Grundlage für eine Entscheidung zum Bau einer neuen Trasse sein können."

Deshalb lehnen die Grünen auch ein vorschnelles Festlegen auf eine neue Trasse ab, die dem sogenannten „Deutschlandtakt“ gerecht wird. Stattdessen sei ein besonnenes Vorgehen gefordert. "Wenn der Nutzen einer neuen Trasse erst 2045 , 2050 oder eventuell noch später einsetzt, dann muss sogar grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob die damit verfolgte 'Verkehrswende' tatsächlich überhaupt einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten kann und die bis dahin verursachten Klimaschäden auch nur ansatzweise wieder einholen kann", gibt Stielert zu bedenken. Sicher prognostizieren könne man derzeit, dass die irreparablen Umweltzerstörungen, die CO2-Freisetzungen und der Ressourcenverbrauch so groß sein werden, dass man es sich gerade in den kommenden Jahren gar nicht leisten können. "Wogegen sich überhaupt nicht der Nutzen einer neuen Bahntrasse für den Klimaschutz prognostizieren lässt, wenn eine neue Strecke erst dann fertig und befahrbar wird, wenn das Land ohnehin schon klimaneutral – auch im Verkehr – sein soll."

Darüber hinaus weisen die Grünen darauf hin, dass die gern als Vorbild angeführte Schweiz mit ihrem speziellen und viel kleineren Schienennetz (5.300 gegenüber 38.400 Kilometern) "überhaupt nicht als Maßstab für das viel verzweigtere deutsche Netz genommen werden" könne. Die Bürger bräuchten nach Ansicht der Grünen "keinen visionären 'Deutschlandtakt'" mit Fernzügen im 30-Minuten-Takt und Fahrtzeiten unter einer Stunde zwischen den Verkehrsknotenpunkten. Peter Stielert: "Sie brauchen ein funktionierendes Schienensystem mit Zügen, die verlässlich ankommen und abfahren, und besonders auch eine gute Anbindung des regionalen Bahn- und ÖPNV-Verkehrs.

Redakteur:

Christoph Ehlermann aus Salzhausen

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8 Kommentare

Leserreporter
Peter Stielert aus Seevetal
am 13.10.2023 um 13:15

Hallo Herr Müller, unter einer „echten Debatte“ verstehe ich kein Hin und Her per Leserbrief-Forum. Gern laden wir Sie zu unserer nächsten Gesprächsrunde zum Thema ein. Sie können Kontakt zu uns über unsere Website aufnehmen (www.gruene-seevetal.de).
Ihren Ton finde ich allerdings zunehmend anmaßend.
Zu Ihren „Fakten“ nur kurz: Gutachten, die bis 2019 erstellt wurden, liegen zum Teil völlig unrealistische Prognosen zugrunde. Es gibt außerdem auch Gutachten, die zu anderen Ergebnissen führen. Das Zustandekommen der Nutzen-Kosten-Verhältnisse ist nach unserem Wissen durchaus als höchst fragwürdig zu bezeichnen – deshalb fordern wir seit längerem (bisher vergeblich) auch die Berechnungsgrundlagen an, um dies sachlich beurteilen zu können!
Es gibt weder offiziell zur Verfügung gestellte Berechnungsergebnisse noch Berechnungsgrundlagen für die Analyse der vier zuletzt untersuchten Streckenvarianten.
Ein (relativ unverbindliches) Schreiben vom Februar ist für mich weder „vor kurzem“ geschehen noch als „Fakt“ anzusehen.
Und vielleicht noch eines: Es gibt Begriffsverwirrungen bei „Neubaustrecke“ und „Bestandsausbau“. Für einige ist das Hinzufügen von Gleisen am Bestand bereits eine „Neubaustrecke“ – für uns nicht.
Bei allem bleibt die (hier sehr überspitzt formulierte) Frage: Was nützt ein extrem klimaschädlicher Neubau, wenn die Inbetriebnahme und damit der Nutzen erst dann erfolgt, wenn die Welt schon untergegangen ist – oder sich sowieso schon klimaneutral verhält?
Nun, wir tun natürlich alles, damit auch unsere Kinder noch in einer schönen Welt leben können. Deshalb versuchen wir, die Sicht aufs Ganze zu erhalten.
Gern laden wir Sie ein, eine Fortführung an dieser Stelle betrachte ich nicht als nützlich.

Leserreporter
Michael Müller aus Salzhausen
am 13.10.2023 um 22:16

Bei allem bleibt die (hier sehr überspitzt formulierte) Frage: Was nützt ein extrem klimaschädlicher Neubau, wenn die Inbetriebnahme und damit der Nutzen erst dann erfolgt, wenn die Welt schon untergegangen ist – oder sich sowieso schon klimaneutral verhält?

Klassische AfD-Zuspitzung: Es gibt nur schwarz oder weiß, entweder Weltuntergang oder Utopie. Die Realität sieht allen Prognosen zufolge aber so aus, dass 2040, wenn die Neubaustrecke in Betrieb geht, weder die Welt untergegangen ist, noch unser Verkehr auch nur annähernd emissionsfrei ist. Im LKW-Verkehr schon mal gar nicht, aber auch Verbrenner wird es im PKW-Segment dann noch in sehr hohen Anteilen geben. Und selbst der elektrifizierte Straßenverkehr wird bis dahin nicht vollständig klimaneutral sein.

Abgesehen davon: Merken Sie den Widerspruch nicht, in den Sie sich hier verstricken? Einerseits behaupten Sie, dass überhaupt Berechnungsgrundlagen vorlägen (was natürlich nicht stimmt), andererseits behaupten Sie, dass ein Neubau "extrem klimaschädlich" sei. Ja, was denn jetzt? Da müssen Sie sich schon entscheiden, beides geht nicht. Richtig ist eben weder noch, zumal sie für keine der beiden Thesen Quellen vorlegen können - Stichwort faktenbasierte Debatte.

Und Apropos, da Sie ja behaupten die 2019 erstellten Gutachten lägen unrealistischen Prognosen zugrunde: Letztes Jahr kam man zum gleichen Ergebnis. https://www.hamburg-bremen-hannover.de/files/page/6_mediathek/downloads/dsn/220915_Statustreffen_DSN_Praesentation_DB.pdf

Und ich kann Ihnen sogar brandaktuelle Aussagen dazu von Bahn und Bundesverkehrsministerium liefern, nämlich jeweils von heute: Bahn: "Nur Neubaustrecke schafft Voraussetzungen des Variantenvergleichs", wozu insbesondere die umweltfachliche Vorzugswürdigkeit gehört https://www.cz.de/celle/celle/politik-vorbei-bahn-plant-bereits-neubaustrecke-hamburg-hannover-durch-celle
Das Verkehrsministerium kommt zum gleichen Schluss:  https://www.hasepost.de/bundesverkehrsminister-wissing-haelt-an-neubaustrecke-hamburg-hannover-fest-408281/

Die Debatte auf Lokalebene in Seevetal zu führen, finde ich als aus Salzhausen kommender Mensch bei einem Bundesprojekt wenig zielführend. Zumal Sie hier leider schon gezeigt haben, dass Sie sich einer faktenbasierten Debatte verweigern. Wir stehen allerdings mit ihren Parteikollegen auf Bundesebene dazu in Kontakt, etwa mit Frau Verlinden oder Herrn Gastel. Beide sagen klipp und klar, dass ein drittes Gleis unzureichend ist und setzen sich für die dringend nötige Neubaustrecke ein - und begrüßen auch die Regionalbahnhöfe an der Neubaustrecke in Bergen, Soltau und hier bei uns in Garlstorf / Salzhausen. Lesen Sie mal folgenden Klartext von Herrn Gastel: https://www.matthias-gastel.de/ausbau-der-bahninfrastruktur-zwischen-hamburg-und-hannover/ Die Klimaschutzwirkung dieser Bahntrasse wäre immens. Auf ihr angesprochenes Nutzen-Kosten-Verhältnis geht er übrigens auch und sagt, dass selbst bei völlig anderer Berechnungsgrundlage kein Weg an der Neubaustrecke vorbei führen würde. Die Berechnungsgrundlage findet sich übrigens ganz transparent im Internet: https://fops.de/wp-content/uploads/2022/07/70.0976_Schlussbericht.pdf https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/E/standardisierte-bewertung-2016plus-verfahrensanleitung.pdf?__blob=publicationFile Alleine schon die Umweltverträglichkeitsprüfung lässt nur die Neubaustrecke zu, da die Bestandsstrecke von Naturschutzgebieten durchzogen ist. Lässt sich alles transparent nachvollziehen: https://geodienste.bfn.de/schutzgebiete?lang=de https://www.hamburg-bremen-hannover.de/hamburg-hannover.html Hier ab Minute 19 erklärt eine Umweltfachplanerin die gesetzliche Umweltverträglichkeitsprüfung anhand von Raumwiderstandskarten: https://www.youtube.com/watch?v=3CyQAZvzeic

Aber mehr als den Hinweis geben, sich mit dem Fakten auseinanderzusetzen, kann ich nicht machen. Tun Sie es, dann kommen Sie zum gleichen Schluss wie Ihre Parteikollegen auf Bundeseben, wie etwa Verkehrsexperte Gastel.

Und wenn Sie dann immer noch ablehnen, trifft wohl folgender Artikel auf Sie zu: Klimaschutz ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/infrastruktur-die-ueberparteiliche-nimby-koalition-der-rationalist-kolumne-a-5f7d3d44-e91f-4148-a196-1e7d1defb554

Wir werden jedenfalls weiter für unseren Bahnanschluss kämpfen und für die Verlagerung des umweltschädlichen LKW-Verkehrs auf Schiene. Schade, wenn Sie auf der Gegenseite stehen.

Leserreporter
Anne Schmidt aus Seevetal
am 13.10.2023 um 23:32

Herr Müller, Ihre Beharrlichkeit in allen Ehren und dass sie ihre Argumente mit so vielen Quellen unterlegen, finde ich durchaus beeindruckend, nur: Unsere Lokalpolitiker in Seevetal kratzt das nicht. Die haben sich schon seit längerem in dieser Sache einzig den NIMBYs verschrieben. Die Grünen hier würden auch Windkraftanlagen und Solarparks ablehnen, wenn sie zu nah an ihren Häusern geplant sind. Mit Argumenten und Fakten sind die nicht zu erreichen, mit Populismus schon eher. Klimaschutz sollen halt immer die anderen machen, nicht wir vor Ort.

Wie absurd die Einstellung der hiesigen Lokalpolitik zu dem Bahnthema ist, zeigt doch alleine schon das Beispiel Fridays for Future. Die jungen Klimaaktivisten setzen sich vehement für die Neubaustrecke ein, haben zu Hunderten in den letzten Monaten mehrere Demos nur zu diesem Thema veranstaltet - nicht nur in Hamburg, auch in Lüneburg oder Hannover etwa. Wie kommen unsere Lokalpolitiker zu der Auffassung, dass die Neubaustrecke angeblich so umwelt- und klimaschädlich sei, wenn sich die Fridays so dafür einsetzen. Glauben unsere alten Politiker wirklich, diese jungen Leute würden gegen den Umwelt- und Klimaschutz auf die Straße ziehen? Diesen Öko-Teens lässt sich sicherlich so einiges vorhalten, aber doch ganz sicher nicht den guten Willen in Sachen Klimaschutz. Wer denen das abspricht, hat doch den Schuss nicht gehört.

Aber dass die Grünen auf Kommunalebene gegen den umweltfreundlichen Schienenverkehr agitieren und das im Widerspruch zur Parteilinie im Land- und Bundestag, verstehe wer will. In Seevetal haben leider einige so einen kleinen Komplex: in den vom Verkehr bereits geprägten Ortsteilen heißt es immer: "Wir sind schon so belastet, hier kann nichts mehr gebaut werden". Und in ruhigeren Gegenden wie Glüsingerlohe, wo nicht direkt schon eine Autobahn oder Bahnlinie angrenzt, heißt es: "Hier ist es noch ruhig, ländlich, unzerschnitten, hier darf erst recht nichts gebaut werden". Mit der Totschlagargumentation lässt ich jede Veränderung überall blockieren. Wenn jeder so denken würde, käme man mit der ökologischen Transformation überhaupt nicht voran. Am Ende wird doch immer durch lokalen Egoismus die notwendige und gute Sache für alle blockiert.

Z.B. könnte wir den mit der Neubautrasse verbundenen viergleisigen Ausbau durch Meckelfeld auch nutzen, um dort einen Bahnhalt einzufordern. Haltende Züge würden mit den beiden neuen Gleisen nämlich durchfahrende Züge nicht mehr blockieren, ein zusätzlicher Bahnhalt für die Bremer Regionalzüge an der Bürgermeister-Heitmann-Straße wäre möglich. Auch Hittfeld könnte profitieren, wenn der Lärmschutz der Neubautrasse z.B. die Siedlungen am Redder und am Schützenplatz leiser macht, indem die laute Autobahn abgeschirmt wird. Denkbar wäre hier auch noch ein Bahnhalt an der Maschener Straße. Aber das sind halt Chancen, welche die Lokalpolitik überhaupt nicht auf dem Schirm hat. Die wollen bloß alles in der Nähe verhindern und schüren Ängste. So destruktive Politik schürt am Ende aber nur Politikverdrossenheit und treibt die Leute in die Arme der AfD.