Vergessene Geschichten aus Stelle
Die Bahnhofstraße, die keine mehr ist

- Die Straße, die zum Bahnhof führt, heißt in Stelle Uhlenhorst
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Wer den Bahnhof in Stelle sucht, sollte ganz genau hinschauen. Denn die Straße, die einst direkt dorthin führte, heißt heute nicht mehr Bahnhofstraße. Sie heißt „Uhlenhorst“. Ein Name, der für viele nicht mehr ist als ein Ort auf dem Straßenschild. Und der mit der Geschichte des Ortskerns kaum etwas zu tun hat.
Thomas Rieckmann hat früher hier gewohnt. Von 1953 bis 1964. Wenn er über die alte Bahnhofstraße spricht, klingt das nicht wehmütig, sondern wach. „Das war eine Straße mit Funktion. Alles hing irgendwie mit dem Bahnhof zusammen.“
Der Bahnhof wurde 1847 eröffnet – früh für ein Dorf wie Stelle. Er verband den Ort mit Harburg, Hannover, später auch Hamburg. Und er zog Leben an: Geschäfte, Gasthäuser, Handwerksbetriebe. In Haus Nr. 8 war die Post untergebracht, Kohlen und Schweine wurden direkt vom Gleis verladen, es gab ein Kino, eine Gartenwirtschaft und eine Mühle, deren Mehl bis nach Hamburg geliefert wurde.
„Die Straße hatte Struktur“, sagt Rieckmann. „Und sie hatte Charakter.“ Eine Allee aus Kastanien spendete Schatten, Singvögel nisteten in den Ästen. Kinder liefen über Kieswege zur Schule, Pendler zum Zug. An Sonntagen kamen Ausflügler mit der Bahn aus Hamburg, um von hier aus den Buchwedel zu erkunden. „2000 bis 3000 Menschen an einem Sonntag“, berichtet Rieckmann und zitiert die Ortschronik von 1913.
1972 beschloss der Gemeinderat, die Bahnhofstraße umzubenennen. Warum, ist heute schwer nachzuvollziehen. Rieckmann sagt: „Uhlenhorst bezeichnet eigentlich nur ein kleines Siedlungsstück. Der neue Name führt sogar zu Verwirrung, weil viele Leute beim Bahnhof jetzt in Ashausen landen.“
Für ihn wäre es sinnvoll, zur alten Bezeichnung zurückzukehren. Nicht aus Prinzip, sondern aus Logik. Und aus Respekt vor der Geschichte, die hier einmal lag – und von der heute kaum noch jemand etwas weiß.
Ein Vorschlag, den die Politik bislang nicht aufgegriffen hat. Auch eine Wiederbepflanzung der früheren Kastanienallee wurde abgelehnt. Stattdessen gibt es neue Gehwegplatten.
„Ich finde, man kann Geschichte ruhig sichtbar lassen“, sagt Rieckmann. Nicht in Museen, sondern in Straßennamen. In den Dingen, die wir jeden Tag benutzen – und oft gar nicht bemerken.
Redakteur:Anika Werner aus Winsen |
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