Niedersachsen
Datenleck bei VW-Elektroautos - Heimische Politikerin betroffen

- Grünen-Politikerin Nadja Weippert ist Bürgermeisterin der Gemeinde Tostedt. Hier mit ihrem VW ID.3 vor dem Tostedter Rathaus
- Foto: T.v.R.
- hochgeladen von Bianca Marquardt
Datenschutz wird in Deutschland groß geschrieben. So dürfen Privatleute aus Sicherheitsgründen per Kamera nur ihr eigenes Grundstück und nicht den Straßenraum davor überwachen. Datenspeicherungen zur Ermittlung und Überführung von Kriminellen ist ebenfalls bislang nicht möglich. Und ausgerechnet kurz vor dem Jahreswechsel machte der angeschlagene Autobauer VW mit einer Datenpanne Schlagzeilen: Die Bewegungsdaten von rund 800.000 Elektroautos sowie Kontaktinformationen zu den Besitzern waren über Monate ungeschützt im Netz einsehbar. Sie erlaubten Einblicke in das Leben von Privatleuten, aber auch von Politikern und sogar Geheimdienstlern. Eine Betroffene ist Tostedts Bürgermeisterin Nadja Weippert (42).
Die Politikerin engagiert sich für die Grünen auch u.a. im niedersächsischen Landtag und wurde wiederholt - u.a. wegen der Grünen-Politik auf Bundesebene - in den sogenannten "Sozialen Medien" angefeindet und bedroht.
Umweltbewusst und um die niedersächsische Wirtschaft zu unterstützen, kaufte sie sich im vergangenen September kein Elektroauto chinesischer oder amerikanischer Bauart, sondern einen VW ID.3 aus Wolfsburg.
Als sie den Wagen in Betrieb nahm, lud sie sofort die Volkswagen-App herunter. Darüber lässt sich das Auto vorheizen, der Ladestand der Batterie ablesen und die aktuelle Reichweite checken.
Nadja Weippert ist auf Landesebene auch Sprecherin für Datenschutz ihrer Fraktion und las sich die Datenschutzbestimmungen genau durch. Etwas, worauf die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher vermutlich verzichten im Vertrauen darauf, dass ein renommiertes deutsches Unternehmen sie schon nicht übers Ohr haut.
Das Problem mit der App: Diese begann offenbar sofort nach dem Einrichten, Daten zu sammeln, wo die Politikerin gerade unterwegs war oder ihren Wagen abstellte, und übermittelte diese GPS-Daten bis auf zehn Zentimeter genau an den Hersteller. "Unter anderem letzteres widerspricht den eigenen AGB und Datenschutzbestimmungen von VW", weiß Nadja Weippert.
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte die Panne aufgedeckt. Demnach habe der Volkswagen-Konzern die Bewegungsdaten von hunderttausenden Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Skoda und Seat systematisch erfasst und über lange Zeiträume gespeichert. Zu 460.000 Fahrzeugen waren demnach sogar präzise Standortdaten einsehbar, die Rückschlüsse auf das Leben der Menschen hinter den Lenkrädern zuließen.
Dafür, dass diese Daten über Monate in einem leicht zugänglichen Cloud-Speicher zugänglich waren, soll die VW-Tochterfirma Cariad verantwortlich gewesen sein. Der "Fehler" im System soll inzwischen behoben sein.
Was manche auf diese Art "Bespitzelte" vielleicht mit der Aussage: "Ich habe ja nichts zu verbergen" abtun mögen, kann für manche Menschen zu einer echten Gefahr geworden sein.
Nadja Weippert parkt ihren Wagen regelmäßig zum Beispiel auf nicht einsehbaren Privatgrundstücken. An einem Morgen im Oktober machte sie mit ihrem Elektro-VW private Besorgungen in der Tostedter Umgebung, als sie bemerkte, dass ihr Fahrzeug nicht wie gewohnt reagierte. Der Grund: Ein Unbekannter hatte einen Reifen manipuliert. Der Reifen war daraufhin während der Fahrt geplatzt. Das wurde in einer von der Politikerin beauftragten Kfz-Werkstatt festgestellt - mit dem Hinweis, dass die Fahrt für sie auch hätte tödlich enden können, wenn sie beispielsweise außerorts mit höherer Geschwindigkeit unterwegs gewesen wäre.
"Ob ein direkter Zusammenhang mit dem Datenleck bei VW besteht, kann ich aktuell nicht belegen. Dennoch war das die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss, als ich Kenntnis davon erhielt, dass meine kompletten Bewegungsdaten im Internet abrufbar waren", sagt Nadja Weippert. Was die 42-Jährige aber für mindestens ebenso gefährlich hält: "Was ist eigentlich mit Opfern von häuslicher Gewalt, wenn die Täter monatelang Informationen zu ihrem Aufenthaltsort einsehen konnten?" Der Landesdatenschutzbeauftragte in Niedersachsen ist bereits eingeschaltet. Nadja Weippert und andere Betroffene wollen nun den Rechtsweg beschreiten.


Redakteur:Bianca Marquardt aus Tostedt |
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