Rundgang durch Winsen
Naturschutz mit der Kettensäge?

Frischer Biberfras an einem Baum | Foto: Anika Werner
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Liebe Leserinnen und Leser,

Naturschutz bedeutet oft, schwierige Entscheidungen zu treffen.
Diese Woche stand ich vor einer Gruppe angeknabberter Bäume im Wald zwischen Radbruch und Winsen. Die Rinde war stark beschädigt, die Spuren frisch. Ich fragte bei den niedersächsischen Landesforsten nach, und Revierleiter Hilmar Camehl bestätigte es: frischer Biberfraß. Ein Problem? Noch nicht. Aber wenn Krankheitserreger eindringen und die Bäume absterben, müssen sie gefällt werden – aus Sicherheitsgründen. Behandelt wird so eine Wunde nicht. Naturnaher Wald bedeutet auch, dass Totholz seine Rolle im Ökosystem spielt. Der Biber, eine streng geschützte Art, formt mit seinen Bauwerken ganze Landschaften und schafft wertvolle Lebensräume für viele andere Tiere. Dabei fällt so mancher Baum seinen emsigen Tätigkeiten zum Opfer – ein natürlicher Prozess, der jedoch nicht überall willkommen ist.

Ein paar Kilometer weiter, am Luhedeich bei Roydorf, werden Bäume gefällt – nicht durch Biber, sondern durch Menschen. Doch diesmal nicht als natürlicher Prozess, sondern als bewusste Entscheidung für den Hochwasserschutz. Weiden und Eichen müssen weichen. Auch die Nistkästen, die dort erst vor zwei Jahren angebracht wurden, sind verschwunden. Und ja, die Nistkästen werden woanders wieder aufgehängt und es gibt Ersatzpflanzungen. Aber jeder weiß: Ein Setzling gleicht eine alte Eiche nicht in ein paar Jahren aus.

Und genau hier wird es spannend. Die Natur gestaltet Wälder stetig um – durch Biber, Sturm oder Krankheit. Wir Menschen greifen ebenfalls ein – mit Kettensägen und Maschinen, um Sicherheit zu gewährleisten. Mal lassen wir gewähren, mal greifen wir ein. Beides mit dem Ziel, „die Natur“ zu schützen. Doch was genau schützen wir? Den Baum? Den Biber? Oder am Ende uns selbst? 

Klar ist: Hochwasserschutz ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Eine Überflutung richtet weit mehr Schaden an als ein paar gefällte Bäume. Aber die Frage bleibt: Wie weit gehen wir? Und wo zieht man die Grenze zwischen notwendigem Eingriff und unüberlegtem Kahlschlag?

Vielleicht sollten wir nicht nur darauf reagieren, was direkt vor unserer Haustür geschieht, sondern auch langfristige Lösungen in den Blick nehmen. Denn eines ist sicher: Die Natur findet immer einen Weg – ob mit oder ohne uns.

Beste Grüße,
Anika Werner

Redakteur:

Anika Werner aus Winsen

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