"Schizophrene Situation"

Über 400 Bürger kamen, um ihrem Unmut über die Geruchs- und Lärmbelästigungen durch die Schweinemastanlage Luft zu machen
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thl. Borstel. "Wir wollen keine persönliche Hetzkampagne gegen den Betreiber führen, aber es muss eine Lösung für unsere Probleme geben. Es kann nicht sein, dass Borstel im Gestank erstickt." Kurz und prägnant formulierte Jutta Kache von der Bürgerinitiative gegen eine Schweinemastanlage im Ort die Forderung der Bürger in der proppevollen Borsteler Turnhalle.
Dorthin hatten die Stadt Winsen und der Landkreis Harburg eingeladen, nachdem es durch die an der Lüneburger Straße befindlichen Anlage mehrmals zu erheblichen Geruchs- und Lärmbelästigungen gekommen war (das WOCHENBLATT berichtete). Über 400 Bürger waren der Einladung der Verwaltung gefolgt, um ihrem Unmut Luft zu machen. Haupttenor: Die Bürger fühlen sich von Stadt und Landkreis nicht ernst genommen und alleine gelassen. Borstel sei ein Dorf mit rund 75 Prozent Wohnbebauung, da habe eine Schweinemastanlage nichts zu suchen. Dafür gebe es Gewerbegebiete. Als Moderator der Veranstaltung fungierte Amtsgerichtsdirektor Albert G. Paulisch.
Winsens Bürgermeister André Wiese (CDU) ließ die Vorgeschichte Revue passieren und erklärte, warum die Stadt als Genehmigungsbehörde die Bauerlaubnis für die Mastanlage mit 1.200 Schweinen erteilen musste. Er wies auf eine "schizophrene Situation" bei diesem Fall hin, die das deutsche Recht nicht abdecke. Nämlich ein landwirtschaftliches Gebäude mit Bestandsschutz, umgeben von Wohnbebauung. Im Nachhinein - nach Genehmigungserteilung - habe sich aber herausgestellt, dass das vom Betreiber vorgelegte Geruchsprognosegutachten offenbar mit "der heißen Nadel gestrickt" worden sei. "Wir haben im Januar den TÜV beauftragt, das Geruchsprognosegutachten zu prüfen und den Betrieb zu besichtigen", so Wiese. Dabei seien Mängel festgestellt worden. Daraufhin habe man dem Betreiber aufgegeben, Nachbesserungen vorzunehmen, die aber offenbar nicht durchgeführt wurden.
Wiese räumte ein, dass das Genehmigungsverfahren seitens der Verwaltung nicht optimal gelaufen sei. "Zumindest die Nachbarschaft hätte informiert und beteiligt werden müssen", so der Bürgermeister. "Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Dafür kann ich mich nur entschuldigen."
Sowohl Wiese als auch Gunnar Peter vom Landkreis Harburg wiesen darauf hin, dass man neue Gutachten in Auftrag gegeben habe und im Bereich der Anlage auch ständig Messungen durchgeführt würden. Peter: "Wir rechnen in den nächsten Tagen mit einem Ergebnis. So lange muss man aber noch abwarten." Werfen die neuen Gutachten rechtlich relevante Differenzen aus, werde man prüfen, ob die erteilte Baugenehmigung noch Bestand hat oder zurückgenommen werden kann. Dann würde der Betrieb stillgelegt werden. Aber auch eine deutliche Verringerung der Masttierzahl wäre eine Option. Dass beide Optionen u.U. längere Gerichtsverfahren nach sich ziehen würden, planen die beiden Verwaltungen bereits ein. "Deshalb ist es wichtig, dass sich die Bürger aufschreiben, wann es wie lange im Ort nach der Gülle aus der Anlage gestunken hat", so Gunnar Peter.
Einen Lapsus leistete sich die bei der Veranstaltung ebenfalls anwesende Amtstierärztin Dr. Astrid Krüger. Auf die Frage eines Bürgers, warum es nicht möglich sei, die Mastanlage so zu bauen, dass keine Gerüche nach außen dringen, antwortete sie: "Für mich als Veterinärin ist es wichtig, dass die schlechte Luft aus dem Stall rauskommt, damit es den Schweinen gut geht."

Redakteur:

Thomas Lipinski aus Winsen

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