Auch wegen Fachkräftemangel
Paritätischer stellt Pflege- und Versorgungsangebote in der Region ein

- Der Kreisverband Harburg des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hat seinen Sitz in Winsen
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Der akute Fachkräftemangel im Pflegebereich zeigt immer härtere Auswirkungen auf die Region: Nachdem die über den Landkreis Harburg verteilten Diakoniestationen Nordheide und der Jesteburger Ambulante Hauspflege Dienst (AHD) ihre Insolvenzen durch massive Einschränkungen und Umstrukturierungen gerade noch abwenden konnten (das WOCHENBLATT berichtete), ist jetzt der Kreisverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - kurz "Paritätischer" - mit Hauptsitz in Winsen an seine Grenzen gestoßen: Er stellt zum 31. August sein "Essen auf Rädern"-Angebot für Winsen, Drage, Stelle und Salzhausen ein sowie zum 30. September die ambulante Pflege im Winsener Stadtgebiet. Über 220 Senioren müssen sich nun nach alternativen Angeboten umschauen.
Der Kreisverband des Paritätischen ist einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Landkreis und bietet eine breite Hilfspalette unter anderem für Behinderte, Kranke, Senioren und Ratsuchende. Zudem ist er Dachverband und Interessenvertretung für derzeit 67 Mitgliedsorganisationen, die sich in der sozialen Arbeit engagieren.
"Wie viele Anbieter in der Pflege müssen auch wir mit den Rahmenbedingungen und dem erheblichen Arbeitskräftemangel umgehen. In einer Gesamtschau aller Faktoren sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass ein Weiterbetrieb in diesem Fall nicht sinnvoll ist", begründet Heike Clasen-Gaß gegenüber dem WOCHENBLATT das Aus für die bereits seit 25 Jahren bestehenden Pflege- und Versorgungsangebote. Sie ist Geschäftsführerin der Paritätischen-Kreisverbände Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. und für bestimmte Bereiche beim Kreisverband Harburg zuständig.
Insgesamt sind laut Clasen-Gaß 20 Mitarbeiter von den Schließungen betroffen. Man bemühe sich, ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb der Paritätischen Verbandsfamilie anzubieten. "Wir sind guter Dinge, dass uns dies gelingen wird", so die Geschäftsführerin.
"Die Pflege steht vor einer dreifachen Herausforderung: dem Fachkräftemangel, dem spürbaren Anstieg an Pflegebedürftigen und den steigenden Kosten in der Pflege. Unser Vorschlag ist eine grundlegende und langfristige Strategie auf Bundesebene: eine 15-Jahres-Offensive 'Pflege 2040' für nachhaltige Versorgung, die bessere Arbeitsbedingungen schafft, die Ausbildung stärkt und pflegende Angehörige unterstützt", erklärt Heike Clasen-Gaß, was seitens der Politik unternommen werden muss, damit sich die Pflegesituation verbessert. "Zudem fordern wir eine Pflegevollversicherung, die pflegebedingte Kosten vollständig übernimmt und die Lasten gerecht auf alle verteilt – freie Berufe, Selbstständige und Beamte müssen an solidarischen Gemeinschaftsaufgaben künftig beteiligt werden."
Aus der Sicht von Clasen-Gaß bietet auch die Digitalisierung in der Pflege große Chancen von der digitalen Dokumentation bis zu innovativen Unterstützungsangeboten. "Durch gezielte Vorgaben und finanzielle Unterstützung muss der Bund die Potenziale der Digitalisierung freisetzen. Nur mit einer gesicherten Finanzierung können umfassende Change-Prozesse aufgesetzt und kompetente Ansprechpersonen eingesetzt werden, um digitale Lösungen in den Arbeitsalltag zu integrieren."
Schließlich appelliert die Paritätischen-Chefin: "Der Bund muss jetzt handeln, damit Pflegebedürftige in Würde leben können. Die auskömmliche Refinanzierung von Wegepauschalen in der ambulanten Pflege (der Fahrtstrecke zu den Kundinnen und Kunden) - insbesondere im ländlichen Raum – ist ebenfalls zwingend erforderlich. Als Verband setzen wir uns bei der Politik für verbesserte Rahmenbedingungen in der Pflege ein."


Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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