Panzersperren vor dem Opernhaus
Ukrainerinnen in Sauensiek angekommen
sv. Sauensiek. Sie sind in Deutschland angekommen, in Sicherheit, doch ihre Gedanken sind in der Ukraine. Sie wollen zurück, reden vom Ende des Krieges, davon, dass ihre Kinder wieder zur Schule müssen und sie ihre Ehemänner und Familien wiedersehen wollen. Vier ukrainische Frauen und ihre sechs Kinder aus der ukrainischen Hansestadt Odessa konnten nach Deutschland flüchten und sind nun in Sauensiek bei der Familie Braun untergekommen. Lena Braun und ihre Tochter Iryna Obolosheva sind beide gebürtige Ukrainerinnen. Die Flüchtlinge sind teils Familie, teils Freunde.
"Zehn Tage lang versteckten wir uns seit Kriegsbeginn bei jedem Sirenenalarm im Keller", erzählt Lyudmila Kurnosenko, die bis vor Kurzem noch in einem internationalen Logistikunternehmen arbeitete, auf Englisch. "Wir schliefen in den Klamotten, die wir auch jetzt tragen, immer bereit, im Notfall flüchten zu können." Sie berichtet von leergekauften Supermärkten, von Panzersperren vor dem Opernhaus und von den zurückgebliebenen Männern, für die die Grenzen gesperrt sind und die nun Sand vom Strand am Schwarzen Meer in Säcke füllen, um daraus Barrikaden zu errichten. Die Bilder erinnern die Ukrainer schmerzhaft an die Schlacht um Odessa während des zweiten Weltkriegs, als die deutschen Nationalsozialisten die Stadt 1941 überfielen.
"Die Männer müssen die Soldaten mit Geld und Essen unterstützen, während sie selbst inzwischen keinen Strom und kein Wasser mehr haben und über Feuern draußen kochen müssen", sagt Kurnosenko. "In den Supermärkten gibt es kaum noch Essen. Es gibt keine Arbeit mehr, man kann nur noch zuhause bleiben oder helfen."
Zwei der Ukrainerinnen erreichten die Grenze zu Rumänien zu Fuß, die anderen wurden von ihren Ehemännern mit dem Auto gefahren. Von dort wollten sie nach Deutschland fliegen. Doch der Preis für Flugzeugtickets von Bukarest nach Hamburg hatte sich verzehnfacht. Zwei Tage mussten die Frauen mit den Kindern in Bukarest ausharren, bevor es ihnen gelang, Tickets zu kaufen. Zwei von ihnen fuhren mit dem Bus nach Berlin, sie waren 36 Stunden unterwegs.
Annelina Podkopaieva ist Hausfrau mit einem kleinen Kind. Sie flüchtete schon 2014 während der Krim-Krise aus ihrem Heimatort Mariupol nach Odessa und begann von vorn. Nun musste sie erneut ihr Zuhause und dieses Mal auch ihren Mann zurücklassen. Was Podkopaieva sagt, wird von der 18-jährigen Iryna übersetzt. Sie ging bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in Odessa zur Schule und bangt nun um ihren Onkel in Mariupol, von dem sie seit acht Tagen nichts mehr gehört hat.
Was die Ukrainerinnen Putin gerne sagen würden? Das, was sich wohl jeder Ukrainer gerade wünscht: "Stopp den Krieg", sagt Kurnosenko, dabei schwingt in ihren Worten kein Hass, sondern Verzweiflung mit. "Wir können immer noch nicht glauben, dass das zwischen den Ländern passiert, die früher alle zur Sowjetunion gehört haben. In unseren Schulen wird Russisch gelehrt, in vielen sogar als Hauptsprache gesprochen. Wir sind keine Feinde und auch keine Nazis, wie er im russischen Fernsehen behauptet."
Sie sind den Brauns und allen Menschen, die ihnen auf dem Weg nach Deutschland mit Unterkünften und Essen geholfen haben, sehr dankbar. Doch wie lange sie bleiben müssen und wie es weitergehen soll, wissen sie nicht.
Redakteur:Svenja Adamski aus Buchholz |
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