Forstexperten bestätigen Bundesregierung
Dem Wald geht es schlecht
Die Aussage von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in dieser Woche im Waldzustandsbericht war deutlich: Vier von fünf Bäumen seien krank, der deutsche Wald ein "Patient, um den man sich kümmern muss". Wie sieht die Situation vor Ort aus? Das WOCHENBLATT fragte bei Forstexperten nach.
"Ich kann die Aussagen von Herrn Özdemir unterstreichen", sagte Knut Sierk, Pressereferent der Niedersächsischen Landesforsten Nordost, zu dessen Bezirk Harsefeld (Landkreis Stade) und Sellhorn (Landkreis Harburg) mit jeweils etwa 15.000 Hektar Waldfläche gehören. "Seit 2018 haben wir ein Katastrophenjahr nach dem anderen!" Es sei viel zu warm und viel zu trocken, Dürre, Borkenkäfer und Sturmschäden machten dem Wald schwer zu schaffen. Gerade der ausbleibende Regen mache sich bemerkbar: "Der Bodenwasserspeicher ist leergelutscht." Das habe vor allem Auswirkungen auf große Bäume, die mit ihrem tiefen Wurzelwerk Wasser aus tieferen Schichten dringend benötigen. "Viele ältere große Bäume sind alles andere als vital und extrem anfällig für sogenannte Sekundärschäden wie Schädlingsbefall", betonte Sierk. Es helfe im Übrigen nicht, bei Regenfällen nur auf Durchschnittswerte zu schauen: "Wir brauchen kontinuierlichen Regen, bei dem das Wasser in den Boden gelangt, und keinen Starkregen, der über die Oberfläche schnell abfließt."
Die Förster seien in der derzeitigen Lage besonders gefordert. "Wir müssen den klimaangepassten Umbau des Waldes forcieren", sagte Sierk. Das dauere aber Jahrzehnte. Der Waldumbau weg von Monokulturen hin zu widerstandsfähigeren Mischwäldern werde in Niedersachsen bereits seit 1991 nach dem sogenannten LÖWE-Programm - „Langfristige Ökologische Waldentwicklung in den Niedersächsischen Landesforsten" - betrieben. Man müsse das Tempo jetzt noch einmal steigern. Problem: Viele Laubbäume wie die Buche, die in den Mischwäldern gepflanzt werden, bräuchten größere Bäume als Schutz. Diese Bäume seien nicht da, sodass die Buchen oft verbrennen. Das sei eine große Herausforderung, am deutlichsten sehe man das Problem im Harz.
Auch Torben Homm von der Forstbetriebsgemeinschaft Jesteburg stimmt Özdemir zu: "Wir sind weit entfernt von einem vitalen Patienten!" Immerhin habe man mittlerweile den Großteil der Sturmschäden aus dem Februar 2022 beseitigt. Allein im Privatwald im Zuständigkeitsbereich der Forstbetriebsgemeinschaft seien 80.000 Festmeter Schadholz aus den Wäldern geholt worden. Zum Vergleich: In einem normalen Jahr wurden in der Vergangenheit 25.000 Festmeter Holz eingeschlagen.
Zuletzt habe man Prioritäten setzen müssen und Reste des Schadholzes ohne Rücksicht auf den Zustand der Waldwege beseitigt. Das habe man getan, bevor der Borkenkäfer bei steigenden Temperaturen wieder aktiv wird. Homm warb um Verständnis bei Spaziergängern, die zuletzt Waldwege teilweise nicht nutzen konnten: "Wir befinden uns in den Wäldern nach wie vor im Ausnahmezustand." Gemeinsames Ziel aller Forstleute sei es, "dass sich am Ende alle wieder wohl im Wald fühlen". (os).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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