Landtagswahl: Interview mit den Spitzenkandidaten Stephan Weil und Bernd Althusmann
(os). Sechs Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober nimmt der Wahlkampf Fahrt auf. Anlässlich ihres Besuchs im Landkreis Harburg in dieser Woche bat das WOCHENBLATT den CDU-Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Bernd Althusmann (50), und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD, 58) zum Interview.
Bernd Althusmann: „Das CDU-Programm ist sehr konkret“
WOCHENBLATT: Was macht Sie optimistisch, dass Sie nach dem 15. Oktober Ministerpräsident werden?
Bernd Althusmann: Die Stimmung, die ich von zahlreichen Veranstaltungen und Gesprächen überall in Niedersachsen mitnehme, lässt mich optimistisch auf den 15. Oktober blicken. Ich spüre eine deutliche Wechselstimmung, den Wunsch nach einer verlässlichen und professionellen Regierung. Die Menschen sind es leid, dass unter Rot-Grün vieles angekündigt, aber wenig getan wurde. Gleichwohl haben wir bis zum Wahltag noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei hilft sicher Optimismus, aber noch mehr helfen die guten inhaltlichen Argumente für einen Regierungswechsel.
WOCHENBLATT: Mit welchen Themen wollen Sie die Wähler überzeugen, ihr Kreuz bei der CDU zu machen?
Althusmann: Mit den Themen, die die Menschen täglich beschäftigen, die ihnen nahe sind: Mehr Sicherheit vor Einbruch oder Terror, eine bessere Bildung durch eine Unterrichtsgarantie für unsere Schulen oder eine zukunftsfeste digitale und analoge Infrastruktur im ländlichen Raum und den Ballungszentren. Das sind Herausforderungen, bei denen die Niedersachsen offene Fragen haben. In unserem Regierungsprogramm geben wir darauf ausführliche Antworten. Eines ist mir dabei besonders wichtig: Unser Programm ist sehr konkret und kann direkt nach dem 15. Oktober umgesetzt werden.
WOCHENBLATT: Was sind die drängendsten politischen Themen in den kommenden fünf Jahren?
Althusmann: Wir müssen schnell die Qualität der schulischen Bildung in Niedersachsen steigern. Die Zukunft unseres Landes entscheidet sich im täglichen Unterricht an unseren Schulen oder in der frühkindlichen Bildung in unseren Kitas und Krippen. Zentrale Aufgabe wird daher sein, die akuten Mängel in der Unterrichtsversorgung zu beseitigen. Unser Ziel ist eine Unterrichtsversorgung von mindestens 100 Prozent.
Dazu werden wir einerseits mehr Lehrer einstellen, aber auch darauf achten, dass diese Lehrer beispielsweise von unterrichtsfremden Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Um die Zahl der Lehrer zu erhöhen, werden wir allen Lehramtsreferendaren in Niedersachsen die Zusage geben, dass sie nach erfolgreichem Abschluss eine Stelle an unseren Schulen bekommen.
WOCHENBLATT: Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Althusmann: Die Einbruchkriminalität ist bedenklich hoch, gerade hier im Landkreis Harburg. Die Zahlen im Bereich des politischen Extremismus ebenso. Das tiefe rot-grüne Misstrauen gegenüber unserer Polizei, wodurch es viele Versäumnisse gibt, muss endlich beendet werden. Das neue Gesetz für mehr Sicherheit und Ordnung in Niedersachsen wird seit über einem Jahr ergebnislos beraten und wird jetzt nicht mehr beschlossen werden können.
Wir werden nach dem Regierungswechsel das neue Polizeigesetz mit unseren deutlichen Veränderungen für mehr Sicherheit beschließen und die Polizei überall stärken, wir brauchen mehr Präsenz in der Fläche. Bis 2022 schaffen wir dazu insgesamt 3.000 neue Stellen für Polizeibeamte in Niedersachsen. Zusätzlich möchte ich nach der Wahl auch zügig zu einer Länderkonferenz mit Hamburg und Schleswig Holstein auf Ministerebene einladen. Das Thema Verkehr muß schnellstens angegangen werden. Mit einem 100-Tage-Programm nach der Wahl möchte ich sehr schnell ein Verkehrsplanungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringen, mit dem wir u.a. die Anbindung der A26 schneller realisieren können aber auch andere langwierige Prozesse bei angedachten Infrastrukturmaßnahmen in Niedersachsen beschleunigen.
WOCHENBLATT: Wie kann und will das Land Niedersachsen das Freilichtmuseum am Kiekeberg in der Zukunft unterstützen?
Althusmann: Da ich selbst Fördermitglied bin, liegt mir das Museum Kiekeberg sehr am Herzen. In der Vergangenheit hat die CDU, über das Ministerium für Wissenschaft und Kultur, das 2012 eröffnete AGRARIUM mit der Förderhöchstsumme von 3,5 Mio. Euro aus EU-Mitteln (EFRE Fonds) gefördert. Zudem gab es 2003 bis 2017 weitere 500.000 Euro Projektfördermittel des Landes. Dieses Engagement werden wir auch zukünftig fortführen und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die bürokratischen Hürden für die Förderung abgebaut werden.
Stephan Weil: "Äußerst erfolgreiche Regierungsbilanz"
WOCHENBLATT: Was macht Sie optimistisch, dass Sie nach dem 15. Oktober Ministerpräsident bleiben?
Stephan Weil: Wir haben eine äußerst erfolgreiche Regierungsbilanz vorzuweisen: In den letzten Jahren sind in Niedersachsen sage und schreibe 300.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Wir haben den Haushalt saniert und mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt als je zuvor in Niedersachsen tätig waren. Ich bin stolz auf das, was wir geschafft haben. Die aktuellen Umfragen zeigen uns, dass das auch die Menschen in Niedersachsen wissen. Trotz der Intrigen der CDU und der vorgezogenen Neuwahlen gibt es keine Wechselstimmung im Land.
WOCHENBLATT: Mit welchen Themen wollen Sie die Wähler überzeugen, ihr Kreuz bei der SPD zu machen?
Weil: Bildung ist sicher eines der Themen, die vielen Menschen unter den Nägeln brennen. Hier haben wir viel erreicht und noch mehr vor: Wir haben so viele Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wie nie zuvor. Wir haben die Zahl der Plätze in Kindertagesstätten massiv erhöht. Das schafft Eltern mehr Freiräume, gerade auch Müttern, die arbeiten gehen. Letzteres gilt auch für das Ganztagsangebot an Schulen, das wir enorm verbessert haben. Wir haben das Turbo-Abi und die Studiengebühren abgeschafft und damit unser Bildungssystem gerechter gemacht. Wir werden aber noch deutlich weiter gehen, Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Wir wollen die Kita-Gebühren für Kinder ab drei Jahren komplett abschaffen und die gebührenfreie Meisterausbildung einführen. Gerade im ländlichen Raum spielen aber auch die Fahrtkosten eine große Rolle. Die dürfen kein Hemmnis sein, eine weiterführende Schule zu besuchen. Deswegen wollen wir, dass das Land die Fahrtkosten auch für Schülerinnen und Schüler der elften, zwölften und dreizehnten Klasse übernimmt.
WOCHENBLATT: Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Weil: Wichtig ist uns auch das ursozialdemokratische Thema Arbeit: Wir haben viele neue Stellen schaffen können, aber die Menschen müssen von ihrer Arbeit auch leben können. Wir wollen Mini-Jobs begrenzen, gleichen Lohn für Leiharbeiter und Werkvertragsnehmer sicherstellen und nicht zuletzt die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern beenden.
WOCHENBLATT: Was sind die drängendsten politischen Themen in den kommenden fünf Jahren?
Weil: Niedersachsen ist ein starkes und modernes Land, die Nummer Eins bei Erneuerbaren Energien. Wir wollen aber auch Vorreiter sein bei der Digitalisierung und - gerade für uns Niedersachsen ein wichtiges Thema – bei der Elektro-Mobilität. Deswegen wollen wir an allen Landesbehörden für E-Autos Ladesäulen einrichten, die auch privat genutzt werden können, um die Entwicklung der benötigten Infrastruktur voranzutreiben. Beim Breitbandausbau ist Niedersachsen schon einer der Spitzenreiter im bundesweiten Vergleich, aber wir dürfen uns deswegen nicht ausruhen. Gerade in der Fläche gibt es großes Potenzial – sowohl bei Nachfrage als auch beim Ausbaubedarf. Mit einem Online-Shop kann ein Fachhändler aus einem kleinen Ort einen Weltmarkt erschließen. Deswegen brauchen wir insbesondere in der Fläche Gigabit-Netze.
Bei der Bildung stehen wir in Niedersachsen sicherlich an einem Scheideweg: Die CDU will zurück zur Paukerschule der 50er Jahre, die Inklusion zurückdrehen und die Schullaufbahnempfehlung wiedereinführen. Sogar von einem achtjährigen gymnasialen Bildungsweg ist wieder die Rede im Programm der CDU! Das alles gefährdet den mühsam erreichten Schulfrieden. Das dürfen wir nicht zulassen.
WOCHENBLATT: Wie kann und will das Land Niedersachsen das Freilichtmuseum am Kiekeberg in der Zukunft unterstützen?
Weil: Für das aktuelle Projekt „Königsberger Straße“ werden in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 600.000 Euro zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus erhält das Museum durch die Metropolregion Hamburg eine Förderung in Höhe von 350.000 Euro. Die Königsberger Straße ist das bundesweit erste Museumsprojekt, das die Kulturgeschichte der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre erforscht und bewahrt. Ich selbst komme immer ausgesprochen gerne in das Freilichtmuseum am Kiekeberg.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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