Blutspenden sind für jeden
Welle der Hilfsbereitschaft für den kleinen Leo (2) aus Drochtersen / Interview mit einem Fachmediziner
Eine Flut von E-Mails und Anrufen ging Anfang der Woche beim WOCHENBLATT in den Landkreisen Stade und Harburg ein. Mehr als 100 Leserinnen und Leser erklärten sich bereit, für den kleinen Leo (2) aus Drochtersen Blut zu spenden. Der Junge erhält nach operativer Entfernung eines Nierentumors im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) Chemo- und Strahlentherapie und ist auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen. Seine Blutgruppe A Rhesus negativ haben allerdings nur sechs Prozent der deutschen Bevölkerung. Leos Eltern Franziska Reppin und Kevin Breitenhofer machen sich deshalb große Sorgen. Was passiert, wenn es einmal kein Blut für Leo gibt?
Das WOCHENBLATT hat zum Thema Blutspende, Bluttransfusion und Verfügbarkeit mit Dr. med. Sven Peine gesprochen. Er ist Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am UKE.
WOCHENBLATT: Herr Dr. Peine, können unsere Leserinnen und Leser direkt für Leo Blut spenden?
Dr. med. Sven Peine: In Deutschland ist eine sogenannte gerichtete Spende nicht möglich. Das bedeutet, dass man nicht zielgerichtet für eine Person Blut spenden kann. Die Spende erfolgt stets anonym und ist für jeden offen.
WOCHENBLATT: Warum ist das so?
Dr. med. Sven Peine: Die Regelung ist eine Empfehlung der Deutschen Fachgesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie. Dahinter steckt der Grundsatz, dass eine Blutspende stets uneigennützig und freiwillig sein soll. Das hat u.a. einen psychologischen Hintergrund. Denn Blut spenden darf man nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nach der Einnahme bestimmter Medikamente, vier Wochen nach einem akuten Infekt oder bei sexuellem Risikoverhalten gelten zum Beispiel jeweils unterschiedliche Rückstellungsfristen von der Blutspende.
Wenn jetzt aber jemand für eine bestimmte Person spenden möchte, die ihm besonders am Herzen liegt, könnte er es bei solchen Fragen in Konflikt mit der Wahrheit kommen. Man will dieser einen Person ja unbedingt helfen. Das könnte jedoch fatale Folgen für den Spendenempfänger haben. Dieses Risiko fällt deutlich geringer aus, wenn man freiwillig und ganz ohne Druck für eine vollkommen unbekannte Person spendet.
WOCHENBLATT: Jetzt hat Leo aber eine seltene Blutgruppe. Kann man da nicht eine Ausnahme machen?
Dr. med. Sven Peine: Falls eine seltene Blutgruppe nicht mehr verfügbar ist, gibt es grundsätzlich immer die Möglichkeit, eine Blutspende aus der Gruppe Null zu geben. Diese verträgt sich bis auf ganz wenige Ausnahmen mit allen anderen Blutgruppen. Außerdem versorgen wir im UKE weitere Patienten und Patientinnen mit seltenen Blutgruppen und auch für diese Menschen werden Blutkonserven dringend benötigt. Ich hoffe, wir können die großartige Resonanz auf ihren Artikel nutzen, um für alle Patienten im UKE die Versorgungslage zu verbessern.
WOCHENBLATT: Und kann man von den Leserinnen und Lesern nicht eine Liste anlegen, so dass sie kontaktiert werden können, wenn das Blut einmal knapp wird?
Dr. med. Sven Peine: Blut ist immer ein knappes Gut, ganz besonders in den Sommermonaten, wenn die Leute Urlaub machen und viele Freizeitaktivitäten haben. Wer bei uns im UKE Blut spendet, ist automatisch auf einer Spenderliste. Wenn die letzte Spende lange genug zurückliegt und eine weitere Spende möglich ist, werden diese Leute von uns automatisch angeschrieben und eingeladen. Alle, die somit regelmäßig zur Blutspende kommen, tragen zur sicheren Versorgung unserer Patientinnen und Patienten bei.
WOCHENBLATT: Leos Eltern haben noch darauf aufmerksam gemacht, dass ihr kleiner Sohn für die Transfusion nur 150 Milliliter Blut benötigt hat und restliches Blut in der Konserve verworfen wurde. Ist das Verschwendung?
Dr. med. Sven Peine: Aus einer Blutspende von 500 Millilitern entstehen in der Regel Blutprodukte mit einem Volumen zwischen 200 bis 300 Milliliter Für kleine Kinder stellen wir deshalb, wenn möglich, Kleinabfüllungen zur Verfügung, damit jede Blutspende bestmöglich genutzt wird. Nur in selten Fällen, z.B. kurz vor Ablauf der Haltbarkeit müssen wir den Verwurf von kleineren Mengen Blut in Kauf nehmen.
WOCHENBLATT: Im ländlichen Raum läuft die Blutspende ja überwiegend über das Deutsche Rote Kreuz, das in den Dörfern an bestimmten Terminen zur Blutspende aufruft. Das UKE hat zusätzlich einen eigenen Blutspendedienst. Gibt es da einen Unterschied, wo ich spende?
Dr. med. Sven Peine: Das UKE hat in Hamburg drei Standorte für seinen Blutspendedienst: im UKE Haus Ost 38, im Albertinen-Haus in Schnelsen und an der Hauptuniversität. Hier ist jede Woche geöffnet. Und: Wer im UKE spendet, kann sich sicher sein, dass sein Blut im Krankenhaus verbleibt und dort direkt an die Patienten und Patientinnen geht. Beim Deutschen Roten Kreuz geht das Blut an ganz verschiedene Standorte.
WOCHENBLATT: Was können Sie den Leserinnen und Lesern, die sich nach dem Artikel über Leo gemeldet haben, mit auf den Weg geben?
Dr. med. Sven Peine: Mit Leo sind zahlreiche Menschen emotional auf das Thema aufmerksam gemacht worden. Viele sind zwar prinzipiell bereit, Blut zu spenden, leider setzen die wenigsten den Vorsatz in die Tat um. Wer Blut spendet, tut das uneigennützig und im Idealfall dauerhaft für die Gesellschaft. Schließlich kann jeder von uns einmal in eine Situation kommen, in der man selbst eine Blutspende benötigt. Weiter Informationen zur Blutspende finden Sie unter www.blutsgeschwister.net.
WOCHENBLATT: Herr Dr. Peine, vielen Dank für das Gespräch.
Wer darf Blut spenden?
Grundvoraussetzung für eine Blutspende ist das Mindestalter von 18 Jahren und ein Mindestkörpergewicht von 50 Kilo. Bei Erstspendern liegt die Altersobergrenze bei 65 Jahren, sonst bis 73 Jahre. Weitere Ausschlusskriterien für eine Spende können bestimmte Medikamente, Erkrankungen, Therapien oder Auslandsreisen sein. Das wird vor jeder Spende individuell geklärt. Erste Anhaltspunkte gibt z.B. ein Online-Check des DRK: www.blutspendedienst-west.de/blutspende/checken
Eltern sagen "Danke"
Leos Eltern sind von der Hilfsbereitschaft der WOCHENBLATT-Leserinnen und -Leser schlichtweg überwältigt. "Wir bedanken uns sehr, dass so viele Menschen für Leo Blut spenden wollen", sagen sie. Ihnen ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Bereitschaft zum Aderlass generell steigt. Ihr Appell: "Bitte spenden Sie regelmäßig Blut. Es wird von vielen Menschen so dringend benötigt."
Auf ein Wort
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich finde es toll, dass sich so viele von Ihnen bereit erklärt haben, für den kleinen Leo Blut zu spenden. Diese Hilfsbereitschaft ist großartig. Leider kann man direkt für Leo kein Blut spenden. Man kann jedoch mit seiner Blutspende vielen Patienten helfen und im Notfall sogar Leben retten. Sollte es da nicht nebensächlich sein, ob der Empfänger alt oder jung, hübsch oder hässlich, männlich, weiblich oder divers ist?
Ich bin selbst Blutspenderin. Das DRK lädt mich regelmäßig zu Blutspendeterminen in meinem Heimatort ein. Das ist einfach und unkompliziert und ich bin immer gern dabei. Die Atmosphäre ist eine ganz Besondere: Alle sind gut gelaunt. Das liegt sicherlich auch daran, dass es ein tolles Gefühl ist, etwas Gutes zu tun. Geradezu euphorisierend. Probieren Sie es doch auch mal aus.
Stephanie Bargmann
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