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Atomkraft-Ausstieg
Häufung an Leukämie-Fällen in der Elbmarsch nie geklärt

Als Skelette verkleidet demonstrierten Bewohner der Elbmarsch im Jahr 2010 gegen das Atomkraftwerk Krümmel | Foto: sd
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  • Als Skelette verkleidet demonstrierten Bewohner der Elbmarsch im Jahr 2010 gegen das Atomkraftwerk Krümmel
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Jetzt ist endgültig Schluss: Am heutigen Samstag werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Jahrelang setzten sich Menschen in der Elbmarsch vor allem für die Abschaltung des Atomkraftwerks (AKW) Krümmel ein. Der wegen vieler Störfälle bekannte Pannenreaktor war bereits 2009 abgeschaltet und 2011 endgültig stillgelegt worden. Der frühere stellvertretende Landrat des Landkreises Harburg, Uwe Harden, war 20 Jahre lang Sprecher der „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch“, die es von 1990 bis 2015 gab. "Wir waren froh, als Krümmel damals abgeschaltet wurde", sagt er. Dennoch steht Uwe Harden dem endgültigen Atomausstieg skeptisch gegenüber.

"Wenn man die Energieversorgung anders sicherstellen könnte, wäre es gut. Man kann aber nicht gleichzeitig aus allem aussteigen", meint Harden u.a. auch zu fossilen Energieträgern. In seiner Zeit als SPD-Kreistagsabgeordneter erlebte er auch die Diskussionen um Windvorranggebiete, die im Zuge des Regionalen Raumordnungsprogramms festgelegt wurden. Dabei schieden zum Beispiel Flächen in der Elbmarsch wegen des Vorkommens des Roten Milans aus. Auch gebe es nicht genügend Speichermöglichkeiten für alternativ erzeugten Strom. "Ich kann nicht auf Atomkraft verzichten, wenn ich keinen Ersatz dafür habe", sagt der als Skeptiker bekannte Harden.

Die „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch" kämpfte damals nicht nur für eine Abschaltung des AKW Krümmel, sondern auch um die Aufklärung der Häufung kindlicher Leukämie-Erkrankungen in der Elbmarsch, über die bundesweit in den Medien berichtet wurde. Außer dem AKW gab es in der Elbmarsch noch die "Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH" (GKSS) mit zwei Forschungsreaktoren in Geesthacht. Was dort geschah, sei nie an die Öffentlichkeit gekommen.

Untersuchungen einer Fach-Kommission zur Leukämie-Häufung bei Kindern wurden seitens der schleswig-holsteinischen Reaktoraufsicht für das AKW Krümmel behindert, Unregelmäßigkeiten beim kerntechnischen Betrieb bestritten.

"Eine Klärung hat man nicht herbeiführen können", resümiert Harden.

BASE: Mit dem Atomausstieg ist die Gefahr nicht gebannt

Auch nach dem Abschalten der letzten drei deutschen Atomkraftwerke am heutigen Samstag, 15. April, stellt der Umgang mit der Atomenergie Deutschland vor große Herausforderungen. U.a. radioaktive Abfälle und Atomkraftwerke im grenznahen Ausland erfordern auch künftig von den staatlichen Institutionen, Menschen und Umwelt vor den Gefahren der zur Stromerzeugung eingesetzten Technologie zu schützen, so die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, und der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König.

„Der Atomausstieg ist ein klarer Zugewinn an Sicherheit in Deutschland. So lange in unmittelbarer Nachbarschaft jedoch weiterhin Atomkraftwerke in Betrieb sind oder gar neu geplant werden, sind die Risiken der Atomkraft nicht gebannt. Wir müssen daher weiterhin auf etwaige Notfälle vorbereitet sein“, betont Paulini. „Sieben AKW-Standorte in unseren Nachbarstaaten sind weniger als hundert Kilometer von Deutschland entfernt, und Radioaktivität macht an Grenzen nicht halt. Das Reaktorunglück von Fukushima hat gezeigt, dass Atomkraft selbst für hochentwickelte Industriegesellschaften ein unkalkulierbares Risiko darstellen kann.“ 

Aus dem Betrieb der deutschen Kernkraftwerke resultieren rund 1.900 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen, die derzeit in 16 Zwischenlagern aufbewahrt werden. Das BASE zeichnet verantwortlich für den sicheren Umgang mit diesem Erbe, das das Zeitalter der Atomenergie nun hinterlässt. Neben den besonders gefährlichen und langlebigen hochradioaktiven Abfällen müssen zudem gut 600.000 Kubikmeter an sogenannten schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sicher entsorgt werden. Diese stammen aus dem Betrieb der Atomkraftwerke und deren Rückbau, außerdem beinhalten sie die noch rückzuholenden Abfälle aus der Asse II sowie Abfälle aus der Urananreicherungsanlage Gronau. „Für einen begrenzten Zeitraum kann dies in speziell gesicherten Zwischenlagern an der Oberfläche erfolgen. Für die langfristig sichere Lagerung müssen diese Abfälle jedoch in speziellen Lagern in tiefen geologischen Schichten von Mensch und Umwelt isoliert werden“, betont BASE-Präsident König.

Auch wenn durch das Abschalten der Kernkraftwerke nun keine neuen Abfälle mehr produziert werden: „Den gut sechs Jahrzehnten, in denen die Atomenergie zur Stromerzeugung genutzt wurde, stehen noch mindestens weitere 60 Jahre bevor, die wir für den Rückbau und die langzeitsichere Lagerung der Hinterlassenschaften benötigen werden“, sagt König. (bim/nw).

Auf ein Wort: Haben CDU und CSU Gedächtnislücken?

Die Debatte um die heutige Abschaltung der letzten Atomkraftwerke ist berechtigt, aber die Kritik der CDU- und CSU-Abgeordneten völlig verfehlt. Hat die Union etwa Gedächtnislücken? War es doch „ihre“ CDU-Kanzlerin Angela Merkel, die nach der Atomreaktor-Katastrophe in Fukushima 2011 und nach Beschlüssen in Bundestag und Bundesrat die schrittweise Abschaltung der Atommeiler innerhalb eines Jahrzehnts angeordnet hat. Dass diese Beschlüsse nun ein Grüner Wirtschaftsminister mit einer Ampel-Koalition umsetzt, ist nur folgerichtig.

Ausgerechnet die CSU in Bayern, die jegliche Endlagerung des jahrhundertelang „strahlenden“ radioaktiven Atommülls auf ihrem Gebiet verweigert, fordert einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken. Das ist verlogen! Denn die versenkten Brennstäbe sind es, die eine unberechenbare Gefahr für nachfolgende Generationen darstellen.

Im Norden hat man sicherlich noch nicht die hohe Anzahl an Leukämiefällen bei Kindern in der Elbmarsch und in Geesthacht zwischen 1991 und 2006 vergessen, die zumindest von vielen Anwohnern und Betroffenen auf die benachbarten Atomkraftwerke Krümmel und Geesthacht zurückgeführt wurden. Der „Pannenreaktor“ Krümmel, in dem 2007 ein Transformator brannte, wurde 2009 nach weiteren Zwischenfällen abgeschaltet – so viel zur sicheren und sauberen Energie.

Fakt ist: Nach dem Beschluss des Atomausstiegs hätte der Ausbau der regenerativen Energien inklusive der Ertüchtigung des Stromnetzes viel schneller voranschreiten müssen, natürlich im Einklang mit Natur und Menschen.

Letztlich ist es die aktuelle Regierung – was auch immer man von ihr halten mag –, die die Entscheidungen der 16-jährigen Unionsregentschaft umsetzen und auch „ausbaden“ muss. Nicht mehr und nicht weniger. Bianca Marquardt

Als Skelette verkleidet demonstrierten Bewohner der Elbmarsch im Jahr 2010 gegen das Atomkraftwerk Krümmel | Foto: sd
Das Atomkraftwerk Krümmel wurde nach mehreren Pannen 2011 komplett stillgelegt | Foto: Niefind
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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