Debbie Bülau klärte Soldaten-Schicksal auf
Er fiel 1945 in Bevern: Kanadierin besucht Grab ihres Vaters
Der Begriff Heimatforscherin deckt bei Weitem nicht das ab, was Debbie Bülau aus dem Dörfchen Aspe bei Kutenholz in den vergangenen Jahren geleistet hat. Sie betrieb umfangreiches Quellenstudium, um NS-Opfern aus der Region einen Namen zu geben, und begab sich auf Spurensuche, um das Schicksal britischer Soldaten in den letzten Kriegstagen aufzuklären. Aufgrund ihrer Recherchen erlangte Bülau in England einen gewissen Bekanntheitsgrad. Sie wurde von Veteranenverbänden eingeladen, erhielt sogar Post von der Queen und gab auf der Insel Rundfunk-Interviews. In den englischen Medien wurde sie aufgrund ihrer Recherchetätigkeit fast häufiger erwähnt als hierzulande. Einem englischen Zeitungsbericht verdankt Bülau jetzt Besuch aus Kanada. Die Angehörigen eines britischen Soldaten wollten den Ort kennenlernen, wo ihr Vater und Großvater vor 79 Jahren starb.
Tod durch eine Granate
Bei den Gästen aus Kanada handelt sich um die Nachfahren des Soldaten Thomas Randell aus Leicester in den englischen Midlands. Der 28-jährige Kanonier Randell kam am 1. Mai 1945 bei den letzten Kampfhandlungen in Bevern ums Leben. Sein Regiment befand sich im Raum Selsingen. Aufgrund von Sprengungen war die Straße nach Bremervörde blockiert, sodass die Soldaten nach Bevern auswichen. Von dort sollte es Richtung Nordosten nach Kutenholz weitergehen. Doch die Briten gerieten unter schweren Beschuss der zurückweichenden deutschen Einheiten. Randell und zwei Kameraden wurden durch eine Granate getötet. Die Toten wurden zunächst in Kutenholz begraben - dort erinnert eine Gedenkstele an sie - und später auf den zentralen britischen Soldatenfriedhof (War Cemetary) in Becklingen in der Lüneburger Heide umgebettet. Bülau war in den Vorjahren bereits zu Gedenkfeiern auf der Kriegsgräberstätte eingeladen. Dort wird jedes Jahr im November der traditionelle Remembrance Day begangen - wie überall, wo Soldaten aus dem britischen Commonwealth begraben liegen.
Kontakt über die "Daily Mail"
Es war auch dieser Gedenktag, den die Ur-Enkelin von Randell zum Anlass für eine Recherche nahm. Sie stieß am Remembrance Day 2022 auf einen Online-Artikel der Zeitung "Daily Mail" (Link zum Artikel), in dem über Bülaus Nachforschungen zu den Soldatenschicksalen berichtet wird. Davon erzählte sie ihrer Oma Diane Reynolds, Randells Tochter. Die Seniorin, die im Herbst 81 Jahre alt wird, zeigte sehr berührt und wandte sich an den Redakteur der Daily Mail, der den Artikel verfasst hatte. Dieser wiederum stellte den Kontakt zu Debbie Bülau her. "Seitdem stehe ich im Austausch mit Diane und ihrer Familie", berichtet Bülau. Was besonders tragisch ist: Diane war erst 18 Monate alt, als ihr Vater starb. Ihre Mutter heiratete später einen Freund des Vaters. Im Jahr 1957 wanderte die Familie nach Kanada aus.
Emotionale Momente am Grab
Aus der kanadischen Provinz Ontario reiste nun Diane Reynolds mit ihrem Sohn Philip sowie ihrer Tochter Donna und deren Mann Bret an, um die Orte aufzusuchen, wo ihr Vater bzw. Großvater ums Leben kam und wo er seine letzte Ruhestätte fand. Gemeinsam mit Debbie Bülau, deren Tochter Maileen und dem Kutenholzer Heimatforscher Frank Hoferichter fuhr der Besuch aus Kanada zur Kriegsgräberstätte Becklingen. Dort wurde die kleine Gruppe von Keith Orton, dem Vorsitzenden der Royal British Legion Bergen-Hohne, empfangen. Es gab eine kleine Gedenkzeremonie an Randells Grab. "Das waren sehr emotionale und bewegende Momente", erzählt Bülau. "Die Familie hat erst durch mich die genaueren Umstände erfahren, wie Randell starb."
Spurensuche in Bevern
Die Familie besuchte auch Bevern, wo die tödliche Granate im Bereich zwischen der Kirche und der Abzweigung nach Hesedorf einschlug. Dort traf man sich mit Rainer Klöfkorn, der viel über die Geschichte Beverns geforscht hat. Klöfkorn berichtete, dass im Ort zum Volkstrauertag auch der gefallenen britischen Soldaten gedacht werde, deren Namen dank Bülaus akribischer Recherche inzwischen bekannt seien. Als Geste der Versöhnung legte Diane Reynolds Blumen am Ehrenmal für die gefallenen deutschen Soldaten nieder. "Für Diane war es wichtig zu wissen, wo genau ihr Vater starb", sagt Bülau. Die alte Dame habe immer geglaubt, dass er auf einem verwüsteten Schlachtfeld unter schlimmsten Bedingungen ums Leben gekommen sei. Für sie sei es nun ein gewisser Trost, dass er in einem so beschaulichen Ort wie Bevern gestorben sei und er in den letzten Momenten seines Lebens den Blick möglicherweise auf die Kirche gerichtet habe.
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