"Sind nicht willkommen"
Viebrock stoppt Bauvorhaben in Grünendeich
Die geplante Smart City im Alten Land wird es nicht geben: Die Harsefelder Baufirma Viebrock gibt ihren Plan auf, in Grünendeich (Samtgemeinde Lühe) 54 neue Wohneinheiten zu errichten. Eine Smart City zeichnet sich durch eine klimaneutrale Bauweise und eine innovative Form der Erschließung aus. Viebrock hat das Konzept bereits in einem Harsefelder Neubaugebiet erfolgreich umgesetzt. Doch in Grünendeich formierte sich gleich nach dem Bekanntwerden der Pläne Widerstand. Anwohner aus der Nachbarschaft sammelten Unterschriften gegen das Bauvorhaben, das sieben Mehrfamilienhäuser (sogenannte "Power Townhouses") sowie 28 Einfamilienhäuser umfassen sollte. Es bildete sich sogar eine Bürgerinitiative, die ein Bürgerbegehren gegen die Viebrock-Pläne auf den Weg bringen wollte. Jetzt zieht das Bauunternehmen die Reißleine.
Viebrock fehlt die Planungssicherheit
„Wir bauen nicht, wenn wir in einer Gemeinde nicht willkommen sind“ – mit diesen Worten beendet Dirk Viebrock, Vorstandschef der Viebrockhaus AG, die Diskussion um die geplante Öko-Siedlung in Grünendeich. „Angesichts der kontroversen Debatten in der Gemeinde fehlt uns die Planungssicherheit und deswegen beenden wir dieses Vorhaben“, schreibt der Firmenchef in einem Brief an Grünendeichs Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) und bittet um Verständnis für die Absage. Sein Unternehmen habe anfangs gern das Ansinnen aus der Gemeinde Grünendeich aufgegriffen, dort ein Neubaugebiet zu errichten. Schließlich gab es dafür gute Argumente: Grünendeich fehlt Platz für Neubürger, der Wegzug von jungen Menschen sollte verhindert werden und zudem ein Angebot für Menschen geschaffen werden, die sich bisher den Traum von einer eigenen Immobilie nicht erfüllen konnten.
Bauprojekt wäre eine Bereicherung gewesen
Dirk Viebrock ist davon überzeugt, dass das Projekt eine Bereicherung für Grünendeich gewesen wäre. Man hätte bezahlbaren Wohnraum geschaffen, der zudem eine hervorragende Ökobilanz aufweist - dank der intelligenten Energieeffizienz und des cleveren Ressourcenschutzes. Gründächer, Photovoltaikanlagen, mit denen die Neubürger einen Großteil ihres Stroms selbst erzeugen, und der Bau mit ressourcenschonenden und energiesparenden Materialien sind nach Angaben des Firmenchefs Standard bei der Viebrockhaus-AG, ebenso der Schutz gegen Starkregen. Regenwasser wäre durch die Kombi aus Gründach und Zisterne gedrosselt oder gar nicht in die Gräben geflossen.
Wohnraum für jedes Alter und alle Einkommensgruppen
Die Öko-Siedlung sollte auf ehemaligen Obstbauflächen entstehen, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden und für die auch keine alternativen Nutzungskonzepte vorgelegen haben. Viebrock nahm daher eine
Projektstudie vor - mit dem Ergebnis, dem Gemeinderat Grünendeich eine Öko-Siedlung mit Wohnraum für alle Generationen und Einkommensgruppen vorzuschlagen. Die Behauptung der Kritiker, die Infrastruktur in Grünendeich sei durch den Zuzug von Neubürgern überfordert, lässt Dirk Viebrock nicht gelten. Selbstverständlich habe die Viebrockhaus AG einen Infrastrukturausgleich für die Gemeinde Grünendeich
angeboten, zweckgebunden für Kitas und Schulen. Der Bauunternehmer kann den Protest in Grünendeich nicht nachvollziehen: „Alle reden von fehlendem Wohnraum, Klimaneutralität und bezahlbaren Wohnungen - wir hätten eine Lösung gehabt, die aber offenbar nicht gewünscht ist.“
Die weitere Planung wäre mit hohen Kosten verbunden. Das könne man angesichts der vor Ort bestehenden Planungsunsicherheit betriebswirtschaftlich nicht rechtfertigen, begründet Dirk Viebrock seine Entscheidung. Er sei enttäuscht, so der Firmenchef - allerdings nicht von der Politik, denn diese habe das Projekt unterstützt: „Der Rückhalt aus dem Rat und vom Bürgermeister sei stets gut gewesen.“ Aber um die erhitzten Gemüter aus der Bürgerinitiative nicht weiter zu forcieren, sei die Absage die logische Konsequenz. Vollends scheint das Tischtuch aber nicht zerschnitten: Sollten sich Bürger und Politik in Grünendeich mit Blick auf die Zukunft der Gemeinde auf eine einvernehmliche Lösung einigen, sei die Viebrockhaus AG immer für Gespräche offen, so Dirk Viebrock.
Bürgermeister wurde vom Aus überrascht
Grünendeichs ehrenamtlicher Bürgermeister Nikolai Müller (CDU) zeigt sich überrascht vom Aus für die Viebrock-Pläne. "Ich persönlich finde es schade, dass dieses nachhaltige Projekt nicht umgesetzt wird", erklärte Müller im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. Die Aussage, dass Viebrock mit dem Bauvorhaben in Grünendeich nicht willkommen sei, treffe allerdings so nicht zu. Bei Weitem nicht der gesamte Ort sei dagegen gewesen. Das sei heutzutage doch normal, dass es in der Nachbarschaft Proteste gibt, wenn irgendwo neu gebaut wird. "Der Grünendeicher Rat stand mehrheitlich hinter den Viebrock-Plänen", sagt Müller. Er habe auch mit vielen Bürger gesprochen, die das Ganze positiv gesehen hätten.
Dass Viebrock jetzt die Planungen stoppt, sei in keiner Weise absehbar gewesen, so der Bürgermeister. Zwar habe sich auf der Ratssitzung im Juni, als das Thema auf der Tagesordnung stand, abgezeichnet, dass es Widerstand gibt, doch danach habe sich die Situation nach seinem Empfinden beruhigt. Umso überraschender sei daher für ihn und die Verwaltung der Schritt von Viebrockhaus gekommen. Er habe die Bürgerinitiative bereits per E-Mail informiert. Deren Kritikpunkte gerade in Hinblick auf die nicht ausreichende Infrastruktur habe er nie nachvollziehen können, so Müller: "Dann darf ja nirgendwo neu gebaut werden."
Gegner für Argumente nicht zugänglich
Auch die Behauptung, das Bauvorhaben passe nicht zum Leitbild der Gemeinde Grünendeich, findet Müller nicht plausibel. Es gehe doch gerade um klimaneutrales Bauen und die Schaffung von nachhaltigem Wohnraum, der auf die Bedürfnisse verschiedener Personengruppen wie etwa Singles, junge Familien und Senioren zugeschnitten ist. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass die Bürgerinitiative nie für sachliche Argumente zugänglich gewesen ist - egal, wie gut diese waren. "Die waren einfach nur dagegen und wollten das Bauvorhaben verhindern."
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