Mienenbüttel
Gutgemeinter Tierschutz oder persönliche Abrechnung?

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Der Ärger um den Standort des ehemaligen Tierversuchslabors "Laboratory of Pharmacology and Toxicology" (LPT) in Mienenbüttel reißt nicht ab. Nachdem die "SOKO Tierschutz" im Oktober 2019 im LPT massive Tierquälereien aufgedeckt und öffentlich gemacht hatte, wurde das Labor im Januar 2020 geschlossen. Aus dem Tierversuchslabor wurde im März vergangenen Jahres das Tierzentrum Neu Wulmstorf, ein Tierheim. Grund zur Freude für alle Tierschützer, die jahrelang und zuletzt mit monatelangen Mahnwachen gegen das LPT gekämpft haben - sollte man meinen. Doch ein Teil dieser Mahnwachenteilnehmer, die zunächst ehrenamtlich im Tierzentrum mitgeholfen haben, macht jetzt Front gegen das Tierheim.

Tierzentrum sei überfüllt, es gebe zu wenig Personal

"Wir sind überwiegend ehemalige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tierzentrums, die dort lange gearbeitet haben, aber aufgrund der Missstände nach und nach ihre Unterstützung eingestellt haben", informiert Sprecher Uwe Gast. Die Vorwürfe: Das Tierzentrum sei überfüllt, es gebe zu wenig Personal. "Tote Lämmer, tote Welpen, tote Enten, die Überfüllung des 'Tierheims' bei viel zu wenig Personal. Unser Protest richtet sich gegen die Zustände im Tierzentrum, aber auch gegen die Stadt Hamburg und das Veterinäramt in Winsen", so Gast.

Der Landkreis Harburg bringt wie die Stadt Hamburg Fundtiere und Tiere aus Inobhutnahmen im Tierzentrum unter und bezahlt dafür eine festgelegte Gebühr.

Nachdem der Hamburger Tierschutzverein wegen mangelnder finanzieller Unterstützung durch die Stadt Hamburg einen Aufnahmestopp im Tierheim Süderstraße veranlasst habe, würden Hunde aus Hamburg "dutzendweise ins Tierzentrum Mienenbüttel" gebracht, "das personell gar nicht für so viele Tiere ausgerüstet ist". Das Veterinäramt in Winsen werde seit ca. zehn Monaten über die Missstände und Defizite informiert, kontrolliere zwar recht häufig, eine Verbesserung der Situation ergebe sich nicht, erklärt Uwe Gast.

Landkreis bestätigt die Vorwürfe nicht

Die von den Mahnwachenteilnehmern vorgebrachten Vorwürfe und Zustände bestätigt der Landkreis jedoch nicht. Das Veterinäramt des Landkreises Harburg kontrolliere das Tierzentrum alle zwei Monate unangekündigt und befinde die Einrichtung für gut, erklärt Kreissprecher Andres Wulfes auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Lediglich in geringerem Umfang gebe es Verbesserungspotenzial, allerdings nichts, was für die Tiere lebensbedrohlich sein könnte. Dass ab und zu Tiere im Tierzentrum sterben, komme vor, sei aber auch dem Zustand der Tiere geschuldet, in dem sie im Tierzentrum ankommen.

Laut Genehmigung dürfen im Tierzentrum 100 Hunde und 48 Katzen gehalten werden. Nach letztem Wissensstand des Veterinäramtes seien diese Zahlen Anfang der Woche nicht erreicht gewesen, das Tierheim also noch nicht komplett ausgelastet.

Betreiberin weist "haltlose Vorwürfe" zurück

Tierzentrumsbetreiberin Doris Firlus reagiert fassungslos auf die - wie sie sagt - haltlosen Vorwürfe und hat jetzt einen Rechtsanwalt eingeschaltet. "Ich habe nichts gegen kons­truktive Kritik, aber gegen die Verbreitung von Lügen. Es ist zwar nur eine kleine Gruppe, aber was diese Leute machen, ist unverschämt, geschäfts- und ruf­schädigend", sagt sie. Zumal einige der Plakate der Mahnwachenteilnehmer persönliche Anfeindungen enthalten ("Narzisst, manipulatives Arschloch"). Der abgebildete Mitarbeiter des Tierzentrums ist zwar mit Balken versehen, wer ihn kenne, würde aber wissen, um wen es sich handelt, sagt Doris Firlus. Dieses Vorgehen habe nichts mit Tierschutz zu tun.

Tierzentrumsbetreiberin Doris Firlus in einem der Hundezwinger mit "Erna" | Foto: bim
  • Tierzentrumsbetreiberin Doris Firlus in einem der Hundezwinger mit "Erna"
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Städte und Kommunen zahlen für Unterkunft und Versorgung

Ein weiterer Vorwurf: Das Tierzentrum würde sich an den Gebühren, die die Stadt Hamburg und der Landkreis Harburg für die Tierunterbringung zahlen, bereichern. "Die Städte und Kommunen zahlen für die Unterkunft und Versorgung der Tiere. Wir müssen aber u.a. auch Personalkosten und die Unterhaltung der Gebäude finanzieren. Können die nicht rechnen?", echauffiert sich Doris Firlus.

Geht es also um Tierschutz? Oder um eine persönliche Abrechnung? Das werden entweder die Behörden oder womöglich ein Gericht zu klären haben.

Tierzentrumsbetreiberin Doris Firlus in einem der Hundezwinger mit "Erna" | Foto: bim

6 Kommentare

Leserreporter
Jana Jana Gerstmann aus Harsefeld
am 29.05.2023 um 14:39

In dem Artikel bzw. der Überschrift wird suggeriert, dass all die ehemaligen Helfer mit der Tierheimleitung „abrechnen“ wollen. Offen und daher höchst interessant wäre der vermutete Grund für eine solche „Abrechnung“. Fakt ist doch, dass alle im zeitlichen Verlauf von circa 15 Monaten nacheinander, aber vor allem absolut aus freien Stücken gegangen sind. Anstatt sich für die Hilfe und Arbeit über so viele Monate dankbar zu zeigen, werden diese jetzt zu Tätern erklärt und man sieht sich in einer Opferrolle. Aber selbst mangelnde Dankbarkeit wäre keine Grund für eine Abrechnung, denn man hat die Arbeit nicht für die Betreiber getan, sondern ausschließlich für die Tiere, und die profitieren doch davon trotz der für Kritiker genannten Defizite dauerhaft. Auf die Frage der Tierheimleitung „Können die denn nicht rechnen?“ gibt es nur eine Antwort: „Doch, das können sie.“ Es wurde uns doch schon während der Genehmigungsphase stolz erklärt, was man alles für Einnahmequellen generieren will. 160 gefährliche Hunde mit Einnahmen von 45€ pro Tag und Hund, 5 Sterne Hundehotel, Tierklinik, Hundefriseur, privates Hundetraining usw. usw. Ja, aus all dem wurde nichts, aus Mangel an erforderlichen Genehmigungen und des eingeschränkten Flächennutzungsplans. Genehmigt ist lediglich die Beherbergung von Hunden und Katzen. Weder dürfen Kleintiere aufgenommen werden, noch ist eine Wildtierstation genehmigt, was aber nicht davon abhält, auf der Webseite dafür um Spenden zu bitten!

Leserreporter
Stephanie Witte aus Neu Wulmstorf
am 30.05.2023 um 17:23

Ein Anwalt hätte der Leiterin des Tierheims zunächst sicherlich davon abgeraten, eine ganze Gruppe von Menschen öffentlich zu beschuldigen, die Unwahrheit zu verbreiten, denn damit macht man sich ggfs. doch selber strafbar, und womöglich wächst ja auch die Gefahr dadurch, dass durch rechtliche Maßnahmen noch ganz andere Kenntnisse zur Sprache kommen, die man in dem langen Zeitraum mit den jetzt Beschuldigten geteilt hat oder die beobachtet wurden. Wesentlich wäre ja schon zu klären, ob die der Lüge beschuldigten Personen die genannten „unhaltbaren Vorwürfe“ und somit offenbar strittigen Punkte nicht durch diverse Fotos, eigene Beobachtungen, Beobachtungen durch Zeugen oder dokumentierte Zeugenaussagen belegen können, sonst gibt es ja noch einen weiteren langen Rechtsstreit, in diesem Fall dann wohl mit medialer Aufmerksamkeit. Auch in der Genehmigungsphase wurden doch laut der Geschäftsführung Anwälte sowohl gegen die Behörden als auch gegen Gegner des Tierzentrums bemüht, aber schon damals ist man offenbar damit gescheitert, wie doch auch mit der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die damals zuständige Veterinärärztin. Man scheiterte mit den Genehmigungen weiterer Vorhaben, wird das zur Tradition? Zu LPT Zeiten warf man dem Veterinäramt Versagen vor, jetzt argumentiert man, die Behörde prüft ja, dann ist ja alles Bestens.

Leserreporter
Marion Stützlein aus Buxtehude
am 01.06.2023 um 16:48

Die offizielle Aussage der Behörde ist durchaus verständlich, da man ja die Zustände trotz Kenntnis und Zeugenaussagen akzeptiert. 
Im persönlichen Gespräch erhielt man eher einen anderen Eindruck, aber vermutlich kamen die Anfragen der Presse zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn der Leiter des Veterinäramtes war zu dieser Zeit im Urlaub.

Als der Skandal 2019 im LPT aufgedeckt wurde, warf man dem Veterinäramt öffentlich Versagen vor - aber hätten die prüfenden Veterinärärzte jemals die illegalen Tiermisshandlungen außerhalb der legalen Tierversuche erkennen können? 

Nun ist die aktuelle Situation aber eine andere:
Zeugen berichten über Missstände; das Veterinäramt sagt zu, sich darum zu kümmern. Jedoch ist eine Verbesserung nicht wahrnehmbar, man hat halt einen „guten Eindruck“. Wer diesen guten Eindruck gehabt hat, bleibt natürlich offen. Uns gegenüber wurde allerdings auch über deutlich andere Wahrnehmungen berichtet.

Das Tierzentrum macht, um finanziell über die Runden zu kommen, natürlich das, was zugelassen wird. Die Tiere leiden, aber aus wirtschaftlichen Gründen mag es durchaus verständlich sein… 

Verursacher in 1. Linie ist die Stadt Hamburg, deren mangelnde finanzielle Ausstattung des Tierheims Süderstrasse zu einem massiven Problem in Hamburg geführt hat. Das wirkt so, als kaufe man sich von der Verantwortung frei, bringt Tiere im Umland in Mienenbüttel und wohl auch in Bergedorf unter. 
Aussage der zuständigen Justizbehörde ist, man habe sich das Tierzentrum angesehen und dieses als hierfür geeignet beurteilt. Für die Kontrolle der Unterbringung sieht man dann allerdings die Behörden in Winsen als zuständig an, damit habe die Stadt Hamburg nichts zu tun. Das Veterinäramt in Winsen muss das Dilemma ausbaden und akzeptiert ganz offenbar die daraus resultierenden Defizite für die Tiere. 
Aus meiner Sicht ein Skandal.